Vor 18 Jahren zog Sigrid Anschütz-Kestler mit ihrem Mann an die Ostsee. Die beiden lebten dort in der Hansestadt Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern, ehe sie 2019 wieder in den Landkreis Haßberge zurückkehrten. Zu einem der Gründe für ihre Rückkehr sagt die 69-Jährige: "Ich habe mich plötzlich von AfDlern umringt gesehen." Etwa ab 2015 habe sie gemerkt, dass sich in ihrem dortigen Lebensumfeld rechtsextreme Tendenzen zunehmend verbreiten, berichtet Anschütz-Kestler. Im Internet suchte sie daraufhin nach einer Möglichkeit, sich zu engagieren, und stieß auf die Initiative "Omas gegen Rechts".
Seitdem ist Anschütz-Kestler Teil der Initiative und durch ihren Umzug zurück nach Haßfurt eine der ersten "Omas gegen Rechts" im Landkreis Haßberge. Eine größere Ortsgruppe, der sie sich angeschlossen hat, existiert in Bamberg. "Für mich persönlich war die Motivation, aus meiner Beobachterrolle herauszugehen", sagt die 69-Jährige. "Man sitzt daheim, man überlegt und denkt: Die kommen hier hoch, die kommen hier hoch. Jetzt ist das wieder dasselbe, was man früher gehört hat." Das wolle sie auf keinen Fall. "Ich möchte wirklich auch für meine Kinder und meine Enkelkinder da einen Punkt setzen", ergänzt sie.
"Omas gegen Rechts" sehen sich als überparteiliche Initiative
Auf einen Mitstreiter ist Sigrid Anschütz-Kestler im Landkreis Haßberge bereits gestoßen: Thomas Dietzel. Der 74-jährige Hofheimer, der für das Linke Bündnis Haßberge im Kreistag sitzt, engagiert sich als "Opa gegen Rechts". Bei einer Gegendemonstration in Ebern, als es dort im November 2022 zu einer rechten Kundgebung vor dem Gymnasium kam, sei er erstmals auf die "Omas gegen Rechts" aufmerksam geworden, erinnert sich Dietzel. Weitere Veranstaltungen folgten. Und: "Da wir von den Inhalten her ähnliche Vorstellungen haben, war es für mich kein Thema, mich anzuschließen."

Die "Omas gegen Rechts", die auf eine Gruppe aus Österreich zurückgehen, sind nach eigenen Angaben eine "zivilgesellschaftliche überparteiliche Initiative, die sich in den politischen Diskurs einmischen will". Im Fokus steht dabei unter anderem der Einsatz für den Erhalt der Demokratie. Auch für gleiche Rechte aller in Deutschland lebender Menschen machen sich die "Omas gegen Rechts" stark. Nicht zuletzt, geht es aber auch um sie selbst und ihre Stimme, denn: "Die ältere Frau als öffentliche politische Kraft ist nicht in unserem kollektiven Bewusstsein gespeichert."
"Die ältere Frau als öffentliche politische Kraft ist nicht in unserem kollektiven Bewusstsein gespeichert."
"Omas gegen Rechts"
Thomas Dietzel erinnert sich an einen Auftritt der "Omas gegen Rechts" in Oberhaid (Lkr. Bamberg), als er die Gruppe noch aus Beobachtersicht erlebte: "Da waren die Omas aktiv, also vom Einsatz her: Stark, nicht zurückhaltend. Und vor allem, es ist nicht das Klischee, das man sich von Omas vorstellt. Man denkt ja immer, die Omas, die sind brav und stricken zuhause. Das ist es überhaupt nicht." Es kämen aber durchaus Teilnehmerinnen mit Häkelhüten, merkt Sigrid Anschütz-Kestler mit einem Augenzwinkern an.
