Sie wollen in Prichsenstadt bleiben: die Hausärzte Alexander Schöpfel und Eleonora Rieger. Und auch der Stadtrat hat größtes Interesse daran, die Ärzte zu halten. Aber dieses Miteinander ist seit Mitte Juni schwer gestört, seit der Stadtrat den Mietvertrag für die Ärzte gekündigt und einen neuen angeboten hat: mit einer beinahe Verdreifachung der Miete von 523 auf gut 1527 Euro monatlich. Dazu beziehen die Hausärzte jetzt Stellung.
Zur Vorgeschichte: Das Ärztehaus an der Bahnhofstraße, als Spitalstiftung im Besitz der Stadt, ist 2004 und 2006 generalsaniert worden, um den Zahnärzten im Obergeschoss ein optimales Arbeiten zu gewährleisten. Im Januar 2006 zogen die beiden Hausärzte im Erdgeschoss ein. Als 2011 ein Ärztehaus in Wiesentheid gebaut wurde, entschieden sie sich für den Verbleib in Prichsenstadt. „Und damit für die Autonomie“, so Schöpfel. Der Stadtrat Prichsenstadt senkte die Miete von 1200 Euro monatlich auf 523 Euro. Dieser Vertrag sollte nach acht Jahren in einen unbefristeten umgewandelt werden – wenn nicht eine der beiden Parteien vorher kündigt.
Seit 2011 zahlt die Stadt die Differenz zwischen 523 und 1200 Euro aus dem Haushalt, um die Raten für den Sanierungskredit zu bedienen. Dieser Aspekt war Thema im Stadtrat, der in einer nicht-öffentlichen Sitzung im März mehrheitlich beschloss, einen neuen Mietvertrag aufzusetzen, der den Ärzten Mitte Juni in den Briefkasten geworfen wurde.
„Warum braucht die Stadt so lange, um diesen Beschluss umzusetzen?“ fragt Alexander Schöpfel. Das sei nichts Ungewöhnliches, entgegnet Bürgermeister René Schlehr auf Anfrage dieser Zeitung. „Nicht jeder Ratsbeschluss muss sofort in die Tat umgesetzt werden, außerdem musste Kämmerer Marco Kölln den Vertrag erst ausarbeiten.“
Streitpunkte
Schlehr wehrt sich gegen den Vorwurf, der Rat habe diese Zeitspanne nutzen wollen, um die Apothekerin am Ort zu halten, selbst wenn die Ärzte Prichsenstadt verlassen sollten. „Der Vertrag mit der Apothekerin ist im Februar geschlossen worden“, erklärt der Bürgermeister, „mit einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund. Ein Wegzug beider Hausärzte, als Existenzgrundlage der Apotheke, wäre ein solcher Grund.“
Ein weiterer Streitpunkt: Die Apothekerin zahlt sechs Euro Miete pro Quadratmeter. Die Hausärzte sollen laut neuem Vertrag neun Euro pro Quadratmeter zahlen. Von einer „ortsüblichen Miete“ könne da keine Rede sein, so Schöpfel. Bürgermeister Schlehr sieht das anders: „Wir hatten damals in der Apotheke nur die Heizung saniert, es gibt keine kostenfreien Parkplätze und keinen barrierefreien Zugang. Und die Apotheke muss bei Veranstaltungen in der Altstadt Beeinträchtigungen hinnehmen.“ Ortsüblich sei ein dehnbarer Begriff, meint Schöpfel und verweist darauf, dass die begehbare Rampe als barrierefreier Zugang zu seiner Praxis nicht wirklich nutzbar sei – gerade bei Regen und Kälte.
Eine Sache ärgert die beiden Hausärzte ganz besonders: Dass das Kündigungsschreiben „einfach so“ im Briefkasten lag. Das empfinden sie als „stillos“. „Ein normaler Verwaltungsvorgang“, entgegnet Schlehr. „Briefe, Sitzungsunterlagen für Stadträte, sogar Bescheide tragen wir in Prichsenstadt aus Kostengründen persönlich aus, in die Ortsteile per Post.“ Dass die Mieterhöhung nicht in einem Gespräch vorher angekündigt worden war, sieht Schlehr tatsächlich als „großen Fehler“ an. „Dafür habe ich mich zusammen mit dem Dritten Bürgermeister Martin Ebert und Ratsmitglied Roland Eckert in unserem Gespräch bei den Ärzten ausdrücklich entschuldigt.“
Was ist eine ortsübliche Miete?
In jenem Gespräch, am Tag vor der Ratssitzung am 28. Juni, sei auch über die Mieterhöhung gesprochen worden. „Unser Angebot sind jene knapp 1500 Euro, und wir haben die Ärzte nach ihren Vorstellungen gefragt“, sagt Schlehr. „Aber sie wollen ein günstigeres Angebot, ohne einen konkreten Betrag zu nennen. Das ist keine Diskussionsgrundlage für einen Stadtratsbeschluss.“ Der umstrittene Begriff der „ortsüblichen Miete“, die die Hausärzte als „zu hoch und unbegründet“ ansehen, sei in Angleichung an den Mietpreis entstanden, den die Zahnärzte im selben Gebäude zahlen würden. Deren Praxis sei laut den Hausärzten aber mit einem deutlich höheren Aufwand renoviert worden. Etwa 700 000 Euro habe der Umbau des Obergeschosses gekostet. Der Umbau ihrer Praxis im Erdgeschoss sei deutlich günstiger gewesen – zumal sie selbst bei der Renovierung mithalfen: rund 130 000 Euro. Nutzbar seien auch lediglich 158 Quadratmeter Praxisfläche. Die Kritik der Hausärzte, dass sie den separaten Keller nicht wirklich nutzen können, akzeptiert Schlehr. Der 34 Quadratmeter große Keller wird mit drei Euro pro Quadratmeter gerechnet.
Der umstrittene neue Mietvertrag sieht eine Laufzeit von fünf Jahren vor, mit sechs Monaten Kündigungsfrist, und verlängert sich stillschweigend um jeweils ein Jahr. Der aktuelle Mietvertrag, den die Stadt gekündigt hat, endet am 31. Dezember 2019. Somit bliebe noch Zeit für beide Parteien, sich auf einen Kompromiss zu einigen.
Für Schöpfel und Rieger war bis vor vier Wochen klar, dass sie ihre Praxis bis zu ihrem Ruhestand in Prichsenstadt betreiben werden. Jetzt sind sie nach eigenen Worten wütend, enttäuscht und frustriert – und warten auf ein Signal aus dem Rathaus, um die Gespräche wieder aufzunehmen. „Das Vorgehen hat uns menschlich sehr getroffen“, sagt Schöpfel. „Dennoch sollten wir alle von der emotionalen Ebene wieder auf die sachliche kommen.“