Die Notaufnahmen vieler Krankenhäuser im Lande kommen an ihre Leistungsgrenzen. Unter anderem deshalb, weil Patientinnen und Patienten viel zu oft Rettungsdienste bei einfachen Erkrankungen und harmlosen Verletzungen beanspruchen. Das bindet Kapazitäten, die die Kliniken für schwerere Fälle bräuchten. Zudem: Das Kliniksterben wird in vielen Regionen den Weg zur nächsten Notaufnahme verlängern.
Probleme wie diese standen am Freitag im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CSU und der Senioren-Union im "Rudolf-Winkler-Haus" in Zeil. Betitelt war die Veranstaltung mit "Optimierung der Notfallversorgung in der Region Haßberge-Schweinfurt".
Ländlicher Raum darf nicht ohne Klinik dastehen
Der Kreisvorsitzende der Senioren-Union, Wolfgang Kunzmann, hieß hierzu zahlreiche Fachleute und Referenten aus dem medizinischen Bereich und dem Rettungswesen willkommen. Sein Appell: "Es kann nicht sein, dass ein ländlicher Raum ohne Krankenhaus dasteht." Der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel (CSU) erinnerte daran, dass im Bundestagswahlkampf die Gesundheitspolitik so gut wie keine Rolle gespielt habe. "Es ist aber eine wichtige Aufgabe des Staats, dass die Bevölkerung medizinisch gut versorgt wird."

"Die meisten Menschen halten die Gesundheitsversorgung für wichtig oder sehr wichtig", betonte Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag. In der ambulanten Versorgung brauche man Notärztinnen und Notärzte genauso wie Haus- und Fachärztinnen und -ärzte. Dazu gehöre auch eine neue Patientenregelung, mit der Folge, dass Patienten schneller einen Termin bekommen.
Es braucht vor Ort ein dichtes Netz
Seidennath kritisierte mit Blick auf das Thema der Veranstaltung, dass bei der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein wichtiger Punkt nicht mitgedacht worden sei: Für Patientinnen und Patienten sei es in der Regel kein Problem, für eine Hüftoperation weitere Wege zurückzulegen. "Aber zur Notfallversorgung braucht es ein dichtes Netz vor Ort und von Leuten, die es können." Deutschlandweit fehle es an Medizinerinnen und Medizinern. Bayern gehe hier voran und habe 2700 zusätzliche Medizinstudienplätze geschaffen. Beim Rettungsdienst stehe man vor Veränderungen: Im Freistaat sollen sogenannten Rettungseinsatzfahrzeuge (REF) als neues Einsatzmittel bei weniger gravierenden Einsätzen Notärzte und Rettungswagen entlasten.

Dr. Peter Jung, Leiter der Notarztgruppe Haßberge, sprach von 2179 Einsätzen, die die BRK-Rettungswachen Ebern, Eltmann, Hofheim und Haßfurt im Jahre 2023 gefahren seien. "Die Notfall-Einsätze steigen und der Anteil der Ärzte sinkt. Trotzdem haben wir ein Reaktionszeitintervall von nur 11 bis 12 Minuten", erklärte Jung. Auch mit der Luftrettung sei man zufrieden, aber eine Flugminute koste bis zu 134 Euro.
Viele tausend Fälle pro Jahr – ambulant wie stationär
Kathrin Gumprecht-Fleck, Oberärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie an den Haßberg-Kliniken, berichtete von jährlich 8600 ambulanten und 6036 stationären Notfällen. Diese Zahl steige immer mehr an. Weil die Patienten schwer an einen Hausarzt- oder Facharzttermin kämen, suchten sie vermehrt die Notaufnahme auf. "Die Notaufnahme ist aber unabdingbar, weil sie die einzige Anlaufstelle für Patienten mit akuten Beschwerden ist."
Dr. Benedikt Stubner, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme des Leopoldina-Krankenhauses in Schweinfurt, nannte die Zahl von 32.000 Patientinnen und Patienten, die 2023 die Notaufnahme seines Hauses aufgesucht hätten. Die Notaufnahme sei überlaufen und komme deswegen an ihre Kapazitätsgrenze.

