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Oberschwappach: Oti Schmelzer: Warum der Krise mit Humor getrotzt werden muss

Oberschwappach

Oti Schmelzer: Warum der Krise mit Humor getrotzt werden muss

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    Im letzten Jahr noch als Kasperle auf der Bühne, stellt "Fastnacht in Franken" ohne Publikum heuer den Oberschwappacher Oti Schmelzer vor eine besondere Herausforderung.
    Im letzten Jahr noch als Kasperle auf der Bühne, stellt "Fastnacht in Franken" ohne Publikum heuer den Oberschwappacher Oti Schmelzer vor eine besondere Herausforderung. Foto: Silvia Gralla

    Der erste Auftritt war geschafft, der Applaus der verdiente Lohn, die Forderung nach einer Zugabe nicht zu überhören.  Was 1980 bei seiner Premiere im Spiegelsaal des Oberschwappacher Schlosses den Auftakt zu einer tollen Karriere auf den fränkischen Faschingsbühnen bildete, wird 41 Jahre später fehlen, Otmar Schmelzer vergeblich auf klatschende Hände und dem Verlangen nach einer weiteren Darbietung warten. Wenn am Freitag in einer Woche "Fastnacht in Franken" über die Bildschirme flimmert, wird kein Publikum dabei sein. Applaus und "Zugabe"-Rufe kommen bestenfalls vom Band. Corona hat auch den Höhepunkt des fränkischen Faschings im Griff.

    Doch klein beigeben wollen Oti Schmelzer und seine Kollegen nicht. Trübsal blasen kommt für die Narren nicht infrage, auch wenn es erstmals in der 34-jährigen Geschichte des Klassikers keinen Live-Auftritt geben wird. In dieser Woche wird die Sendung abschließend aufgezeichnet, die Sendung wird dann am 5. Februar um 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt.

    Schmelzer steht seit mittlerweile über vier Jahrzehnten auf der Bühne, hatte früher wahre Tourneen absolviert, sein spezieller Humor führte den Oberschwappacher an manchen Abenden zu gleich sechs Auftritten. "Ich hab' der Fastnacht viel zu verdanken, die wilden Zeiten sind aber vorbei", hat er, der in wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feiert, sein Programm in den letzten Jahren stark reduziert. "Das geht schon stark auf die Psyche", weiß Schmelzer zu berichten, dass die Hektik, von einer Bühne zur anderen zu touren, ihn auch mal "rattig" gemacht habe. Daheim, im kleinen Knetzgauer Ortsteil Oberschwappach, war er bis auf ein Jahr immer dabei, in Veitshöchheim debütierte er bereits 1999, seit 2011 zählt er zu den Stammgästen in den Mainfrankensälen.

    "Man muss sich immer wieder neu erfinden", kennt der Nebenerwerbswinzer das Rezept für erfolgreiche Auftritte. "Der Humor hat sich geändert, Du selbst hast dich auch geändert. Damals hast Du den Wetterbericht erzählt und die Leut' haben gelacht, das geht heute nicht mehr." Aufgewärmte Gags aus dem Vorjahr funktionieren ebenfalls nicht mehr, man müsse mit der Zeit gehen. "Aber das ist auch der Anspruch, den ich an mich selbst habe. Und die Verantwortlichen von Fastnacht in Franken setzen das natürlich auch voraus". Ebenso eine gewisse Flexibilität, kurzfristig auf Ereignisse zu reagieren und in den Auftritt einzubauen.

    Auch, wenn es keine Zuschauer geben wird, die Hygieneregeln vor und während der Aufzeichnung sind penibel. "Wir werden alle zwei Tage getestet, da wird kein Risiko eingegangen. Das ist halt jetzt so. Da kannst du Dich auf den Rücken legen und mit den Beinen wackeln," will Schmelzer nicht wirklich klagen.

    Auch nicht über die leeren Bänke in Veitshöchheim. Wo sonst hunderte von Zuschauern den Künstlern zujubeln, stehen diesmal lediglich ein paar Kameras. Mit dem Publikum zu spielen, ist diesmal unmöglich. Wie geht er damit um? "Du kannst deine ganzen Emotionen in die Nummer reinlegen. Ich mache das wie ein Schauspieler, denke mich in die Rolle rein. Erinnern wir uns an früher, als Alf im Fernsehen lief. Da haben wir zuhause auch vor dem Fernseher gelacht, die Schauspieler hatten auch kein Publikum. Aber klar: Live ist für mich das allerbeste, logisch. Da spüre ich direkt, wie das Publikum reagiert. Aber derjenige, der Fastnacht liebt, der weiß auch zuhause, was auf ihn zukommt," glaubt der 59-Jährige, dass auch die Aufzeichnung für genügend Lacher in den fränkischen Wohnzimmern sorgen wird. Denn: "Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag."

    "Für mich ist die fünfte Jahreszeit wie eine Religion."

    Oti Schmelzer, Kabarettist aus Oberschwappach

    "Es wäre traurig, wenn wir nichts machen würden. Wir sollten dem ganzen schon trotzen", will Schmelzer sich und den Faschingsfreunden vom Virus das Lachen nicht verbieten lassen. "Fastnacht ist für alle da, das ist etwas, das verbindet. Für mich ist die fünfte Jahreszeit wie eine Religion – eine ehrliche Religion, da sind alle gleich. Und wie traurig wäre die Welt ohne Fasching?", fragt er. Und gibt gleich die Antwort: "Wir haben unsere Fangemeinde, und die weiß, dass es heuer ein anderes Konzept gibt. Es ist die Corona-Edition, fertig. Ausfallen lassen stand ebenso wenig zur Debatte wie ein Rückblick der vergangenen Sitzungen."

