Freitagnachmittag, 1630 Uhr. Marcel Herzing ist aufgeregt. Morgen ist ein ganz besonderer Tag. Er vertreibt sich die lange Wartezeit mit seiner Lieblings-Beschäftigung: Bolzen im heimischen Garten. Immer wieder trainiert er Kopfballtore oder Fallrückzieher. Was ist los? "Ich fahr nach München zum FC Bayern", erzählt er stolz und haut den Ball mal wieder ins Tor. Sein Bruder muss als Gegenspieler herhalten. Der schüttelt nur den Kopf. "Wie kann man nur zu den Bayern," fragt sich der eingefleischte Club-Fan. Seine Stars spielen in Nürnberg. Aber irgendwie freut er sich doch für seinen Bruder, auch wenn er es nicht so recht zeigen kann. Wie kommt der zu der Ehre? Sein Trainer Dietmar Gonnert hat ihn und weitere drei Spieler zu den Talenttagen angemeldet. Marcel und Oli wurden ausgewählt.
Samstagmorgen, 3 Uhr. Nach einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf müssen Marcel und seine Familie raus aus den Federn. Sie frühstücken kurz. Die Taschen sind gepackt und ab ins Auto. Ihr Ziel: Säbener Straße, Zentrale des FC Bayern in München. Seit 14 Jahren finden dort jedes Jahr im Sommer Talenttage statt. Der gesamte Ausbilderstab des deutschen Rekordmeisters schaut dann den Nachwuchstalenten beim Fußballspielen zu. Erstmals mit dabei: Gleich zwei Spieler vom TSV Zell am Ebersberg. Marcel nickt derweil noch mal im Auto ein, während sein Vater auf der Autobahn Richtung München fährt.
An den Trainingstagen ist schon morgens viel Aufregung und Nervosität unter den acht- bis Zehnjährigen spürbar. Wer von den kleinen Kickern zu den Profis von morgen gehört, das könnte sich in diesen beiden Tagen auf dem Trainingsgelände an der Säbener Straße entscheiden. Marcel ist als einer der ersten auf dem Rasen. Der Grund: Er möchte sich einen Platz in der Mannschaft ganz vorne sichern. Seine Taktik geht hier schon mal auf. In seiner Nähe steht derweil Ex-Profi Dremmler. "Diese gezielte Sichtungsmaßnahme für junge Nachwuchsspieler ist keinesfalls ein einfaches Freizeitturnier. Sie dient als Grundlage für den Aufbau der jüngsten Mannschaften des FC Bayern Junior Teams und ist somit ein Schwerpunkt in punkto Nachwuchsförderung", erklärt der ehemalige Fußball-Nationalspieler. Nur wenige Talente pro Jahr werden demnach ausgewählt und manchmal endet das Turnier auch mit dicken Tränen.
Rund 500 Kinder sowie die dazugehörigen Eltern und Freunde füllen etwas später das Gelände. Die Nachwuchskicker zeigen auf sechs Kunstrasen-Kleinfeldplätzen, was sie fußballerisch drauf haben. FCB-Chef- Scout Wolfgang Dremmler und sein 16-köpfiges Team schauen aufmerksam zu. Im freien Spiel "Fünf gegen Fünf" und ohne Schiedsrichter oder feste Regeln lassen die Knirpse ihrem Spieltrieb freien Lauf. Manchmal scheint die Sonne, dann fällt wieder etwas Regen. Wie läuft's bei Marcel und Oli? Die beiden geben ihr Bestes. Sie dribbeln, grätschen und schießen Tore. Manchmal verspringt ein Ball. Macht nichts. Weiterkämpfen.
Dann ist Schluss. Die beiden sind total erschöpft, aber glücklich und posieren stolz im geschenkten FCB- Trikot vor den neuesten Trophäen des deutschen Fußballmeisters, halten DFB-Pokal und Meisterschale fürs Erinnerungsfoto. Zum Abschluss bedankt sich Dremmler bei allen, vor allem bei den Kindern selbst, die am liebsten gar nicht mit dem "Kicken" aufhören wollten. Selbst in der Mittagspause wurde weiter Fußball gespielt. "So etwas habe ich noch nie erlebt", so der Ex-Profi. Sein Fazit: "So viel Potenzial habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Für die Zukunft des deutschen Fußball ist mir nicht bange. 20 Talente werden wohl weiter beobachtet."
Haben es Marcel und Oli geschafft? In den nächsten Wochen wird jeder Teilnehmer eine schriftliche Benachrichtigung erhalten. 20 der Talente dürfen dann noch einmal an der Säbener Straße vorspielen und wer weiß, vielleicht trägt der eine oder andere ja in einigen Jahren auch in der Bundesliga das Trikot des deutschen Rekordmeisters.

Montagmittag, Zuhause: Wieder daheim haben die beiden Fußball-Knirpse viel zu erzählen. "Meine Freunde in der Schule haben mir gar nicht glauben wollen. Doch dann habe ich ihnen mein neues Trikot gezeigt. Das hat die ganz schön beeindruckt", freut sich Marcel. Stolz tragen Oli und Marcel ihr neues Outfit bei jeder Gelegenheit. Damit macht das Fußballspielen um so mehr Spaß. "Der Tag in München war super, selbst wenn wir nicht weiter kommen. Ich habe schon mal die Meisterschale und den Pokal gestemmt. Das hat noch keiner meiner Freunde", so Marcel. Nun brauchen die beiden Geduld. Oli und Marcel sind derzeit die Ersten am Briefkasten und schauen, ob schon Post vom FC Bayern da ist.