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Sand am Main: Wie das uralte Korbmacher-Handwerk in Sand am Main überlebt

Sand am Main

Wie das uralte Korbmacher-Handwerk in Sand am Main überlebt

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    Korbmacher Stefan Rippstein bei seiner Arbeit, dem Flechten eines Wäschekorbes aus geschälten, weißen Weiden.
    Korbmacher Stefan Rippstein bei seiner Arbeit, dem Flechten eines Wäschekorbes aus geschälten, weißen Weiden. Foto: Günther Geiling

    Welcher Handwerksberuf schafft es schon zur Auszeichnung "außergewöhnlich und extravagant"? Oder ist seit 2017 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen? Es ist der Beruf des "Korbmachers" oder heute eher des "Flechtwerkgestalters". Das Handwerk scheint fast ausgestorben. Doch in der einstigen Korbmacher-Hochburg Sand gibt es noch einen Betrieb, in dem die aufwendige Passion dieses alten Handwerks mit besonderer Liebe hauptberuflich betrieben wird: bei Familie Rippstein. Und das soll sich auch in Zukunft nicht ändern.

    Der heute 16-jährige Sohn ist schon zwischen den Körben groß geworden und will jetzt seine Ausbildung als Flechtwerkgestalter in Lichtenfels beginnen.
    Der heute 16-jährige Sohn ist schon zwischen den Körben groß geworden und will jetzt seine Ausbildung als Flechtwerkgestalter in Lichtenfels beginnen. Foto: Günther Geiling

    In Sand am Main lebten früher viele Menschen von diesem Handwerk - einem der ältesten der Welt, denn nachweislich flochten die Menschen schon in der Steinzeit Schutzzäune, Fischreusen und Behältnisse aller Art. Heute ist der Beruf fast ausgestorben, die einzige Fachschule in Deutschland in Lichtenfels bildet nur noch wenige Flechtwerkgestalter aus, die diese Kunst meist im sozialen und therapeutischen Bereich nutzen. 

    Korbmacher in sechster Generation

    Bei Familie Rippstein dagegen ist nun schon die sechste Generation mit der Korbmacherei beschäftigt. "Mein Urgroßvater ist noch mit dem Schubkarren nach Thüringen gefahren und hat dort Körbe verkauft", erzählt der 51.jährige Stefan Rippstein. Korbmacher, die in der Ferne von Haus zu Haus zogen, nannte man "Raaser". Sein Großvater sei dann schon mehr in der Werkstatt beschäftigt gewesen. "Dafür war aber meine Oma geschäftstüchtig und hat draußen Körbe verkauft." Da war auch Stefan Rippsteins Vater Rudi als kleiner Junge von acht bis zehn Jahren schon mit dabei. Später fuhr er selber mit dem Auto. Rudi Rippstein ist mit seinen 80 Jahren heute nicht mehr als "Raaser" im Einsatz. Er hat sich mehr auf Märkte spezialisiert und ist trotz seines hohen Alters noch im Bergischen Land, in Hessen, dem Spessart oder im Odenwald unterwegs.

    Für die verschiedenen Produkte braucht man auch unterschiedliche Weiden, die geschält und sortiert werden müssen.
    Für die verschiedenen Produkte braucht man auch unterschiedliche Weiden, die geschält und sortiert werden müssen. Foto: Günther Geiling

    Stefan Rippstein erlernte den Beruf des Korbmachers 1985 und wagte 20 Jahre später mit der Aussiedlung des elterlichen Betriebs von der Ortsmitte hinaus in die Flur einen gewaltigen Schritt, über den er aber heute noch sehr froh ist. "In der neuen Werkstatt mit Ausstellungsräumen kann ich meinen Beruf und auch unsere Produkte viel besser präsentieren", sagt Rippstein. Hier biete er auch Führungen und Kurse an. Die Kunden kämen auch von weither, aus Würzburg oder München.

    Die Hände müssen funktionieren

    "Körbe oder Körbchen hat es schon seit jeher gegeben. Kennst du nicht die Geschichte von Moses, dessen Mutter ihn in ein kleines Binsenkörbchen legte?", fragt Stefan Rippstein unseren Reporter, während er munter an einem Wäschekorb arbeitet. Ein Eimer mit Wasser steht daneben. "Damit die Weide gut glitschen kann", erklärt der Korbflechter. Immer wieder taucht er zwischen den Flechtbewegungen seine Hand ins Wasser, denn ohne Wasser wächst die Weide nicht und ohne Wasser lässt sie sich nicht biegen - auch nicht beim Flechten." Die Arbeit ist körperlich anstrengend, doch macht sie dem 51-Jährigen sichtlich Spaß. "Die Hände müssen gut funktionieren und dürfen nicht zu trocken sein. Manchmal spüre ich die Korbmacherhände schon nachts im Bett." Kein Wunder bei einem Arbeitstag von über zehn Stunden.

