Gäbe man Egon Stumpf Pinsel und Farbpalette, um ein Wahlplakat für die FDP zu malen, so entstünde "eine bunte Vielfalt mit einem Slogan für Toleranz und eine liberale Welt. Die Buntheit würde für die liberale Geisteshaltung der FDP stehen, die Lebensentwürfe aller Art toleriert, solange sie nicht bedrohlich sind."
Stumpfs eigener Lebensentwurf ist facettenreich. Einen besonderen Platz darin nimmt die Kunst ein. Mit 51 Jahren begann der Diplom-Pädagoge ein Studium der Kunstgeschichte an der Universität Bamberg, das er zwar wegen der letzten Bundestags- und Landtagswahlen unterbrach, im Frühjahr aber wieder aufnehmen will, um nach einem Prüfungssemester mit dem Magister abzuschließen. "Die Kunstgeschichte ist der Bereich, der das Leben zu einer bestimmten Zeit in eine Form gießt und auf sehr dichtem Raum darstellt." Das fasziniert Stumpf.
Kunst, seien es Bilder oder Skulpturen, betrachtet er nicht oberflächlich. "Hinzugehen, und ein Kunstwerk fünf Minuten anzusehen, reicht mir nicht." Stumpfs Blick dringt in die Tiefe. Er will wissen, warum ein Maler einen Pinselstrich so und nicht anders gesetzt hat, warum ein Bildhauer sein Werkzeug so und nicht anders angesetzt hat. Dies zu verstehen, das ermöglicht ihm die Kunstgeschichte, die gleichzeitig ein Stück Weltgeschichte ist. "Dadurch eröffnet sie auch einen Blick auf die Gegenwart und nimmt ein Stück Engstirnigkeit und Verbissenheit aus manchen zeitgenössischen Auseinandersetzungen", sagt der Geisteswissenschaftler Stumpf. Und kann so einen Bogen zur Politik spannen.
Eine praktische Brücke zwischen Kunst und Kommunalpolitik schlägt Stumpf zum einen in der Öffentlichkeitsarbeit für seine "Galerie im Saal", die er 1999 mit seiner Frau Eleonore im Tanzsaal des Anwesens in Eschenau ins Leben rief. Drei- bis viermal jährlich organisieren die beiden darin Kunstausstellungen. Außerdem setzt er sich für Kunst im Landkreis Haßberge ein. "Beispielsweise lässt es mich nicht ruhen, dass das Gewölbe in der Haßfurter Ritterkapelle springt. Das muss restauriert werden und erhalten bleiben."
Doch Egon Stumpf ist nicht nur Schöngeist. Einen Kontrast zum "theoretischen Umgang mit einem Stück edler Welt" und gleichzeitig einen Ausgleich bilden Studium und Galerie zu seinem eigentlichen Berufsalltag. Darin ist er mit ungekünstelter, nackter Realität konfrontiert. In seinem "Kinderhaus Steigerwald", das er vor über 20 Jahren mit seiner Frau, ebenfalls Diplom-Pädagogin, in einem denkmalgeschützen Fachwerkhaus in Eschenau gründete, betreut das Ehepaar "Sozialwaisen" - derzeit zwei Mädchen und sechs Jungen im Alter zwischen neun und 16 Jahren, "deren Eltern oder Elternteile aus unterschiedlichsten Gründen keine Zeit haben, für ihre Kinder da zu sein", erklärt Stumpf. Im Kinderhaus erleben diese den Alltag einer Großfamilie; meist bleiben sie bis zum Ende der Schulzeit.
"Wenn die Kinder zu uns kommen, sind die häufig in desolatem Zustand", sagt Stumpf. "Sie sind unfähig, zu kommunizieren, Frustrationen auszuhalten, sich zu konzentrieren. Schulschwierigkeiten sind an der Tagesordnung." Innerhalb eines Vierteljahres bringen die Stumpfs und zwei Erzieherinnen die Kinder so weit - vielfach mit therapeutischer Hilfe -, dass sie fähig sind, in der Schule Leistung zu erbringen. Mit dieser Selbsterkenntnis und -erfahrung seitens der Kinder lösen sich manche weitere Probleme zügig. Andere, wie Kommunikationsstörungen, benötigen dagegen viel Zeit.
