Königsberg mit dem Zusatz "i. Bay." steht auf den Ortsschildern an den Zufahrten zu der kleinen Stadt in Unterfranken. Viele Gäste sind oft über diesen Zusatz verwundert oder erstaunt, da das Städtchen zwar in Bayern liegt, dort aber mitten im schönen Frankenland. Warum also dieser Zusatz "in Bayern"?
Ende des 1. Weltkrieges 1918 zerbrach das deutsche Kaiserreich. Deutschland wurde Republik. Auch das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha zerfiel. Zu diesem gehörte auch das kleine Städtchen Königsberg, welches damals den Beinnamen "in Franken" trug, mit den Dörfern Altershausen mit Windberg, Dörflis, Hellingen (damals noch Niederhellingen), Köslau und Kottenbrunn als Exklave. Rund 40 Kilometer von der Residenzstadt Coburg entfernt, in Bayern gelegen, wurde diese Exklave über einen Amtsbotenweg mit regiert. Dazu gehörten auch die zwei selbstständigen Parzellen Erlsdorf und Nassach.
Fast 90 Prozent Zustimmung für Bayern
Der übriggebliebene Freistaat Coburg hatte auf die Dauer keine Lebenschance. Man suchte den Anschluss an einen benachbarten Staat. In einer am 30. November 1919 durchgeführten Volksbefragung entschieden sich die Bürger des Coburges Landes gegen den Anschluss an Thüringen. Das Ergebnis der durchgeführten Abstimmung war überraschend. Nur 11,7 Prozent der abgegebenen Stimmen sprachen sich für den Anschluss an Thüringen aus. Damit war der Weg nach Bayern frei, denn diese Abstimmung wurde als Zustimmung für den Anschluss an Bayern gewertet. Auch das Abstimmungsergebnis im Königsberger Amtsgebiet war eindeutig. In der Stadt wurden 22 Stimmen für Thüringen und 301 Stimmen für Bayern abgegeben
Kottenbrunn und und Erlsdorf sind für Thüringen
In den Amtsdörfern sah es, bis auf wenige Ausnahmen, ähnlich aus. In Altershausen mit Windberg wollten neun Stimmberechtigte nach Thüringen, den Drang nach Bayern hatten 76 Frauen und Männer. In Dörflis hieß es 2:43, in Hellingen 35:55, in Köslau 2:55 und in Nassach 3:84. Lediglich die Kottenbrunner (29:5) und die Erlsdorfer (2:0) wollten sich Thüringen anschließen.

Gerätselt wurde natürlich, warum so wenig Bürger des Coburger Landes für Thüringen votiert hatten. Die schlechten politischen Verhältnisse können es nicht gewesen sein, denn in Bayern ging es zu dieser Zeit nach der Entmachtung des Königs fast noch chaotischer als in Thüringen zu. Auf der anderen Seite war der Staat Thüringen eine Neugründung. Wie und welche politischen Kräfte zukünftig dort bestimmend sein würden, das war ungewiss. Vermutlich hatte das Ergebnis der Abstimmung auch seinen Grund darin, dass sich die Coburger und die Königsberger als Franken fühlten und den Anschluss an das fränkische Nordbayern als eine natürliche Zusammenführung betrachteten.
Nach einem daraufhin abgeschlossenen Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Coburg und dem Freistaat Bayern, durch Reichsgesetz am 30. April 1920 verkündet, trat der Anschluss an Bayern am 1. Juli 1920 in Kraft. Die Exklave Königsberg mit all ihren Gemeinden wurde dem bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken zugeteilt.
