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Schlagen und Treten ist sein Beruf

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Schlagen und Treten ist sein Beruf

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    Ebern, Sportstudio Schorn, kurz nach 20 Uhr, eineinhalb Wochen vor der Kampfgala. So richtig fotogen wirkt Sven Kirsten nicht, wenn man ihn in diesen Tagen beim Training ablichten will. Der Mundschutz, der die Zähne vor harten Schlägen bewacht, rutscht schon mal ein wenig vor die Lippen. Sein Gesicht wirkt bei all der Anstrengung verzerrt. Übung muss sein, macht aber nicht gerade schön. Und nassgeschwitzt ist der 35-Jährige schon nach ein paar Minuten. Was sich aber nicht vermeiden lässt, will er seinen WM-Titel verteidigen.

    In den Räumen seines Trainers und Managers Jürgen Schorn bereitet sich der in Haßfurt wohnende Kirsten auf seine Pflichtverteidigung vor. Exakt am 25. Mai 2003 hat er in der Gymnasiumhalle den Franzosen Dave Depretaer besiegt. Rund 1500 Zuschauer machten den Kampf damals zu einem echten Ereignis. Hinterher durfte er sich in das Goldene Buch der Stadt Haßfurt eintragen.

    "Nun muss Sven wieder ran. Sonst wäre der Titel vakant", erzählt Schorn und berichtet mit Respekt vom neuen Gegner. Erik Marshall heißt der, kommt aus Florida. 32 Jahre alt, mit 1,75 Metern Körpergröße leicht mehr gewachsen als Kirsten und anscheinend richtig stark. Bei den Verbänden WPKO (World Professional Kickboxing Organisation) und PKF ist er im "Middleweight", beim US-Verband IKF (im Professional Kickboxing Federation) "Welterweight" Champion. Auf einem Foto trägt Marshall gleich fünf schwere Gürtel.

    Sven Kirsten setzt dem Einsatz entgegen und liegt lachend am Boden, selbst wenn Schorn ihm einen Medizinball auf seine Bauchmuskeln wirft. Grinst bei verschobenen Mundwinkeln, obwohl das Schlagen auf die so genannten "Prazzen", die mit Leder gepolsterten Schutzwände für die Arme des Trainers, so nach und nach immer mehr Schweiß aus seinen Poren drückt. Gleichwohl behält er sein T-Shirt an. Am Kampftag wird er, sehr zur Freude wohl der weiblichen Zuschauer, oben ohne den US-Boy zu malträtieren versuchen.

    "In fünf bis zehn Jahren kann man in Deutschland als Profi-Kickboxer vielleicht davon leben", mutmaßt Sven Kirsten. Er selbst kann es noch nicht. Und wird mit jetzt 35 dann wohl auch nicht mehr in den Genuss kommen, "dass ein Sender einsteigt, einer wie Eurosport". "Bei Randsportarten müssten wir als Veranstalter momentan für eine Fernsehaufzeichnung zahlen", weiß Schorn, der den Event in Ebern vermarktet. "In Amerika oder Frankreich, da ist das schon anders. Da boomt Kickboxen. Deutschland ist diesbezüglich leider zu konservativ", klagt Kirsten, der als Informatiker ausgebildet wurde, als SAP-Systemadministrator arbeitete.

    Bis zu seinem letzten Profikampf, als die Vorbereitung eine Auszeit erforderte. Und seitdem ist Kirsten ein echter Profi. Aber einer mit zweitem Standbein: In Schweinfurt unterrichtet er seit November letzten Jahres im Fitnessland Kensho in einer eigenen Kickbox-Schule. "Mein Hobby ist mein Beruf", sagt er und stellt seinen einstigen IT-Job in die Ecke einer "abgegrasten Branche".

    30 Schülerinnen und Schüler hat er in Schweinfurt bereits. Um die 200 sind es dagegen im Eberner Sportstudio von Jürgen Schorn. Der 37-Jährige bietet dort seit 17 Jahren Kickboxen an. Er steht am Samstag wieder in Sven Kirstens Ecke und will in Ebern eine "echte Kampfgala" organisieren. Die beginnt bereits um 19 Uhr. Tanz- und Gesangseinlagen sind geplant, eine Lichtshow mit viel Nebel, der Auftritt des Formenstars Michael Möller, live vorgetragene Nationalhymnen und diverse Einlagefights vor dem Hauptkampf über zwölf Runden zu je zwei Minuten, der erst gegen 22 Uhr beginnen wird.

    So will sich der Eberner Markus Ritz (Spitzname: "die Ameise") gegen den amtierenden Weltmeister im Leichtkontakt, Jorge Coelho, den Titel des Deutschen Meisters in der Gewichtsklasse bis 64,5 Kilo sichern, stehen sich der Erdinger Dominik Haselbeck und Rene Kretschmar aus Nürnberg um den Titel bis 75 kg gegenüber und bestreitet mit Ralf Krause ein weiterer Eberner einen Einlagekampf gegen Axel Geier aus Höchstadt.

    Und auch um die Kampfrichter muss sich Jürgen Schorn kümmern: Diesmal kommen die Herren aus Ungarn und aus Holland. Der Lohn des Ganzen: Wieder werden mindestens 1500 Zuschauer erwartet.

    Sven Kirsten stammt an sich aus Dresden, kam aber noch vor der Wende in den Westen. Eher durch Zufall schleppte ihn ein Freund vor gut 15 Jahren mit in Jürgen Schorns Fitnessstudio. In der DDR stand er als jugendlicher Ringer dicht vor der Nationalmannschaft. "Doch auf diesen Sport hatte ich mit zwölf keine Lust mehr", erinnert er sich an andere Interessen ("es gab endlich Nahrung in Hülle und Fülle"), daran, dass der TSV 1866 Schonungen mit einer Anfrage abblitzte, an seine Zeit als Fußballer beim TV Haßfurt sowie als Triathlet und an sein schnelles Gefallen am Kickboxen, "denn das war halt etwas, das in der DDR verpönt war". Eine Sportart, die zumindest beim Vollkontakt dem Boxen ähnlich ist. Regeln und Trefferfläche sind die selben. Nur dürfen eben außer den Fäusten auch noch die Füße zum Treten eingesetzt werden.

    Bis zu vier Stunden täglich trainierte Kirsten die letzten Wochen vor dem Kampf, ehe er es ab diesem Wochenende etwas langsamer angehen ließ. Bis zu vier Kilo raubt das tägliche Üben dem Körper. Der ist dafür in den Tagen vor dem Fight gegen den 32-Jährigen aus Florida mit Muskeln bepackt und bestens in Form. Und wenn er ausgeschnauft hat, dann wirkt Sven Kirsten sogar richtig fotogen.

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