Was das Ehepaar Stumpf den Kindern gibt, ist ein festes Gefüge, ein Rahmen und Orientierung für ihr weiteres Leben. "Das nimmt ihnen die Ängste, im Chaos zu versinken", weiß Stumpf. "Und wir helfen ihnen, Interessen zu entwickeln und zu fördern, die sie später nutzen können." Wenn die Jugendlichen das Haus nach Jahren verlassen, haben sie vom Pädagogen Stumpf vor allem eines gelernt: Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.
Ein Miteinander in Verantwortung füreinander - das ist auch die Idealvorstellung des Politikers Egon Stumpf von einer lebendigen Gesellschaft. "Ein Staat soll nur Kernaufgaben übernehmen." Der FDP-Mann ist überzeugt davon, dass Deutschlands Bürger sehr genau wissen, was gut für sie und andere ist: "Ich glaube nicht daran, dass sich nur durch staatliche Regeln gesellschaftliche Strukturen erhalten lassen. Wir haben so viele Probleme, die sich mit staatlichen Organisationen nicht mehr richtig lösen lassen, sei es zum Beispiel im Bereich Krankenkassen oder Krankenhäuser." Stumpf plädiert deshalb dafür, Privatisierung zu fördern und möglichst viel Freiheit auf die Bürger zu übertragen.
Freiheit - für Stumpf mehr als ein großes Wort: Ein hohes Gut, das er jedem in Form intensiv gelebter Interessen gönnen würde. Und das für ihn impliziert: Ich habe Vertrauen zu anderen Lebensentwürfen.
Sein ausgeprägter Freiheitssinn und die Überzeugung, dass die deutschen Bürger mehr Mitspracherecht im Staat haben müssen, veranlassten Stumpf 1999, auch auf Entscheidungsebene einen Beitrag für die ihm wichtigen Werte, für den liberalen Gedanken, zu leisten: in der Politik. Er trat der FDP bei, deren Gesinnung er wie seine eigene empfand: als freiheitlich.
"Wir stellen den Bürger mit seinen Interessen und Erfahrungen in den gesellschaftlichen Mittelpunkt des Lebens und sind gegen eine Stellvertreterpolitik. Frei leben, Freiheit genießen, ein Stück mitdenken, mitbestimmen und mitentscheiden - wer will das nicht? Ich kann nicht verstehen, warum mit unserem Grundgedanken - weniger Staat und mehr Bürgerrechte - nicht mehr Leute die FDP wählen. Eigentlich müsste sie damit 60 Prozent haben."
Tatsächlich wird die FDP bei der Landtagswahl wohl rund 55 Prozent darunter bleiben. Stumpf und der FDP-Kreisverband Haßberge erhoffen sich deutlich mehr als 4,1 Prozent wie bei der Bundestagswahl, mit sechs wären sie zufrieden. "Und je höher das Ergebnis ausfällt, desto höher ist meine Chance, in den Landtag einzuziehen." Wichtiger als das sei ihm allerdings, dass die CSU keine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. "Ich hoffe, die Menschen wissen, dass eine vielfältige politische Kultur für Bayern gut ist".
Gute Politik kann nach Meinung Stumpfs übrigens nur der machen, "der nicht abhebt, sondern mitten unter den Mitmenschen lebt und der seine Lebenserfahrungen unter all den existenziellen Problemen des Normalbürgers gesammelt hat". Stumpf ist nah am Menschen - also auch ein guter Politiker? "Mein Einfluss ist bisher gering, ich bekleide keine öffentlichen Ämter, habe kein Mandat. Wovon ich spreche, sind Fiktionen. Ich kann viel sagen und musste bisher nichts beweisen." Versprechen, Phrasen, Platituden - das hat Stumpf offenbar dennoch nicht nötig. Auch im Wahlkampf nicht.
Und warum würde Egon Stumpf sein Kreuzchen trotzdem für den politisch unroutinierten Egon Stumpf machen? "Seine Erfahrung könnte ein hinreichender Grund sein. Er hat im praktischen Leben alles Mögliche gemacht und es auch ganz gut gemacht", sagt der FDP-Kandidat augenzwinkernd. "Zwar konnte er sich politisch bisher nicht beweisen, aber er würde sich bemühen, seine Sache gut zu machen."
Für eine bunte Welt. Deren Grundton bei alledem die Farbe gelb wäre.