Ganz schön viele Daten müssen Professor Tobias Chilla und seine Mitarbeiterin Carola Wilhelm vom Institut Geografie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in den kommenden Monaten auswerten. Im Rahmen einer großangelegten Studie im Auftrag des Landratsamtes befragten sie insgesamt 506 Abschlussschüler und -schülerinnen aus zwei Gymnasien, vier Realschulen und sieben Mittelschulen des Landkreises Haßberge über ihre Pläne nach dem Schulabschluss. Von diesen Befragten wohnen 428 im Haßbergkreis.

"Die Frage, ob Schüler und Schülerinnen im Landkreis bleiben oder wieso nicht, ist ganz wesentlich", so Landrat Wilhelm Schneider, denn sie liefere dem Landratsamt wichtige Erkenntnisse mit Blick auf die sozioökonomischen Entwicklungen in den einzelnen Kommunen, auf deren Grundlage weitere Maßnahmen abgeleitet werden könnten.
Besonders sei laut Chilla, dass dieselbe Studie vor 15 Jahren schon einmal im Raum Haßberge durchgeführt wurde. Ein so kurzer Zeitraum zwischen zwei Studien käme nicht oft vor, dadurch sei ein Vergleich der Ergebnisse nach Auswertung aller Fragebögen möglich und dürfte noch umfangreichere Einsichten in das Mobilitätsverhalten von Absolventen und Absolventinnen geben.
Hohe Attraktivität des Landkreis Haßberge in den Abschlussklassen
Ziel der Studie sei es, herauszufinden, welche Faktoren darüber entscheiden, ob junge Menschen im Landkreis bleiben oder abwandern. Individuelle Motivation, Zufriedenheit sowie die Zukunftsperspektiven in der Region sind dafür ausschlaggebend. Das Positive vorweg: "Vor 15 Jahren wie auch heute findet eine Mehrheit den Landkreis attraktiv", resümieren die Wissenschaftler, "über die Hälfte könne sich vorstellen, wieder oder immer noch im Landkreis Haßberge zu leben."
Vielversprechend sei die Situation deshalb, da dieses Ergebnis sowohl den städtischen als auch ländlichen Raum betreffe. Dabei punktet der Landkreis bei den jungen Befragten hinsichtlich seiner Familienfreundlichkeit, den Einkaufsmöglichkeiten und den beruflichen Chancen, schlecht schneiden hingegen die Verkehrsanbindung und Internetqualität ab. Probleme, die laut dem Geografen nicht neu sind, bei denen eine schnelle Lösung aber oft schwer sei.

Nicht überraschend sind es vor allem Schüler und Schülerinnen von Real- und Mittelschule, oft bereits mit Ausbildungsvertrag in der Tasche, die ihr Berufsziel vor Augen haben und Arbeitgeber kennen, bei denen sie arbeiten könnten. Bei diesen Schulformen funktionierten der Kontakt zwischen Arbeitgeber und Schulen, beim Gymnasium bestehe hingegen Handlungsbedarf. Generell müsse bei der Berufsberatung nachjustiert werden, da diese nur einen "moderaten Einfluss auf die Entscheidung bei der Berufswahl hat."
Für das Studium in die weite Welt
Abwanderungstendenzen gebe es somit vor allem bei Gymnasiasten und Gymnasiastinnen. Mehr als ein Drittel plane für das Studium in eine weiter entfernte Stadt (über 100 Kilometer) oder ins Ausland zu gehen. Dies sei nach Aussage des Landrats dem Fakt geschuldet, dass Haßfurt keine eigene Universität besitze, wer in der Nähe bleiben wolle, studiere in Erlangen, Bamberg oder Würzburg. Viele ziehe es weiter weg und nur ein Teil kehre bei der Familienplanung zurück.
Ein Problem mit Blick auf den Fachkräftemangel, der auch im Bildungsausschuss in Bezug auf fehlenden Ärzte-Nachwuchs thematisiert wurde. Zwar versuche das Landratsamt im Zuge des Projektes "Main-Sommer", das es Medizinstudenten und -studentinnen ermöglicht, ihr Pflichtpraktikum im Landkreis Haßberge zu absolvieren, junge Menschen zu binden und zu halten, aber der Bedarf sei weiterhin groß.
Sowohl die Wissenschaftler der FAU als auch Landrat Schneider stufen die emotionale Bindung als einen der wichtigsten Gründe für einen Verbleib oder eine Rückkehr in die Heimat ein. "Je mehr Bindung durch Freunde, Vereine, Kirche, desto besser, aber auch Schulen, Kindergrippen oder Kindertagesstätte spielen eine große Rolle und sind Gründe, um zurückzukehren," so das Fazit des Landrats.
Demografischer Wandel stabiler als gedacht
Der demografische Wandel mache auch vor dem Haßbergkreis nicht Halt: "Vor 20 Jahren waren die U18-Jährigen noch deutlich stärker vertreten als heute", informiert Tobias Chilla in seinem Vortrag. "Heute sind es die Ü65-Jährigen, eine Situation die sich noch verschärfen wird." Trotz dieser Einschätzung sei die Lage im Landkreis stabiler als gedacht, die Alterung der Gesellschaft stelle aber ein wichtiges Handlungsfeld dar, dem nur begegnet werden kann, indem junge Menschen zum bleiben motiviert würden.