Besonders Altenstein muss „gangmäßig“ eine zentrale Lage gehabt haben. Das „Bamberger Frankenland“ hat vor vielen Jahren ein Wanderbuch von Carl Schurz abgedruckt. Der schreibt: „Hinter der Kirche (gemeint ist die Schlosskapelle von Altenstein) befindet sich zwischen Felsengeklüfte eine geräumige Öffnung, die Hölle genannt, woselbst der Ausgangspunkt des nach Schloss Lichtenstein führenden unterirdischen Ganges sein soll.“ Er hat das wörtlich von Pfarrer Carl Heinrich Volkhardt (1819 – 1848) übernommen.
Auch der Rückweg ist nach J. G. Lehnes möglich. In seiner „Geschichte des Baunachgrundes“ heißt es 1841 über Lichtenstein: „Einer Volkssage zufolge, die sich im ganzen Baunachgrunde verbreitet hat, sollen die Felsenklüfte, die weit in den Berg hineingehen, von der Schloßruine in die von Altenstein ein Gang führen.“ Das wiederholen dann sinngemäß die „Landeskunde des Königreichs Bayern“ von 1866, Hans Reiser anno 1923 in seinen „Historischen Nachrichten über den Haßgau“ und Oberlehrer Friedrich Westrich in einer Lehrerhandreichung von 1961. Manche sind vorsichtiger, sprechen nicht von einem durchgehend unterirdischen Gang, sondern lassen ihn bei Lichtenstein nach einigen hundert Metern heraus- und vor Altenstein wieder hineinlaufen. Werner Kettler wusste, dass Holzarbeiter in den achtziger Jahren im Wald ein Gangstück entdeckt haben, das mit Steinplatten abgedeckt war.
In Ditterswind ist mir 1987 bei einer Versammlung von einem Gang erzählt worden, der von hier nach Altenstein führen soll. Das wären schon auf Luftlinie sieben Kilometer und würde unter der Weisach durch und dann wieder 140 Höhenmeter hinauf führen. Andererseits: Fritz Rügheimer ist einst mit anderen Buben in Marbach vom „Schloss“ aus etwa 40 Meter in einen 180 cm hohen und 120 cm breiten Gang vorgedrungen. Der endete aber am Rangen zum Bach. Seiner Meinung nach könnte das ein alter Fluchtgang gewesen sein.
Ein weiterer wichtiger Gang soll von der Burg Raueneck zur Burg Lichtenstein geführt haben. Auch das wäre eine Strecke von mindestens fünf Kilometern! Der Zweck einer solchen Verbindung bleibt rätselhaft, aber die Felsspalte im Westen der Ruine wird immer wieder als Ausgangspunkt genannt.
Ein weiterer Ort mit unterirdischen Gängen soll die Burg Rotenhan gewesen sein. Julius von Rotenhan schreibt dazu in der Familienchronik: „Unter dem nördlichen Felsen befindet sich zwar ein kellerartiger in den Felsen gehauener Raum, der aber ein unterirdischer Gang zu sein scheint, bestimmt, um bei Belagerungen mit Außen Verkehr zu unterhalten.“
Hannelore Ilse und ihre Cousine Berta waren einmal eineinhalb Stunden in den Gängen unterhalb der Ruine und sind dann recht verschmutzt wieder raus herausgekommen, erzählte mir Oswald Tränkenschuh. Toni Meißner aus Ebern hat in einer Jugend das gleiche Abenteuer unternommen. Seiner Ansicht nach, waren die Gänge besonders für Hunde gefährlich, die nicht mehr herausfanden. Die Rotenhan spielten nach dem 2. Weltkrieg vor dem Frauenfelsen Theater. Sie hatten dort eine Bühne aufgebaut und Zuschauersitze hangabwärts aufgestellt. Während der Vorstellung soll plötzlich der Boden eingebrochen sein.
