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Haßfurt: Schlüssel verlegt, Namen vergessen: Beginnt bei mir schon die Demenz? Ein Redakteur lässt sich testen

Haßfurt

Schlüssel verlegt, Namen vergessen: Beginnt bei mir schon die Demenz? Ein Redakteur lässt sich testen

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    Wie läuft ein Demenzscreening für Menschen ab 60 Jahren ab? Reporter Martin Sage (61) hat am Landratsamt Haßberge den Test gemacht.
    Wie läuft ein Demenzscreening für Menschen ab 60 Jahren ab? Reporter Martin Sage (61) hat am Landratsamt Haßberge den Test gemacht. Foto: Ivana Biscan

    Wenn ich ehrlich bin, ist mir schon etwas mulmig: Ich denke an Schlüsselbund und Brille, die ich oft suche. An Namen, die mir nicht einfallen, Termine, die ich aufschreiben muss, damit sie nicht durchrutschen. Ist das für jemanden meines Alters, ich bin 61, noch normal? Und wenn nein, was dann? Letzteren Gedanken verdränge ich, als ich mich an einem Tag Ende September zum Demenzscreening aufmache, das der Pflegestützpunkt Haßberge zusammen mit dem Digitalen Demenzregister Bayern (digiDEM) durchführt. 

    Mir ist bewusst, dass Demenz keinesfalls nur bei Hochbetagten auftritt, auch viel Jüngere können durch die Krankheit in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein, im schlimmsten Falle Kinder. Zu den frühen Anzeichen zählen Vergesslichkeit und das Verlegen von Alltagsgegenständen. Klingt nicht gut für mich. Der Test im Sitzungssaal richtet sich an Männer und Frauen ab 60 Jahren. Ich falle also in die Zielgruppe.

    Ich lerne "digiDEM" kennen

    Die Person, die den Test mit mir macht, könnte mein Sohn sein, der sich um Papas geistigen Zustand sorgt: Florian Weidinger (28) hat Gesundheitswissenschaften studiert und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Erlangen Nürnberg im Projekt "digiDEM Bayern" beschäftigt. Der Freistaat baut das Demenzregister auf, um den Langzeitverlauf der Erkrankung besser zu verstehen und die Versorgungssituation der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern, wie es auf der Homepage heißt.

    Der Test, den ich gleich machen werde, hat eine nette Abkürzung: MOCA. Das steht für Montreal Cognitive Assessment. Es handelt sich um einen 1996 von dem Neurologen Ziad Nasreddine in der kanadischen Großstadt entwickelten Schnelltest, der bereits frühe Demenzstadien und leichte kognitive Beeinträchtigungen erkennen lässt. Das verrät mir Wikipedia später. Kein Test für fortgeschrittene Fälle also. 

    Vorab erklärt mit Florian Weidinger, dass MOCA auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Psychologin ersetzt. Der Test dient Betroffenen und Angehörigen als erster Befund. "Wenn tatsächlich Anzeichen für Demenz vorliegen, sollte man dann am besten zum Hausarzt, um die weitere Diagnostik zu besprechen", sagt mein Tester.

    Es ist Zehn nach Elf: Ich muss eine Uhr zeichen

    Weil ich mein Demenzscreening ehrlich und unbeeinflusst angehen will, habe ich im Vorfeld nicht recherchiert, welche Aufgaben auf mich warten. Nur von der Uhr, die ich mit den Ziffern 1 bis 12 zeichnen und deren Zeiger ich auf Zehn nach Elf stellen soll, habe ich schon in Verbindung mit Demenztests gehört. Statt eines schönen runden Kreises male ich eher ein Ei, eine Eieruhr gewissermaßen, aber die Uhrzeit stimmt.

    Alte Leute können oft die kleinsten Details aus ihrer Jugend erzählen, wissen aber oft nicht mehr, was heute war, heißt es. So überrascht es mich nicht, dass MOCA auf mein Kurzzeitgedächtnis abzielt: Florian Weidinger nennt langsam und mit ruhiger Stimme fünf Begriffe – Gesicht, Samt, Kirche, Tulpe, Rot –, ich muss sie unmittelbar danach und ganz am Ende des Tests wiedergeben. Das gelingt problemlos. Auch die zwei längeren Sätze, die ich zu wiederholen habe, bereiten mir keine Schwierigkeiten.

    Verantwortlich für das Demenzscreening in Haßfurt (von links): Nadja Pfeifer und Katrin Glaubrecht vom Pflegestützpunkt Haßberge sowie Florian Weidinger von digiDEM Bayern.
    Verantwortlich für das Demenzscreening in Haßfurt (von links): Nadja Pfeifer und Katrin Glaubrecht vom Pflegestützpunkt Haßberge sowie Florian Weidinger von digiDEM Bayern. Foto: Martin Sage

    Wer an Demenz erkrankt, dem fällt es oft schwer, sich zu konzentrieren. So liest mir mein Gegenüber Buchstabenfolgen vor, und ich muss jedes Mal auf den Tisch klopfen, wenn ein A kommt. Auf sehr einfache Weise stellt der Test mein räumliches Vorstellungsvermögen auf die Probe, er lässt mich einen Würfel in 3D-Darstellung nachzeichnen. Ich nenne Tiere beim Namen und finde jeweils Oberbegriffe für Banane und Orange, Eisenbahn und Fahrrad, Uhr und Lineal. Ich habe eine Minute Zeit, um möglichst viele Wörter mit dem Anfangsbuchstaben F aufzuzählen. Kinderleicht, denke ich zunächst; aber dann blockiert mein Gehirn und kommt gerade mal auf 19 Treffer – verbesserungswürdig. 