Sich im Stadtbild sichtbar machen und Haltung zeigen
Die Aktivitäten der "Omas gegen Rechts" reichen von der Teilnahme an Demonstrationen, über das Abhalten von Mahnwachen bis hin zu eigenen Veranstaltungen und Infoständen. Dabei geht es ganz grundlegend darum, sich zu zeigen und sichtbar zu werden, wie Anschütz-Kestler erklärt. "Hallo, ich stehe hier, ich zeige Haltung. Und das, was ich mich traue, das könnt ihr auch." In Bamberg würden die "Omas gegen Rechts" regelmäßig im Stadtbild auftauchen und mittlerweile einfach dazugehören. "Sie sind immer irgendwie präsent, auch wenn mal nur zwei oder drei da sind."
"Es geht darum, sich zu trauen."
Sigrid Anschütz-Kestler, "Oma gegen Rechts"
Es gebe hinsichtlich des Engagements bei den "Omas gegen Rechts" keine Verpflichtungen. "Man muss nicht an Demos teilnehmen", sagt Anschütz-Kestler. Auch, sich im Straßenbild zu zeigen, bei Veranstaltungen dabei zu sein, sich mit anderen Gruppen und Initiativen zu vernetzen, helfe, ein Zeichen zu setzen. "Es geht darum, sich zu trauen", unterstreicht die 69-Jährige. "Ich habe mit vielen gesprochen, die sagen: 'Ach Gott, was sagen denn meine Nachbarn? Und: Ich kann doch da jetzt nicht so einfach auf die Straße gehen.' ... Doch, man kann das, weil die anderen tun das auch."
Eine eigene Ortsgruppe für den Landkreis Haßberge?
Für die "Omas gegen Rechts" sind die Haßfurterin und der Hofheimer Dietzel aktuell auf der Suche nach weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Je nach Interesse könnte dabei am Ende womöglich auch eine eigene Ortsgruppe im Landkreis Haßberge entstehen, wie Anschütz-Kestler bestätigt. "Ich würde auf jeden Fall aktiv dabei sein", sagt sie. Unterstützung sei auch von anderer Seite zugesagt: Von den Verantwortlichen des Programms "Demokratie leben!", das unter dem Dach des Mehrgenerationenhauses Haßfurt angesiedelt ist.

"Wir haben gesehen, was bei der Landtagswahl herausgekommen ist, das ist ja nicht unerheblich", erklärt Anschütz-Kestler die von ihr empfundene Notwendigkeit, hier aktiv zu werden. "Die Leute drücken ihren Frust aus", vom Inhalt des AfD-Programms wüssten die meisten nicht viel, befindet Dietzel. Dennoch: "Rechte Ansichten sind ziemlich verbreitet." Im Landkreis Haßberge seien diese bislang nur weniger sichtbar gewesen als andernorts, sagt Anschütz-Kestler. Unsichtbar jedoch nicht: Dietzel verweist auf die Schmierereien in Haßfurt und Hofheim aus dem Frühjahr, die den Wortlaut "Hängt die Grünen 3. Weg" beinhalteten.
"Wir legen großen Wert darauf, dass die Initiative überparteilich ist."
Sigrid Anschütz-Kestler, "Oma gegen Rechts"
Vor dem Engagement der Initiative gegen Rechts stellt sich letztendlich aber auch die Frage: Wie links sind die "Omas gegen Rechts" eigentlich? In Bamberg seien bei den "Omas" Mitglieder aller demokratisch ausgerichteten Parteien vertreten, berichtet Anschütz-Kestler. Generell spiele die Parteizugehörigkeit keine Rolle. Durch die Inhalte ergebe sich aber automatisch eine gewisse Tendenz zur linken Seite, sagt Dietzel. "Trotz alledem kann man auch in der CSU sein", entgegnet Anschütz-Kestler. "Wir legen großen Wert darauf, dass die Initiative überparteilich ist."
Kontakt zu den "Omas gegen Rechts"Wer Fragen zur oder Interesse an der Initiative "Omas gegen Rechts" hat, kann sich bei Sigrid Anschütz-Kestler melden. Per E-Mail an: anschutzsigrid@gmail.combex