Seit knapp 66 Jahren spielt Richard Kundmüller jetzt schon die Orgel in Fürnbach und das Harmonium in Spielhof und Schindelsee. Mit diesen drei Orten begann er die musikalische Begleitung der Gottesdienste damals und auf diese Dörfer hat er es inzwischen wieder reduziert.
Zwischenzeitlich half er viele Jahre lang in der ganzen Pfarreiengemeinschaft "Heilig Geist" Rauhenebrach und auch abseits davon als Organist aus. Mit seinen 80 Jahren ist aber klar: Sehr viel länger wird er dieses Amt nicht ausüben können.
Der Spielhöfer hätte es schon längst an den Nagel gehängt, doch Nachwuchs ist bisher keiner in Sicht. Im Interview haben wir ihn gefragt, woran das liegt.
Frage: Richard, wie ging Deine musikalische Karriere los?

Richard Kundmüller: Zuallererst habe ich mit Akkordeon angefangen. Ich war 13 Jahre alt, als ich mich entschied, dieses Instrument zu erlernen. Damals war wenig Geld da und die einzige Möglichkeit für Kinder, Geld zu verdienen, war das Schwarzbeeren-Pflücken und Pfifferlinge-Suchen im Sommer. Wenn man fleißig war, konnte man so durchaus etwas Geld verdienen, vor allem durch die ‚Pfiffer‘. Gut die Hälfte des damals 275 Mark teuren Akkordeons habe ich mir so angespart. Den Rest steuerte meine Mutter bei. Innerlich habe ich mit Akkordeonspielen aber keine Befriedigung empfunden.
Und wie hat es bei Dir mit dem Orgel- und Harmoniumspielen angefangen?
Kundmüller: Zum Harmonium bin ich gekommen, weil in Spielhof 1954 die Kirche neu gebaut worden ist. In diesem Zuge ist auch ein Harmonium angeschafft worden. Es war aber kein Organist da. Meine damalige Lehrerin Martha Götz wusste, dass ich mich mit dem Akkordeon beschäftigte, und hat gefragt, ob ich nicht das Harmonium erlernen möchte. Nach einigen Tagen habe ich zugesagt. Ich war vielleicht zehn Mal bei ihr, und sie hat mir die Grundlagen erklärt. Alles andere habe ich mir selbst angeeignet. Noch im gleichen Jahr begann ich, die sonntäglichen Andachten in Spielhof auf ganz einfache Weise zu begleiten. Nach kurzer Zeit auch in Fürnbach. Später ist der Organist in Prölsdorf gestorben, und Pfarrer Zinser bat mich, auch dort die Gottesdienste zu spielen. Das war mir aber nicht genug. Ich wollte nach dem Orgelbuch mit mehr Akkorden spielen.
Beruflich war ich mit 17 Jahren dann einige Zeit in Stuttgart. Dort habe ich in der Musikschule abends einmal pro Woche Unterricht genommen. Durch viel Übung konnte ich so auch die Orgelsätze, die vom Bistum Würzburg im Orgelbuch vorgegeben sind, spielen. Zurück in der Heimat habe ich mir auch ein gebrauchtes Harmonium gekauft, mit dem ich fleißig geübt habe. Das Spielen brachte mir viel Freude und ich machte Fortschritte.
Akkordeon, Harmonium, Orgel – Was ist der Unterschied?
Kundmüller: Mit dem Akkordeon macht man ‚leichtere Musik‘, nur reine Akkorde. Orgel und Harmonium erzeugen sakrale Musik. Das Harmonium ist eine Art kleine Orgel. Im Unterschied zur Orgel hatte das Harmonium aber kein Pedal für die tiefen Töne. Dafür muss man mit Fußbewegungen einen Luftstrom erzeugen, damit es klingt. Das war die Schwierigkeit am Harmoniumspielen. Ohne fleißiges Üben schafft man das nicht.
Welches Instrument macht Dir am meisten Spaß?
Kundmüller: Orgel ist das Beste – für mich zumindest. Harmonium ist praktisch für die kleine Kirche, weil man sich dort keine Orgel leisten kann. Heute gibt es auch für kleine Kirchen oder für zuhause elektronische Orgeln – richtige Orgeln mit Pedal. Aber die kosten mindestens 5000 Euro. Ich habe ja eine Heimorgel mit Pedal, die ich ungefähr ‘74 gekauft habe. Die hat 7000 Mark gekostet. Es war teuer! Verdienen konnte man am Orgelspielen damals nichts. Für einen Gottesdienst gab es damals drei Mark, für eine Andacht zwei. Heute liegt der Verdienst für mich bei 22 Euro, weil ich die entsprechende Prüfung abgelegt habe. Ohne Prüfung bekommt man 18 Euro pro Gottesdienst.
Was begeistert Dich am Orgelspielen, Richard?