    Ob und wie oft Lacher vom Band eingespielt werden, weiß der Karl-Valentin-Fan nicht. "Da habe ich auch keinen Einfluss drauf, das machen die Organisatoren. Das sind alte Hasen, die wissen, wann diese Animation für zuhause angebracht ist." Klar ist ihm, dass es heuer in Veitshöchheim keine eingefangenen Reaktionen der Gäste geben wird, die so gern abgefeuerten Spitzen gegen Politiker quasi unbeantwortet bleiben. "Ich bin aber zuversichtlich, dass das Ganze trotzdem funktioniert und sich der Elferrat entsprechende Alternativen hat einfallen lassen."

    Und die Stimmung? Die fehlt natürlich. "Das ist klar. Es ist halt ein anderes Format. Aber wir müssen uns dem Virus entgegen stellen und zeigen: Uns gibt es noch! Und auch die Fastnacht gibt es noch!" Natürlich werde es Menschen geben, die heuer auf die Sendung verzichten, glaubt Schmelzer. "Aber ich bin selbst neugierig auf den Abend." Das Manuskript darf er natürlich nicht verraten, "aber es ist schon interessant, wie das gelöst wird", verspricht Schmelzer einen lustigen Abend.

    Das Publikum fehlt dem letztjährigen Kasperle aber nicht nur in Veitshöchheim. Auch seine "bescheuerte Weindunstbühne" im heimische Oberschwappach steht seit nun einem Jahr leer. Otmar Schmelzer hatte zwar kostümierte Besenstiele als "Abstandshalter" installiert, das stets ausverkaufte Programm ist aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Vermisst er das Gefühl, auf der Bühne zu stehen? "Mir sagen die Leute schon, dass man mir etwas anmerkt", hat die Krise auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen. Von einer Depression sei er zwar weit entfernt, "aber nachdenklicher bin ich schon geworden."

    Otmar Schmelzer in seiner "bescheuerten Weindunstbühne". Mit Masken versehene Besenstiele dienen als "Abstandshalter". Mehr Publikum gibt es bis auf weiteres aber nicht.
    Otmar Schmelzer in seiner "bescheuerten Weindunstbühne". Mit Masken versehene Besenstiele dienen als "Abstandshalter". Mehr Publikum gibt es bis auf weiteres aber nicht. Foto: Matthias Lewin

    "Wir müssen lernen damit umzugehen, auch in Krisenzeiten zeigen, dass es weiter geht," bricht er eine Lanze für die Künstler. "Wenn es uns jetzt dreckig geht, dass geht es uns halt dreckig. Aber dann geht es wieder weiter" hat er von vielen seiner Kollegen, die allesamt vor finanziellen Problemen stehen, zu hören bekommen. "Ich kenne Kollegen und auch Gastronomen, deren Kühlschrank leer ist, die nicht wissen, wie es weiter geht. Die sagen: 'uns gibt es nächstes Jahr nicht mehr'." Dennoch: "Im Gegensatz zu den Leuten in Israel oder Palästina, die froh sind, wenn einmal eine Minute lang keine Bombe fällt, geht es uns trotz aller Einschränkungen doch gut. Die würden gerne mit uns tauschen."

    Eine Öffnung einiger kultureller Veranstaltungen wünscht er sich trotzdem. "Bei Kulturveranstaltungen herrscht doch eine ganz andere Disziplin als im Fußballstadion. Die fallen im Theater nicht übereinander her, da gibt es keinen Körperkontakt. Aber trotzdem wird alles komplett umgemäht. Alles, was auf der Wiese steht, wird mit einem Vollernter runtergehauen", kritisiert er den Lockdown im kulturellen Bereich, nimmt Faschingsveranstaltungen mit Schunkel-Reihen wie die in Veitshöchheim aber ausdrücklich aus: "Da gab es keinen, der Publikum zulassen wollte." 

    Die Droge Publikum

    Doch ist es nicht schwierig, ohne Publikum das gleiche Niveau auf der Bühne zu bieten wie vor prall gefüllten Bänken? "Logisch. Du spielst ganz anders, bist anders emotionalisiert. Normalerweise bist Du da in einer Art Rausch, doch die Droge Publikum fehlt jetzt," weiß Schmelzer, dem seine Erfahrung  helfen wird, dem Publikum den gewohnt närrischen Oti zu präsentieren. Seinen Text für den diesjährigen Auftritt hat er drin, "den habe ich 200 Mal geübt, der sitzt. Da kannst Du mich früh um drei Uhr wecken, ich kann den runterrattern."

    Im diesjährigen Auftritt wird Schmelzer seine bisherigen Nummern vereinen. Und um den Kampf gegen das Virus fortzuführen, hat er mehrere "lebensbejahende Passagen" eingebaut. Mehr will er natürlich nicht verraten. Aber: "Ich freue mich auf den Auftritt. Aber wenn ich mir meinen Text so anschaue, ist es fast schade, sie ohne Publikum zu halten," schmunzelt Schmelzer. Den Applaus in Veitshöchheim wird er aber auf jeden Fall vermissen.

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