Im August 2002 hatte ich interessanten Besuch aus Weißenburg. Ein geopathischer Gutachter von dort hatte mit einem speziellen Instrument die Ruine Rotenhan untersucht, mehrere Stollen sowie die zugehörigen Ausstiege entdeckt und sie in Plänen aufgezeichnet. Seines Erachtens sind die Gänge keltischen Ursprungs. Sie verlaufen in etwa sieben bis acht Metern Tiefe und gehen von Kammern in der Ruine aus. Angeblich waren sie auch der Grund, dass der Würzburger Bischof Wolfram die Burg 1332/33 ein volles Jahr lang belagern musste, denn die Rotenhan hätten sich durch die Gänge immer wieder versorgen können.
Die Messungen von Ludwig Ott zeigen ferner eine massive Störung im Feld nördlich des Schafstalls und des Anwesens Maurer. Tatsächlich mutet der etwa 40 auf 50 Meter große Hügel dort unnatürlich, aufgeschüttet an. Ott vermutet darunter eine keltische Nekropole, also eine Totenkammer. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Klarheit könnte nur eine Grabung bringen.
An weiteren unterirdischen Verbindungen wurden mir ein Gang vom Schloss Birkenfeld hinauf zum Kronholz in Richtung Winhausen und einer von Hafenpreppach nach Altenstein genannt. Kleinere Gänge gibt es angeblich am Hohlen Stein bei Reutersbrunn, bei der Mühle in Pfarrweisach und im Schlosshof von Pfaffendorf. Und dann noch einige Sonderfälle im Landkreis, von denen mir erzählt wurde: Von der Gruft der Kirche in Memmelsdorf bis nach Seßlach, in Königsberg von der Kirche hinauf zur Burg und unter dem Main von Kloster Theres nach Mariaburghausen.
In Stettfeld soll einem Burgfräulein von der „Bürg“ oberhalb der Kapelle bei einem Überfall die Flucht durch einen unterirdischen Gang gelungen sein.
Ohne Grund sind die vielen Gerüchte nicht entstanden. Irgendetwas muss da sein oder da gewesen sein. Fluchtgänge aus den Burgen hat es gegeben, aber die waren sicher nur sehr kurz, weil einfach die Mühe des Aushauens selbst im Sandstein zu groß war. Oswald Tränkenschuh meint, dass es auch bei uns wie beispielsweise in der Oberpfalz Erdställe mit Endkammern gegeben hat. Diese Schrazellöcher und Schlupfgänge existieren tatsächlich, haben aber mit Fluchtwegen nichts zu tun. Im Mittelalter sind sie von der Kirche tabuisiert worden. Man hat sie mit mittelalterlichem Bauschutt und Holzkohle verfüllt, weswegen manche meinen, dass sie erst aus dieser Zeit stammen.
Um 1840 haben die Rotenhan in ihrem Hauptwald an der Grenze zum Eberner Stadtwald bei den Tongruben erfolgreich nach Steinkohle gesucht und dabei auch Schächte gesetzt. Man fand aber nur einzelne, insgesamt zu unbedeutende Kohlennester, keine Flöze und brach die Versuche ab. So steht es in der Familienchronik.
Als ich einmal in Ebern bei einem Vortrag abschätzig von den vielen fantastischen Berichten über die Gänge sprach, hat mich ein Straßenarbeiter voll erwischt. Er ist aufgestanden und hat die Anwesenden dran erinnert, dass sich die Alleestraße durch Eyrichshof vor der Specke bekanntlich etwas hochwölbt. Dort hätte er mit Kollegen bei Reparaturarbeiten gegraben und sei tatsächlich auf einen unterirdischen Gang gestoßen! Also gäbe es die. Da stand ich natürlich mit meiner Meinung dumm da. Anfang Oktober 1997 habe ich es selber erlebt, dass die Straße vor dem Wirtshaus aufgerissen wurde. Der Capo der Baufirma mir jedoch nur einen kleinen Kanal für Wasser zeigen können. In dem liegen nun neue Rohre. Für Verbindungen von Burg zu Burg oder für Maulwürfe taugen sie aber nicht. . .