Zu früheren Zeiten hatten die Hofheimer ein Anbaugebiet direkt vor der Haustüre. Christian Truchseß Freiherr von Wetzhausen zu Bettenburg befasste sich systematisch mit dem Kernobst, das ihm den Beinamen "Kirschenbaron" einbrachte. Er verfasste sogar eine vielbeachtete wissenschaftliche Arbeit über Kirschensorten, die im Jahr 1819 erschien.
Heute gibt es im Landkreis nur noch zwei Schwerpunkte des Kirschenanbaus. Der eine liegt im Steigerwald, im Gebiet um Dankenfeld und Kirchaich. Die zweite Hochburg sind die Hänge um Altenstein, Pfaffendorf, Junkersdorf und Rabelsdorf. Doch die Zeiten sind hart geworden für die Obstbauern. "Früher haben wir 50 bis 100 Pfund an Einzelpersonen verkauft", berichtet Herbert Braun aus Junkersdorf, "da haben noch viele Leute Kirschen eingemacht".
Doch das Verhalten der Verbraucher hat sich verändert. "Heute sind es ein paar Pfund zum Essen, und das war's". Neue Absatzmöglichkeiten mussten also gefunden werden. Inzwischen geht der größte Teil der Ernte aus diesem Gebiet an die Genossenschaft Pretzfeld in der Fränkischen Schweiz.
Dass der Verkauf ab Hof nicht mehr so läuft wie früher, bedauert auch Kreisfachberater Heinz Müller vom Landratsamt Haßberge. Er hat noch eine weitere Änderung im Konsumverhalten ausgemacht: "Viele kaufen lieber 100 Gramm Kirschen aus der Türkei oder Italien für 1,98 Euro und die heimischen Kirschen bleiben unbeachtet". Dabei könnte man etwa im Gebiet um Altenstein beim Verkauf ab Hof für diesen Preis gleich ein ganzes Pfund bekommen.
Natürlich ist der Preis allein kein Grund, von Hofheim oder Haßfurt aus loszufahren, um Kirschen im Weisachgrund oder dem Steigerwald zu kaufen. Müller nennt die Qualität als weiteres Argument. Da sieht er einen krassen Widerspruch im Verhalten der Verbraucher: einerseits hätten sie hohe Qualitätsansprüche, andererseits "kaufen sie nur dort, wo's am einfachsten geht". Und er macht keinen Hehl aus seinem Ärger darüber, "dass wir inzwischen ein Produkt aus unserer Heimat und die Obstbauern, die dahinter stehen, einfach den Bach runter gehen lassen".
Dabei wären die Obstbauern bereit, die Lebensmittelmärkte in der Region direkt zu beliefern. "Aber die kommen da nicht rein", sagt Müller. Durch die großen Supermarkt-Ketten sind die Vertriebswege lang geworden. "Das muss man sich mal vorstellen: Die Obstbauern müssen ihre frisch gepflückte Ware 70 Kilometer weit auf den Großmarkt nach Pretzfeld fahren, von dort kommen sie über die Händler zu den großen Lebensmittelkonzernen und von dort schließlich in deren Läden." Das findet Müller "total verrückt", gerade bei einem leicht verderblichen Gut wie der Kirsche.
Tatsächlich werden es im Weisachgrund immer weniger Obstbauern, die den Kirschenanbau noch intensiv betreiben. Eine professionelle Pflege der Anlagen sei aber nötig, um überhaupt marktfähige Früchte ernten zu bekommen, sagt Müller. Bei der Ernte sind die Obstbauern auf Hilfe aus der Familie oder dem engeren Umfeld angewiesen. Sonst würde der Gewinn durch die Lohnkosten geschmälert oder ganz zunichte gemacht.
Bedingt durch den Kostendruck hängen die süßesten Früchte nicht mehr ganz so hoch: "Der Trend geht zu kleinwüchsigen Formen", sagt Müller. Will heißen: Es werden immer mehr ganz kleinwüchsige Kirschbäume gepflanzt, die vom Boden aus abgelesen werden können. Denn die Ernte mit der Leiter bedeutet einen höheren Aufwand an Zeit und damit an Kosten.
Kreisfachberater Müller hofft aber nicht nur um der Obstbauern willen, dass die Verbraucher bei Kirschen wieder mehr auf Qualität aus der Region setzen. Denn die Kirschenanlagen seien auch "ein Stück unserer Kulturlandschaft. Wenn sich niemand mehr für den Anbau interessiert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie verschwinden werden."