Lässt die Politik junge Leute in der Corona-Pandemie im Stich? Einer Umfrage der Generationen Stiftung zufolge empfinden das viele junge Menschen so. „Nein“, sagen dagegen die drei Schülersprecher des Armin-Knab-Gymnasiums. Dass die Schulen geschlossen waren, halten Viola Hanft, Melina Schüßler und Leonhard Capelle für richtig – aus mehreren Gründen. Freitag, der 13. Ein sinnbildliches Datum. Ein Glückstag, finden die einen. Ein Pechtag, die anderen. Und manchmal ändert sich das Urteil.
„Freitag, der 13. März 2020, war der letzte Schultag vor den Schulschließungen“, sagt Leonhard Capelle. Das Datum ist ihm im Gedächtnis geblieben. An diesem Tag hat Ministerpräsident Markus Söder verkündet, dass ab Montag, 16. März, die Schulen geschlossen bleiben. „Viele haben sich erst darüber gefreut“, sagt der Zehntklässler rückblickend. „Aber als sich dann herausgestellt hat, dass das eine längere Sache wird, haben sie es anders gesehen.“
Die Schulschließungen hatten nicht nur zur Folge, dass anders gelernt werden musste, sondern auch, dass alleine gelernt werden musste. Dass man die Freunde nicht mehr treffen konnte. Dass ein großer Teil des sozialen Lebens der Jugendlichen weggebrochen ist. Mehr und mehr junge Leute fühlten sich einsam, die Zahl der Ängste und Depressionen stieg. Diese Aspekte wurden lange nicht beachtet. Der Fokus lag darauf, wie Lernlücken geschlossen werden können, mögliche psychische Folgen blieben außen vor. Das nehmen viele Jugendliche der Politik übel.
Leonhard Capelle und seine beiden Schülersprecher-Kolleginnen Viola Hanft und Melina Schüßler gehören nicht dazu. „Ich hätte mich im Stich gelassen gefühlt, wenn man die Schulen offen gelassen hätte“, sagt Capelle. „Dann wäre den Politikern ja egal gewesen, ob wir uns anstecken.“ Zudem hätten die Schulschließungen auch den Jugendlichen selbst deutlich gemacht, dass Corona ernst zu nehmen ist. „Bei manchen hat es da erst klick gemacht“, ist Viola Hanft überzeugt.
Unterschiede werden größer
Auch wenn sie die Entscheidung für Homeschooling als richtig erachten, sehen die drei Schülersprecher auch die negativen Folgen. Nicht jeder kam gut mit dem Distanzunterricht zurecht. Weil die Technik anfangs nicht immer funktionierte. Weil nicht jeder genug Selbstdisziplin aufbrachte, um eigenständig zu lernen. Weil nicht alle Jüngeren die Unterstützung erfahren konnten, die vielleicht nötig gewesen wäre – wenn die Eltern arbeiten mussten, zum Beispiel. „Die Unterschiede zwischen den Schülern sind größer geworden“, hat Viola Hanft beobachtet. „Die Guten sind besser geworden, die Schlechteren schlechter.“
Doch auch die sozialen Folgen spüren die drei SMV-ler – bei sich selbst, bei anderen Schülern, im Freundeskreis. Wer wie die Fünftklässler mitten in der Pandemie die Schule wechselte, für den war das Eingewöhnen nicht leicht. „Das Soziale war weg, das Miteinander hat gefehlt“, so Melina Schüßler. „Das kommt erst jetzt langsam wieder.“ Ein Teil der Wahlkurse konnte nicht stattfinden, ein Teil des Unterrichtsangebots brach weg. „Ich bin in der Bigband. Die durfte lange nicht proben“, sagt Viola Hanft. „Es ist was ganz anderes, wenn man nur alleine daheim übt.“ Dafür haben die Beschränkungen auch neue Wege aufgezeigt: „Wir haben online Materialien herunterladen können. Im Musikverein haben wir Mikros bekommen und I-Pads. Jeder hat seine Stimme selbst eingespielt und dann konnte man alles zusammen anhören.“ Vor der Pandemie undenkbar.
Gelitten hat das soziale Leben natürlich auch über die Schule hinaus. Leonhard Capelle spielt Fußball. Er hat das Hallentraining abgesagt, hält die Ansteckungsgefahr beim Sport in Räumen für zu groß. Melina Schüßler liebt es eigentlich, unter vielen Menschen zu sein, hat vor Corona gerne Großveranstaltungen besucht. „Jetzt treffe ich mich nur noch in kleinen Gruppen.“ Sind zu viele Leute auf einem Haufen, haben alle drei ein mulmiges Gefühl. Sie machen sich Gedanken, weil sie sich nicht selbst anstecken wollen. „Aber noch weniger will man jemanden anderen anstecken. Dann hätte ich Schuldgefühle“, sagt Leonhard Capelle.
Ist es unfair, dass sich die jungen Leute so beschränken müssen in einem Alter, in dem es doch auch um Spaß, ums Ausprobieren gehen sollte? Alle drei schütteln den Kopf auf diese Frage. „Es gibt andere, die trifft es viel schlimmer.“ Die Senioren in den Altenheimen zum Beispiel, die kaum oder gar keinen Besuch bekommen dürfen. Unfair ist es also nicht. „Aber schade“, fügt Melina Schüßler an. „Ich würde schon gern mehr weggehen.“ Aber schließlich betrifft die Pandemie alle und die Gesundheit aller habe im Moment nun mal Priorität. „Damit es wieder bergauf geht, muss man eben an anderer Stelle streichen“, so Viola Hanft. Außerdem sei es ja irgendwann mal vorbei mit der Pandemie.
Die Regeln, sie gelten eigentlich für alle. Würden sich auch alle daran halten – Masken tragen, Kontakte reduzieren, auf Reisen verzichten – „dann hätten wir Corona schon im Griff“, ist Leonhard Capelle überzeugt. Dass sich immer noch Leute in der Freizeit in großen Gruppen treffen, dafür haben die drei wenig Verständnis. „Und wenn Leute ihre Maske nicht richtig aufhaben, dann regt mich das richtig auf“, gibt Viola zu. „Weil ich sie schütze, indem ich Maske trage. Aber sie schützen mich nicht“, fügt Melina an. Alle drei suchen in solchen Situationen auch mal das Gespräch.
Corona ist häufig Gesprächsthema
Überhaupt ist Corona häufig Thema, weil es ja auch den Alltag prägt. Derzeit wird oft über das Impfen gesprochen und da gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten bei den Schülern am AKG. „Aber es gibt keine blöden Sprüche von Geimpften zu Ungeimpften oder andersrum“, betont Leonhard Capelle. Nur ab und an, so Melina Schüßler, höre man nebenbei mal „einen blöden Kommentar“ – „aber eher selten.“
Thema sind immer wieder auch die Regeln, die gerade herrschen. Oder besser: dass kaum einer mehr durchblickt, weil sich so vieles so schnell und so oft ändert. Trotzdem wollen die drei jungen Leute nicht einfach der Politik die Schuld zuschieben dafür, dass manches besser laufen könnte oder müsste in der Pandemie. „Für die Politiker ist das ja auch eine komplett neue Situation.“ Ein Verständnis, das manchem Erwachsenem fehlt.