Kundmüller: Die Musik. Mich begeistern alle Lieder. Egal ob Weihnachtslieder, Fastenlieder oder Osterlieder. Oster- und Weihnachtslieder sind natürlich nochmal aufgehellter. Aber ich spiele sie alle gern. Und ich spiele sie auch alle. Denn unser Pfarrer ist sehr anspruchsvoll, er geht quer durch das Gesangsbuch. Man muss eigentlich alles können, was im Orgelbuch steht. Auch ich beherrsche ohne Üben zuhause nicht alles. Man wird ja sehr selten gelobt von den Kirchgängern. Aber wenn man mal ein Lob bekommt, freut man sich auch ganz besonders. Wenn sie sagen: "Heute hast du aber mal wieder ganz gut gespielt!" Nicht so klangvoll geschriebene Lieder mögen sie nicht so gerne. Der Organist kann dafür aber nichts.
Wie kommt es, dass Du die Gottesdienste schon so lange musikalisch begleitest?
Kundmüller: Weil kein anderer Organist da ist und es auch keiner erlernt. Die Organisten-Vergütung ist erst in den letzten Jahren gestiegen. Lange waren sie mit Lohn von unter zehn oder zwölf Euro unterbezahlt. Dann wurde aber bemerkt, dass die Organisten zu Mangelware werden. Gerade in den Randgebieten vom Bistum Würzburg, in Odenwald, Steigerwald, Rhön, hapert es an Organisten. Daher wurde die Vergütung um 75 Prozent angehoben. Wir haben jetzt wir noch acht Organisten in der Pfarreiengemeinschaft. Ich bin der Älteste. Nicht jeder Organist kann so lange spielen wie ich, weil er vorher schon aufgibt. Auch bei uns wird es dann knapp und keiner lernt es. Wenn ich heute aufhöre, müssten die anderen aushelfen.

Was hast Du als schönstes Erlebnis in Erinnerung?
Kundmüller: Seit 15 Jahren spiele ich die große Orgel beim Gottesdienst in Limbach, wenn unsere Pfarreiengemeinschaft dorthin wallt. Das finde ich besonders schön. Mein größtes Erlebnis allerdings: Als ich mit dem im letzten Jahr verstorbenen Ebracher Organisten, Theobald Blüchel, im Bamberger Konzertsaal an der großen Orgel spielen durfte. Er hat dort für die Senioren im Landkreis Bamberg gespielt. Er hat mich mitgenommen und ich durfte einmal auf dieser großen Konzertorgel mit über 100 Registern spielen. Das war das Größte! Er war mein Vorbild.
Wenn die Orgel an den Kartagen bei der Kommunion stillsteht, gehst Du strümpfig nach unten zum Empfang der Hostie. Was hat es damit auf sich?
Kundmüller: Ich spiele die Orgel immer ohne Schuhe. Wenn ich zum Runtergehen zuerst meine Schuhe anziehen muss, dann dauert es zu lange. Bis ich unten bin, kann es sein, dass der Pfarrer schon fertig ist. Fürs Orgelspielen ziehe ich mir Stoffschuhe drüber, weil ich das Pedal dann genauer treffe. Ich habe mir das – wie viele anderen Organisten auch – angeeignet, weil es mir Sicherheit gibt.
Wie lange kannst du Dir vorstellen, noch weiterzuspielen?
Mein persönliches Ziel ist es, die 70 Jahre als Organist vollzumachen. Ob ich das erreiche, weiß ich nicht. Jetzt sind es 66.
Was glaubst Du, warum fehlt es uns an Nachwuchs?
Kundmüller: Die jungen Menschen im Schulalter haben heute so viele Möglichkeiten für ihren Zeitvertreib. Bei mir hat es ja nichts gegeben. Man konnte eigentlich nur ins Wirtshaus gehen und Karten spielen. Ich kann nicht Karten spielen, weil ich meine Zeit mit dem Harmonium oder Akkordeon verbracht habe. Das war mir lieber.
Was muss man mitbringen, wenn man Orgelspielen lernen möchte?
Kundmüller: Was man unbedingt mitbringen muss, ist Ehrgeiz. Man muss es wollen. Und man muss etwas Talent haben. Viel Üben und Ehrgeiz.
Wo fängt man an, wenn man Orgelspielen lernen möchte?
Kundmüller: Der erste Schritt ist, dass man sich im Pfarramt, beim Pfarrer, meldet: "Ich möchte Orgelspielen lernen." Er leitet das dann weiter. Vom Bistum Würzburg werden Kurse angeboten, die ich selbst jahrelang besucht habe. Wenn man Interesse hat, kann man sich auch noch bei guten Organisten, wie zum Beispiel dem hauptberuflichen Organisten Herrn Sauer in Gerolzhofen, melden und ausbilden lassen. Wenn man es richtig lernen möchte, braucht man solche Leute.