"99 Prozent der Bayern können innerhalb 30 Minuten eine Bereitschaftspraxis erreichen", stellte Joachim Lentzkow von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) fest. Damit habe man eine gute Abdeckung. Trotzdem müsse man in der Zukunft Personalressourcen einsparen, kündigte Lentzkow an. Er verwies auf einen Onlinefragebogen des Patientenservice 116117, der Hilfe zur Selbsteinschätzung geben soll, ob jemand tatsächlich in die Notaufnahme soll oder es reicht, am nächsten Tag zum Hausarzt zu gehen. Bernhard Kießling, Geschäftsführer des VdK-Kreisverbandes Haßberge, hielt es für wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger viel stärker aufgeklärt werden, wie man sich bei Notfällen verhalten und welche Nummer man im Falle des Falles wählen müsse.
Ambulante Notfallversorgung "nicht sachgerecht vergütet"
Regina Steenbeek-Schacht, Vorständin der Haßbergkliniken, stellte fest, dass die Zahlen in der Notaufnahme besonders an "Brückentagen" steigen. Man erhalte aber keine sachgerechte Vergütung für die Notfallversorgung von ambulanten Fällen. Und so komme es allein dort zu einer Unterdeckung von 350.000 Euro im Jahr. Trotzdem verstehe man die Notfallversorgung als Versorgungsauftrag für den Landkreis. Dies unterstrich auch Landrat Wilhelm Schneider (CSU). "Die Gesundheitsversorgung ist uns ganz wichtig. Medizinisch sind wir gut aufgestellt. Unser Problem ist das Wirtschaftliche, denn uns fehlen 5 bis 6 Millionen Euro jedes Jahr."
In der Diskussion kam zur Sprache, dass Erkrankte am Mittwochnachmittag und am Donnerstag nach 17.30 Uhr keine Hausarztpraxis mehr erreichten und dann die Nummer 116 117 wählten. Auch der Wunsch in der jüngeren Ärzteschaft nach "work life balance" war Thema. Auf der anderen Seite wurde die Bedarfsplanung hinterfragt, wenn sich zwei Ärzte eine Stelle teilen müssten oder die HNO-Praxis am MVZ in Haßfurt nicht besetzt sei.
Wichtige Telefonnummern, die jeder kennen sollteNotruf 112, Feuerwehr und Rettungsdienst: Europaweit können Anruferinnen und Anrufer über die einheitliche Notrufnummer 112 (ohne Vorwahl) Hilfe durch Feuerwehr und Rettungsdienst anfordern. In Bayern verbindet der Notruf 112 mit der örtlichen Integrierten Leitstelle – aus allen Telefonnetzen vorwahl- und gebührenfrei.Notruf 110, Polizei: Unter dieser Notrufnummer erreichen Anruferinnen und Anrufer die Einsatzzentralen der Bayerischen Polizei.0800 6 888 000, Bundespolizei: Unter dieser Nummer ist die Bundespolizei zu erreichen, die unter anderem für bahnpolizeiliche Angelegenheiten zuständig ist.116 117 – Ärztlicher Bereitschaftsdienst: Wer außerhalb der regulären Sprechstunde der Hausärztin oder des Hausarztes ärztliche Hilfe bei nicht lebensbedrohlichen gesundheitlichen Problemen hat, die nicht den Einsatz des Rettungsdienstes notwendig erscheinen lassen, dem hilft der Ärztliche Bereitschaftsdienst bei der Vermittlung eines Arztes. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst ist bayernweit über die Rufnummer 116 117 erreichbar – aus allen Telefonnetzen vorwahl- und gebührenfrei.Quelle: Main-Post