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KREIS HASSBERGE: Patientin sucht Hausarzt

KREIS HASSBERGE

Patientin sucht Hausarzt

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    Schmerzlich: Weit mehr als die Spritze die Dr. Walter Becker in Westheim einer Patientin gibt, dürfte der Umstand Sorgen bereiten, dass bisherige Patienten seiner Allgemeinpraxis zum Teil nur schwer bei Kollegen unterkommen. Die Praxen im Raum Haßfurt sind ausgelastet. Und: Die Lage wird sich noch verschlimmern.
    Schmerzlich: Weit mehr als die Spritze die Dr. Walter Becker in Westheim einer Patientin gibt, dürfte der Umstand Sorgen bereiten, dass bisherige Patienten seiner Allgemeinpraxis zum Teil nur schwer bei Kollegen unterkommen. Die Praxen im Raum Haßfurt sind ausgelastet. Und: Die Lage wird sich noch verschlimmern. Foto: Foto: Michael Mösslein

    Erika Bauer (Name geändert) sucht dringend einen Hausarzt. Ihr jetziger Arzt, Dr. Walter Becker (65) in Westheim, geht Ende März in Ruhestand. Einen Nachfolger gibt es nicht. Deutlich über 1000 Patienten hat die Praxis betreut – sie alle müssen irgendwo unterkommen. Doch: Im Raum Haßfurt sind alle Hausärzte ausgelastet. Um neue Patienten reißt sich niemand.

    „Anfangs dachte ich, es wird kein Problem sein, in Haßfurt eine Praxis zu finden“, sagt die 50-Jährige, die in einer Umlandgemeinde wohnt. Doch nachdem drei Ärzte sie als Patientin abgelehnt haben, musste sie feststellen: Es ist gar nicht so leicht, einen Hausarzt zu finden. Nun ruht ihre Hoffnung auf einer vierten Praxis. Dort hat sie einen Termin erhalten.

    Dabei hat Erika Bauer ärztliche Betreuung dringend nötig. Seit 38 Jahren ist sie krank. Sie benötigt regelmäßig Medikamente – teure Medikamente. Das belastet das Arzneimittelbudget einer Praxis. Solche Patienten möchte eigentlich kein Arzt – auch wenn das viele nicht offen zugeben. Eine Haßfurter Praxis, die hier ungenannt bleiben soll, forderte von Erika Bauer nach deren Aussage erst einmal die Krankenakten an, bevor sie sich entscheiden wollte, ob sie sie als Patientin aufnimmt.

    Dr. Becker kennt solche Fälle, dass Patienten von ihm („gerade die, die am dringendsten Medikamente benötigen“) erst überprüft werden, bevor sie anderswo unterkommen. Er findet dieses Verhalten von Kollegen „ziemlich unmöglich“. Aber er kennt die Hintergründe, die zu solchen Methoden führen: „Viele Praxen sind an ihrem Limit angekommen.“

    Aufnahme nur in Ausnahmefällen

    Diese Einschätzung bestätigt eine Umfrage unter mehreren Allgemeinpraxen in Haßfurt und Umgebung. Bei Dr. Leo Memmel (Haßfurt) hieß es, dass nur noch in Ausnahmefällen Patienten aufgenommen würden. Ausnahmefälle seien Patienten, die in die Stadt zugezogen seien, oder von denen bereits Familienangehörige in der Praxis gelistet sind. Dieselbe Aussage trifft Dr. Petra Matuska (Haßfurt): „Größere Mengen an Patienten können wir nicht mehr aufnehmen.“

    Dr. Rainer Wailersbacher in Knetzgau führt, wenn Dr. Becker schließt, die einzige verbleibende Praxis in der Gemeinde. 200 Patienten hat er nach eigenen Angaben von Dr. Becker übernommen. „Die Last trifft vor allem meine Praxis“, meint er. Bereits jetzt betreue er etwa doppelt so viele Patienten wie andere Ärzte. Wailersbacher ist bereits 68. Er hofft, dass zwei Söhne die Praxis fortführen. Einer ist bereits eingebunden. Da etliche Hausärzte im Landkreis Haßberge über 60 sind und Nachfolger oft fehlen, könnte es tatsächlich sein, dass künftig nur einige Großpraxen übrig bleiben, wie Wailersbacher vermutet. Wohnortnahe Patientenversorgung gäbe es dann nicht mehr.

    Ende der „Komfort-Medizin“

    Dr. Roland Leitgeb (Haßfurt) stellt nach kurzem Zögern für seine Praxis fest: „Ich lehne generell keine Patienten ab.“ In seiner Praxis hat er Broschüren aufliegen. Die Kernaussage darin: Weil immer weniger Praxen immer mehr Patienten versorgen müssen, werde es künftig nur noch eine Basisversorgung möglich sein – „Komfort-Medizin“ werde es nur noch für Privatpatienten geben. Längere Wege zu Ärzten, zum Beispiel in Bamberg oder Schweinfurt, seien zu erwarten. Als Sprecher der 45 Hauärzte im Haßbergkreis sieht er ein weiteres Problem: Kaum ein Kollege sei bereit, Patienten in Altenheimen zu übernehmen. Er erkennt ganz klar einen Ärzte-Notstand auf dem Land.

    Alle befragten Ärzte verneinten gegen dem Boten vom Haßgau, dass Krankheitsgeschichten oder Medikamentenbedarf eine Rolle spielten bei ihrer Entscheidung, ob sie einen Patienten aufnehmen. „Ich möchte die Krankenakten gar nicht vorher sehen“, sagt etwa Dr. Matuska. Dies wäre aus Sicht der Krankenkassen auch nicht redlich, wie Lothar Zachmann, stellvertretender Pressesprecher der AOK-Direktion Schweinfurt sagt. Einzelne Praxen, die schließen, seien für ländliche Regionen noch verkraftbar, meint er. Da der Ärztenachwuchs jedoch zu selten abseits der Zentren arbeiten möchte, wachse das Strukturproblem. Auf das Problem, dass verwaiste Patienten immer häufiger nach einem Arzt suchen müssen, hätten die Krankenkassen wenig Einflussmöglichkeiten.

    Reguliert wird die ärztliche Versorgung in Bayern von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB). Einen rechtlichen Anspruch auf die Behandlung durch einen bestimmten Arzt, habe ein Patient nicht, erklärt deren Sprecherin Kirsten Warweg. Im Haßbergkreis liegt der hausärztliche Versorgungsgrad laut KVB bei 91,5 Prozent – 110 Prozent ist das Ziel. Es könnten also jederzeit Praxen eröffnen. Nur: Interessenten fehlen. Patienten werden also künftig noch länger suchen dürfen, die Fahrt zum Arzt wird länger dauern.

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