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HASSFURT: Schizophrenie: Wenn die Krankheitseinsicht fehlt

HASSFURT

Schizophrenie: Wenn die Krankheitseinsicht fehlt

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    Psychische Krankheiten sind zwar ein stetig größer werdendes Problem in allen Gesellschafts- und Altersschichten, werden von weiten Teilen der Bevölkerung aber immer noch tabuisiert. Vor allem werden Betroffene ausgegrenzt. Auch wenn der Sozialpsychiatrische Dienst des Caritasverbandes seit 25 Jahren erfolgreich arbeitet und das Sozialpsychiatrische Tageszentrum des Verbandes immer wieder zur Aufklärung beiträgt. Von sich, ihrer Krankheit und einem langen Leidensweg berichtet Anna M. (Name von der Redaktion geändert) im Gespräch mit dem Bote vom Haßgau.

    „Es begann 1980, als ich mich plötzlich vom Fernsehen persönlich angesprochen fühlte und ich in Tageszeitungen immer wieder Artikel über mich lesen musste“, berichtete sie. „Ich dachte, beide Medien berichten über mich und mein Leben, und suchte, weil ich mich heimlich beobachtet fühlte, nach Wanzen in der Wohnung meiner Familie.“

    Klar, dass ihr Mann mit der Zeit zu der Meinung kam, dass etwas mit ihr nicht „stimmen“ konnte. „Doch mir fehlte die Einsicht, dass ich möglicherweise psychisch erkrankt sein könnte.“ Selbst als sie zwangsweise in die Klinik in Werneck eingewiesen wurde, dachte sie, dass sie doch völlig gesund sei und dass gegen sie eine Intrige begonnen habe.

    „Eine Besonderheit schizophrener Psychosen ist die oft fehlende Krankheitseinsicht“, erklärte Michael Schnitzer, Diplom-Psychologe und Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas. Und Anna M. ist mit ihrer Erkrankung nicht allein, denn nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leide etwa ein Prozent der Bevölkerung an dieser psychischen Erkrankung. Im Landkreis Haßberge seien demzufolge knapp 1000 Menschen betroffen.

    Anna M. berichtet weiter: Nach dem Aufenthalt in der Klinik folgte ein langer Leidensweg, da ihre Krankheit, für die ihr nach wie vor jede Einsicht fehlte, durch die ihr verordneten Medikamente zunächst nicht gebessert wurde. „Ich begann, mich zurückzuziehen, von meiner Familie, meinen Freunden und Arbeitskollegen.“ 1983 wurde sie von ihrem Mann, der sie nicht mehr verstehen und mit der Krankheit nicht umgehen konnte, geschieden und „verlor“ auch die beiden Kinder.

    Um der angenommenen „Bespitzelung“ zu entkommen, zog sie mehrere Male um und beauftragte schließlich sogar ein Detektivbüro, in ihrer Wohnung nach versteckten Abhörgeräten zu suchen – wenn auch ohne Erfolg.

    „Um wieder arbeiten zu können, absolvierte ich eine Umschulung“, erinnerte sie sich, „und hatte in dieser Zeit auch keinerlei Beschwerden, obwohl ich keine Medikamente nahm.“ Doch kaum hatte sie Arbeit gefunden, fühlte sie sich wieder verfolgt. „Ich konnte mich nicht richtig konzentrieren, hatte alles, was ich gelernt hatte, wieder vergessen und wurde von einem regelrechten Verfolgungswahn gepackt.“

    Heute ist sie zwar glücklich, dass sie ihren Selbstmordversuch überlebt hat. Doch damals ging der Leidensdruck natürlich weiter. „Nachdem ich durch meine Krankheit meine Arbeit und meine Wohnung verlor, war ich sozusagen obdachlos.“ Mit dem Geld, das sie noch besaß, kaufte sie sich ein Mobilheim und lebte fünf Jahre auf einem Campingplatz – zuletzt von Sozialhilfe.

    Zu ihren bisherigen Symptomen kam eine Geruchshalluzination. „Ich hatte das Gefühl, dass es in meinem Wohnwagen fürchterlich stank und habe die Nachbarn verdächtigt, daran schuld zu sein“, erzählte Anna M. Wieder wurde sie in eine Klinik eingewiesen und gelangte schließlich 1996 nach Haßfurt. Hier endlich traf sie andere Patienten, die ebenfalls an schweren psychischen Störungen, so genannten Psychosen, erkrankt waren.

    „Erst hierdurch begann ich zu verstehen, dass ich psychisch krank war.“ Eine Behandlung mit Medikamenten, ein stabiles Umfeld und die Betreuung und Beratung durch Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Caritas ermöglichten es ihr, nicht nur bis zum Rentenalter zu arbeiten, sondern auch bis heute fast symptomfrei zu leben.

    Sie besucht auch regelmäßig jeden Mittwoch den offenen Treff für psychisch kranke Menschen. „Ich fühle mich in Haßfurt richtig wohl und bin glücklich, dass ich Kontakt mit anderen Menschen habe und Freundschaften schließen konnte“, so ihre Worte. Am meisten freut es sie, dass der Selbstmordversuch damals nicht erfolgreich war und sie nun auch hin und wieder ihre beide Kinder sehen kann und ihre beiden Enkel kennen gelernt hat.

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