Der Superintendent nimmt Abschied
Am 1. Juli 1920 läuteten in Königsberg, so ist in alten Aufzeichnungen nachzulesen, zwischen 11 und 12 Uhr die Glocken der Marienkirche. Am darauf folgenden Sonntag, dem 4. Juli, gedachte Superintendent Epler in seiner Predigt des auch für die Kirche so bedeutsamen Tages. Denn mit der Eingliederung nach Bayern verlor Königsberg, das auf Grund seiner Zugehörigkeit schon immer evang.-luth. geprägt war, auch den Superintendenten. Es erfolgte die Abstufung zur Pfarrei, die dem bayerischen Dekanat Rügheim angegliedert wurde. Der Geistliche predigte aus dem Römerbrief Kapitel 13, Vers 7: "So gebet nun jedermann, was Ihr schuldig seid: Zoll, dem der Zoll gebühret, Ehre, dem Ehre gebühret". Epler ging in seiner Ansprache auf die zwiespältigen Gefühle der Gemeinde ein, umschrieb die in Königsberg aufkommende pessimistische Stimmung und erinnerte die Gemeinde an ihre Pflichten gegenüber der neuen Obrigkeit. "Mit Wehmut nehmen wir Abschied vom Alten und mit Vertrauen sehen wir dem Neuen entgegen".
Das Innenministerium war nicht mehr zuständig
Dass diese gemischten Gefühle bei vielen Königsbergern nicht zu Unrecht aufkamen, war auch in weiteren Verlusten begründet, die die Eingliederung nach Bayern mit sich brachte. So verlor die Stadt dadurch ihre Kreisfreiheit und wurde dem Landkreis Hofheim unterstellt. Königsberg unterstand bis dahin keinem Bezirksamt, sondern direkt dem Innenministerium.
Dieser Statusverlust eines Amtsstädtchens war in der damaligen Zeit gleichbedeutend mit einem wirtschaftlichen Niedergang. Es gab keinen Ausgleich für den Zentralitätsverlust wie bei den Gebietsreformen 1972 und 1978. Die Königsberger hatten unter der folgenden Armut zu leiden, zumal die Wirtschaftskrisen der 1920-er Jahre hinzukamen.

Dass Königsberg diese Eingliederung nicht so ohne weiteres hinnahm, zeigt sich an verschiedenen Versuchen, die unternommen wurden, um die Eigenständigkeit weiterhin beizubehalten. Ein Versuch, den der damalige Oberbürgermeister der Stadt – Königsberg hatte damals als Stadtoberhaupt einen OB – Wilhelm Curt Roesler gleichsam als letzte Attacke unternahm, war seine Forderung in den Staatsvertrag zwischen Coburg und Bayern die Bestimmung aufzunehmen: "Unter Dispensierung von entgegenstehenden bayerischen gesetzlichen Vorschriften wird die Stadt Königsberg gemäß ihrer von Alter her überkommenden Verfassung unmittelbar der Aufsicht der Regierung unterstellt. Sollte die bayerische Staatsregierung nicht bereit sein, diesen Satz in den Staatsvertrag aufzunehmen, wird gefordert, die Bezirksämter Haßfurt, Hofheim und Ebern umzugruppieren und ein Bezirksamt Königsberg zu errichten, also einen Landkreis Königsberg zu schaffen". So amüsant diese Forderung, die natürlich nicht erfüllt wurde, heute auch erscheinen mag, man muss den damaligen Stadtvätern bescheinigen, dass sie für die Interessen ihrer Stadt gekämpft haben.

Ein herber Verlust war später auch die Auflösung des Amtsgerichts in Königsberg, die zum 1. April 1925 beschlossen wurde. Ein weiterer Schlag für die Königsberger, dass das Amtsgericht im Amtsgerichtssprengel Hofheim aufgehen sollte, womit automatisch die Zuständigkeit des Landgerichtsbezirks Bamberg und nicht mehr Coburg gegeben war. Das Amtsgericht war immerhin die einzige staatliche Behörde am Ort und konnte auf eine lange Geschichte zurückblicken.
Darum darf Königsberg in Sachen Sparkasse mitreden
Das, was an Ausgleichsrechten zugunsten der Stadt im Staatsvertrag ausgehandelt wurde, war spärlich, hatte aber gerade deswegen ein umso größeres Gewicht. So sind im Schlussprotokoll zum Staatsvertrag vom 14. Februar 1920 für Königsberg zwei wichtige Bestimmungen enthalten. Dort heißt es: "Die Sparkassen des Freistaates Coburg werden in der bisherigen Art ihres Geschäftsbetriebes nicht beschränkt". Dieser Satz war wichtig. Damit wurde der Städtischen Sparkasse Königsberg der Weiterbetrieb ihrer weitverzweigten Geschäftsstellen garantiert. Dieses Recht wurde später nach Verhandlungen mit der Sparkasse Ostunterfranken und in neuester Zeit mit der Sparkasse Schweinfurt-Haßberge abgesichert, indem die Stadt Königsberg Teilhaber dieser Sparkassen ist.
