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Kitzingen: Anklage nach Razzia bei Pflegedienst in Kitzingen: Leistungen in Millionenhöhe illegal abgerechnet?

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Anklage nach Razzia bei Pflegedienst in Kitzingen: Leistungen in Millionenhöhe illegal abgerechnet?

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    Sechs Monate nach der Durchsuchung einer Senioren-Wohnanlage in Kitzingen sollen die Betreiber vor Gericht. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat Anklage erhoben.
    Sechs Monate nach der Durchsuchung einer Senioren-Wohnanlage in Kitzingen sollen die Betreiber vor Gericht. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat Anklage erhoben. Foto: Hans Will (Archivbild)

    Der Betrugsverdacht in Millionenhöhe hat sich sechs Monate nach der spektakulären Razzia erhärtet: Ein Pflegedienst in Kitzingen soll mehr als 4,7 Millionen Euro für Leistungen kassiert haben, die gar nicht erbracht worden sind. Gegen die drei Verantwortlichen des ambulanten Dienstes haben die Sonderermittler in Nürnberg jetzt Anklage erhoben, teilte Pressesprecher Matthias Held von der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) am Dienstag mit.

    Anklage: Bandenmäßiger Betrug in über 1000 Fällen

    Die bayernweit tätige Sonderabteilung der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg ermittelte in dem Kitzinger Fall zusammen mit dem Fachkommissariat K3 der Kriminalpolizei Würzburg - wegen Betruges. Strafbar gemacht haben sich laut Anklage ein Ehepaar und sein Sohn wegen bandenmäßigen Betrugs in 1022 Fällen.

    Bei der Razzia im September 2022 hatten die Ermittler auch Seniorinnen und Senioren in völlig vernachlässigtem Gesundheitszustand angetroffen. Die Betroffenen mussten umgehend in andere Einrichtungen verlegt werden. In diesen Fällen ermittelt zusätzlich zu der Nürnberger Behörde die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Körperverletzung gegen die drei Betreiber des Pflegdienstes.

    Alle drei Beschuldigten wegen Fluchtgefahr in U-Haft

    Der 56-jährige Beschuldigte, seine 47 Jahre alte Ehefrau und ihr 26-jähriger Sohn, die den ambulanten Pflegedienst in Würzburg und Kitzingen betrieben hatten, sind wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft.

    Die Ermittler gehen davon aus, dass die Verantwortlichen sich die Bezahlung qualifizierten Personals sparten. Gesetzlich vorgeschrieben gewesen wäre eine fachlich besonders qualifizierte "Verantwortliche Pflegefachkraft". Diese "hat die Aufgabe, die Pflegequalität zu sichern und Pflegemängel durch eine angemessene Organisation und Kontrolle der Pflegeprozesse zu vermeiden", wie Oberstaatsanwalt  Matthias Held erläutert.

    Am qualifizierten Personal gespart und Kassen getäuscht

    Da man sich dies offenbar sparte, soll es in dem Fall möglich gewesen sein, "die Dokumentation der Leistungen nach eigenem Ermessen zu ändern, um nicht erbrachte Leistungen vorzutäuschen und die Qualität der Leistungen des Pflegedienstes auf ein Minimum zu reduzieren", erklärt Held.

    Das Ehepaar soll dies schon seit Jahren unbemerkt getan haben. Ab September 2017 soll sein Sohn als Bürokraft angestellt und zumindest ab Januar 2018 auch an der Organisation des Pflegedienstes und den angeklagten Taten beteiligt gewesen sein. Mit den Erlösen sollen die Angeschuldigten den luxuriösen Lebensunterhalt der Familie bestritten haben.

    Von Pflegekassen über Jahre insgesamt  4,7 Millionen Euro kassiert

    Der Anklagebehörde zufolge sollen die Betreiber im strafrechtlich nicht verjährten Zeitraum Januar 2018 bis September 2022 Leistungen zu Unrecht abgerechnet haben. Die Pflegeleistungen seien mangels verantwortlicher Pflegefachkraft nach den sozialrechtlichen Vorgaben überhaupt nicht abrechenbar gewesen, teilt die Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) mit. Laut Anklage sollen die Beschuldigten "vor allem von der AOK Bayern, aber auch von anderen Kranken- und Pflegekassen Auszahlungen in Höhe von insgesamt knapp 3,5 Millionen Euro unberechtigt erhalten haben".

    Der finanzielle Schaden reicht offenbar darüber hinaus. Schon vor 2018 soll das Ehepaar weitere über 1,2 Millionen Euro unberechtigt erhalten haben. Die vorgeworfenen Fälle sind jedoch verjährt. Doch die ZKG will die Einziehung von 4,7 Millionen Euro im Rahmen der Hauptverhandlung erreichen. Zur Sicherung des Einziehungsbetrags seien bereits Hypotheken in sieben bebaute Grundstücke eingetragen, heißt es in der Mitteilung von Dienstag. Darüber hinaus seien Vermögenswerte von über 1,6 Millionen Euro - ohne die Grundstücke - gesichert worden. "Welcher Betrag durch die Hypotheken erlöst werden kann, ist noch nicht abschätzbar", sagt Oberstaatsanwalt Held.

    Anonyme Informationen in Hinweisgebersystem erhalten

    In Gang gekommen waren die Ermittlungen aufgrund eines anonymen Hinweises im neuartigen webbasierten Hinweisgebersystem der Zentralstelle. Das System sichert Hinweisgebern Anonymität zu durch die technische Möglichkeit, unerkannt als Anzeigeerstatter mit den Strafverfolgern zu kommunizieren. Das ermöglicht eine wesentlich bessere Einschätzung und Bewertung des geschilderten Sachverhalts.

    Im Ermittlungsverfahren räumte die 47-jährige Angeschuldigte den Angaben zufolge den Sachverhalt teilweise ein. Der 56-jährige Ehemann und der 26-jährige Sohn haben sich laut Anklagebehörde zum Tatvorwurf nicht geäußert. Über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss jetzt das Landgericht Nürnberg-Fürth entscheiden, das bayernweit für solche Verfahren zuständig ist.

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