    Gut, dass ich das Datum weiß

    Zum Glück weiß ich, welches Datum wir haben, welcher Wochentag ist und wo genau ich mich gerade befinde. Und schon ist der Test mit gut einem Dutzend Aufgaben beendet, womit er sich mit der Dauer von weniger als 10 Minuten in der Tat als Schnelltest herausgestellt hat. Als Laie war ich mit ganz anderen Erwartungen an die Sache herangegangen: Mit einer Stunde Test auf Herz, Nieren und Hirn, von der Gleichgewichtsübung bis hin zu Aufgaben aus dem Bereich von Intelligenztests, hatte ich gerechnet. Pustekuchen.

    Aber ja, das war eine Fehleinschätzung. Denn bei MOCA es geht um die einfachen Dinge, die Menschen mit einer beginnenden Demenz vielleicht plötzlich nicht mehr beherrschen. Zum Beispiel von der Zahl 100 solange 7 abzuziehen, bis man bei der 65 angelangt ist (auch das war eine Testaufgabe). Und so ist mir bewusst, dass ich mit meinem Ergebnis – ich habe die maximale Anzahl von 30 Punkten erreicht – gar nicht erst angeben brauche. 

    Nur sieben Punkte weniger - und es würde kritisch

    Sie ist kein Beweis für ein Superhirn, sondern das Testergebnis einer normalen Person, die nicht an Demenz erkrankt ist. Zumal, was ich durchaus erschreckend finde, Expertinnen und Experten bereits bei 23 Punkten von ersten kognitiven Einschränkungen ausgehen, wie Florian Weidinger mir verrät. 32 Personen haben sich an diesem Donnerstag für das kostenlose Screening in Haßfurt angemeldet. Bei einem Drittel von ihnen, so sagt es seine Erfahrung der letzten zwei Jahre, wird es Hinweise auf Demenz geben. 

    Gesundheitswissenschaftler Florian Weidinger (rechts) erklärt Redakteur Martin Sage die erste Aufgabe im Rahmen des Demenzscreenings.
    Gesundheitswissenschaftler Florian Weidinger (rechts) erklärt Redakteur Martin Sage die erste Aufgabe im Rahmen des Demenzscreenings. Foto: Kathrin Glaubrecht

    Dass ich mir diesbezüglich einstweilen keine Sorgen machen muss, das freut mich sehr. Die verlegte Brille, die vergessenen Namen, noch überschreiten sie nicht die Grenze zwischen der im Alter zunehmenden Vergesslichkeit hin zum pathologischen Befund. Aber ich bin nun sensibilisiert für die Problematik, die auf mich und durch mich auf die Menschen in meinem Umfeld zukommen kann. Und ich selber werde nun bei Angehörigen oder im Freundeskreis Anzeichen besser erkennen.

    Und schließlich: Demenz kann jeden treffen, auch Menschen, die rundum gesund leben. Trotzdem hat mich der MOCA-Test motiviert, noch mehr von dem zur Vorbeugung zu tun, was ich wohl auch bei einem positiven Befund zum Kampf gegen die Erkrankung gemacht hätte: Wenig Alkohol trinken, nicht rauchen, sozial aktiv bleiben, viel Sport treiben und mein Gehirn zum Beispiel mit Sprachenlernen auf Trab halten.

    Erster Ansprechpartner für alle, die befürchten, dass sie oder eine nahe stehende Person an Demenz erkrankt sind, sind der Hausarzt oder die Hausärztin. Im Landkreis Haßberge steht der Pflegestützpunkt des Landkreises, Am Herrenhof 1 in Haßfurt, Betroffenen und ihren Angehörigen beratend zur Seite. Hier bekommen Ratsuchende auch die Adressen von Gedächtnisambulanzen, Fachärztinnen und Fachärzten für Neurologie oder Psychiatrie und anderer wichtiger Einrichtungen in Wohnortnähe genannt. Zu erreichen ist der Pflegestützpunkt unter der Rufnummer (09521) 27-495 und per E-Mail psp@hassberge.de

    Am 11. Dezember führt digiDEM in Haßfurt ein weiteres Demenzscreening durch. Die Plätze dafür sind vergeben, Interessenten können sich aber beim Pflegestützpunkt Haßberge auf eine Warteliste setzen lassen. Bei entsprechender Nachfrage seien weitere Screenings möglich, heißt es seitens des Pflegestützpunktes.

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