Immer wieder bleiben die Augen auf diesem aparten Frauengesicht hängen. An diesem grazilen Körper mit Bewegungen voller Anmut. Die Schwarz-Weiß-Fotos aus den 1960er Jahren zeigen die staatlich geprüfte Bühnentänzerin und Ballettmeisterin Elisabeth Kersten-Will, die älteren Bambergern noch in lebhafter Erinnerung sein muss. Hat die gebürtige Berlinerin, die im Nachkriegs-Bamberg gestrandet war, doch vielen damals jungen Menschen „tanzende Beine und singende Arme“ beigebracht.
"Durch ihren Ballett-Unterricht betraten wir einen festen Boden der Kultur“, blickt Edeltraud Berger-Otto zurück. In Jahre, in denen sie als begeisterte Elevin von Elisabeth Kersten-Will neben der Ausbildung des Körpers im Sinne des akademischen Tanzes eine „unerschöpfliche Fülle kultureller Bildung und ethischer Normen“ vermittelt bekam. Und insbesondere die Musik von Tschaikowsky, Schumann, Schubert, Chopin, Ravel, Debussy und anderen klassischen Komponisten bis zum heutigen Tag lieben lernte.
Außergewöhnliche Persönlichkeit
Vor 30 Jahren wurde Elisabeth Kersten-Will für ihre kulturellen Leistungen mit der Stadtmedaille der Stadt Bamberg geehrt. Für ihre einstige Schülerin Edeltraud Berger-Otto war das Anlass genug, dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit ein Buch zu widmen. Unter dem Titel „Einem Schleier gleich …Elisabeth Kersten-Will blieb in Bamberg“ ist dieser weit überwiegend mit Fotos illustrierte Band im Bamberger Erich Weiß Verlag erschienen: „Zur Erinnerung an die Ballettmeisterin und nicht als recherchierte Biografie“, wie die 76-jährige Edeltraud Berger-Otto sagt.
Nur kurz schildert sie im Vorwort Eckdaten aus dem Leben von Elisabeth Kersten-Will, wie deren erste Ehe mit einem Industriellen in Rio de Janeiro, aus der ein Sohn hervorging. Sie kam nach dem Scheitern der Ehe nach Deutschland zurück, landete unter dramatischen Umständen in Bamberg, blieb und heiratete Hans Will, den Wirt vom Gasthof „Zum Wilden Mann“. Im Saal des Gasthofes begann Elisabeth Kersten-Will mit dem Ballettunterricht nach der Waganowa-Methode, nach der sie selbst bei Tatjana Gsovsky in Berlin und in Paris ausgebildet worden war. „Einem Schleier gleich über die Bühne schwebend“ hatte sie als Tänzerin in Tilsit oder Göttingen zuvor beachtliche Erfolge. Die Turnhalle der Martinsschule, das Kolpinghaus am Mittleren Kaulberg und schließlich die Ballettschule in der Langen Straße waren weitere Schauplätze ihres Wirkens in Bamberg.
Vom Ballett infiziert
So mancher und manche wird sich auf den fast 150 Abbildungen im Buch wiederentdecken, die bei Proben und Aufführungen entstanden. Auf einigen ist auch Edeltraud Berger-Otto, geborene Stromeyer, deutlich zu erkennen. Dass sie als zwölfjähriges Mädchen zum ersten Mal mit dem Ballett, mit den „Exercices à la barre“, mit Plié und Ronds de jambe in Berührung kam, war der Freundschaft von Elisabeth Kersten-Will mit Edeltrauds Mutter Melanie zu verdanken. „Meine Mutter hatte am Grünen Markt ein Reformhaus, in dem Frau Will, eine extreme Gesundköstlerin, häufig eingekauft hat“, erzählt Berger-Otto über den Ursprung dieser Freundschaft. Auch ihre beiden Schwestern seien vom Ballett infiziert gewesen, „und sind später sogar Berufs-Tänzerinnen geworden“.
Dabei habe ihre „ernsthafte, aber nicht strenge“ Lehrmeisterin immer gesagt, dass jedes Mädchen Tänzerin werden könne, egal, welche körperlichen Voraussetzungen sie mitbringe. Elisabeth Kersten-Will habe jeder Schülerin das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein und „uns ein gehobenes Selbstbewusstsein gegeben“, so Berger-Otto, die bis zu ihrer Heirat mit 19 Jahren den Unterricht genoss und bei Auftritten im Zentralsaal, im Dominikanerbau und später im E.T.A.-Hoffmann-Theater dabei war.

Zufälliges Wiedersehen
Seit über 40 Jahren lebt die Autorin in Hamburg. Bei einem ihrer zahlreichen Bamberg-Besuche kam es 1990 zu einem zufälligen Wiedersehen von ihr und Elisabeth Kersten-Will im Hain. Die Stadtmedaillen-Trägerin, die am 29. März 1907 geboren wurde, starb am 5. Mai 1998 in Bamberg. Eine weitere Schülerin von ihr, Petra Matschke, übernahm den Nachlass, aus dem die Fülle der Fotos für das Buch stammt.
Das Buch: Herausgeberin: Edeltraud Berger-Otto: „Einem Schleier gleich … Elisabeth Kersten-Will blieb in Bamberg“. 128 Seiten, 147 Abbildungen. Erich Weiß Verlag Bamberg. ISBN: 978-3-940821-83-6. Der Fotoband ist im Buchhandel und im Verlagsshop (www.erich-weiss-verlag.de) erhältlich und kostet 20 Euro.