Der 2. Vertragspunkt lautet: "Die Verlegung eines Bayerischen Forstamtes nach Königsberg in Franken wird zugesichert". Diese Bestimmung enthielt nicht nur eine Einrichtungsverpflichtung,sondern auch eine Bestandsgarantie des Freistaates Bayern, an deren Beibehaltung sich die bayerische Staatsregierung aber 1973 nicht mehr verpflichtet fühlte. Bei der Neuorganisation der Forstverwaltung beabsichtigte der Staat, das Staatliche Forstamt Königsberg zugunsten der Forstämter in Eltmann und Ebern aufzulösen.
Das Forstamt wird im Lauf der Zeit immer weiter herabgestuft
Die Bestandsgarantie für Königsberg sei zwar Vertragsinhalt gewesen, aber die veränderten Verhältnisse würden die Nichteinhaltung des Vertrages rechtfertigen. Gegen diese Auffassung klagte Königsberg, unterstützt durch die Stadt und den Landkreis Coburg, zur Klärung seiner Rechte. Das Bundesverfassungsgericht gab allerdings mit Beschluss vom 27. November 1974 der Klage mit der Begründung nicht statt, dass die Beibehaltung einer Forstamts-Zweigstelle ein ausreichender Ausgleich für das selbstständige Forstamt sei. Das Recht auf diese Zweigstelle ist der Stadt also höchstrichterlich bestätigt worden.
Inzwischen ist daraus aber eine Außenstelle des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt, mit der Bezeichnung "Forstrevier Königsberg in Königsberg in Bayern" geworden. Der für die Regiomontanusstadt bittere Beigeschmack bei dieser Entwicklung ist, dass die Bayerische Staatsregierung in der Lage war, einfach über höhere Werte hinwegzugehen. Sie widersetzte sich dabei der Geschichte, der Tradition und der vertrauensvollen Partnerschaft.

Aber trotz dieser insgesamt mehr negativen Erfahrungen lebte Königsberg weiter und überlebte auch die deprimierende Zonenrandlage in der Nachkriegszeit. Und das durch den Leistungswillen der Arbeiter und Arbeitnehmer, durch ideenreiche Unternehmer und Handwerksbetriebe, sowie durch tatkräftige Führungskräfte, die in diesem benachteiligten Gebiet nicht aufgaben, und ist zu einem leistungsstarken Kleinzentrum in dem 1972 neu gebildeten Landkreis Haßberge geworden.
Zum Schluss zurück zur Ausgangsfrage: Warum dieser Zusatz "i. Bay."? Wie kam es dazu? Denn eigentlich hätte es bei dem Zusatz "in Franken", trotz der "Eingemeindung" nach Bayern bleiben können. Dieser neue Zusatz ist auf eine Aktion des damaligen Königsberger Oberbürgermeisters Roesler zurückzuführen.
Ein "Brandbrief" entfaltet seine Wirkung
Ansonsten sehr glücklos bei seinen Bemühungen, die Unabhängigkeit seiner Stadt zu bewahren, schrieb er seinerzeit an alle maßgebenden Stellen: "Damit die ständige Verwechslung unserer Stadt mit Königsberg in Preußen, die fast zu täglich störenden Verzögerungen in der Zustellung von Post und Bahnsendungen führt, für die Zukunft vermieden wird, bitten wir, nach dem Übergang von Sachsen-Coburg an Bayern für unsere Stadt die amtliche Bezeichnung "Königsberg in Bayern" festsetzen zu wollen". Die Verwechslungen gab es wohl durch den ähnlichen Zusatz bei Königsberg in Franken mit "i. Fr." und Königsberg in Preußen mit "i. Pr.". Und so ist es geschehen. Und so ist es bis auf den heutigen Tag nach 100 Jahren geblieben: Königsberg in Bayern.