    Auch so etwas ist zu im Ausstellungsraum zu sehen: ein Motorrad komplett aus Weiden.
    Auch so etwas ist zu im Ausstellungsraum zu sehen: ein Motorrad komplett aus Weiden. Foto: Günther Geiling

    Eines seiner vier Kinder ist der 16-jährige Valentin, der gerade mit Erfolg die Realschule abgeschlossen hat und ab September zur Freude der Eltern seine dreijährige Ausbildung an der Berufsfachschule in Lichtenfels als Korbflechtgestalter beginnen wird. Schon als Kleinkind sei Valentin immer wieder an den Arbeitsplatz seines Vaters gekommen, habe ihm interessiert zugeschaut und wollte mithelfen, erinnert sich Mama Katja Rippstein. "Ich bin schon immer gerne in der Werkstatt gewesen", bestätigt auch der Junior selbst. Mit fünf oder sechs  Jahren habe er die ersten Dinge geflochten und an Gäste verkauft.

    Hundert Prozent selbstgemacht

    Bei seiner Berufswahl hat es sich der junge Mann trotzdem nicht einfach gemacht, hat auch in der Metallindustrie ein Praktikum absolviert, fand die Arbeit aber gegenüber der Korbflechterei zu eintönig. "Es ist die Vielfalt, die in diesem Beruf liegt und dass man ganz unterschiedliche Sachen machen kann. Außerdem schaffst du beim Korbflechten ein eigenes Stück, bei dem du alles zu hundert Prozent selbst gemacht hast. Keine Maschine hat bisher einen solchen Korb gemacht", sagt Valentin.

    "Wenn einer in den Korbmacher- oder Korbflechterberuf geht und hat bisher noch nichts, worauf er zurückgreifen kann, ist es sehr schwer", weiß Stefan Rippstein, der an seinen Sohn freilich die komplette Werkstatt, einen großen Kundenstamm und nicht zuletzt den guten Namen weitergeben wird. Das Korbmacherhandwerk hat also in Sand dank der Familie Rippstein gute Chancen, weiter zu bestehen. Wenngleich sich die Kundenwünsche gewandelt haben. Heute sind nicht die Stroh- oder Heukörbe oder die fürs Holz gefragt, sondern eher exclusive asymmetrische Körbe, Gartendekorationen aus Weide oder gar Sichtschutzwände. 

    Beim Begutachten der Weiden im Feld neben dem Haus Valentin Rippstein (links) und Vater Stefan (rechts).
    Beim Begutachten der Weiden im Feld neben dem Haus Valentin Rippstein (links) und Vater Stefan (rechts). Foto: Günther Geiling

    Das Rohmaterial zieht der Sander Korbmacher zumindest zur Hälfte selbst. Früher habe es in den Mainauen bei Zeil viele Weidenfelder gegeben, aber die seien der inzwischen längst stillgelegten Zuckerfabrik zum Opfer gefallen. "Wenn es so weiter geht, muss ich noch künstlich bewässern", hadert der 51-Jährige mit den zuletzt auch für das Weidenwachstum viel zu trockenen Sommern.

    Zukunftspläne

    Dennoch strahlt Stefan Rippstein Zufriedenheit aus. Und er hat auch noch einiges vor: Mit einem alten Mercedes 190 als "Raaserauto" möchte er auf den Berufsstand des Korbmachers aufmerksam machen. "Mit meinen Körben auf dem Dachständer möchte ich jede Gemeinde im Landkreis anfahren, damit meinen Dank zum Ausdruck bringen, die Leute aber auch zu Begegnungen inspirieren. Außerdem möchte ich noch einmal nach Frankreich fahren, um die deutsch-französische Freundschaft zu bestärken", sagt er. Für andere Hobbies wird dem Sander wenig Zeit bleiben, aber nach anstrengender Arbeit hat er auch nur einen Wunsch: "Unter einen Baum legen und ein gutes Buch lesen, das unsere wunderbare Natur behandelt."

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