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KITZINGEN: Arbeiten bei 35 Grad und mehr: Manche Berufstätige leiden besonders unter der Hitze

KITZINGEN

Arbeiten bei 35 Grad und mehr: Manche Berufstätige leiden besonders unter der Hitze

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    Schweißtreibend: Torsten schwitzt auch im Schatten, während die Kollegen David, Stan und Johnny bei sengender Hitze Photovoltaik-Module verschrauben. Fotos: Julia Volkamer
    Schweißtreibend: Torsten schwitzt auch im Schatten, während die Kollegen David, Stan und Johnny bei sengender Hitze Photovoltaik-Module verschrauben. Fotos: Julia Volkamer Foto: Julia Volkamer

    35 Grad zeigt das Thermometer an. Oben auf dem Dach kämpfen die Elektriker David, Stan und Johnny gerade mit einem schwarz-glänzenden, lichtreflektierenden Photovoltaik-Modul – und es ist heißer. Viel heißer. So wie bei all den Dachdeckern, Pflasterern und Malern des Landkreises auch. Sie arbeiten in der sengenden Hitze. Warum das, zumindest auf einem Dach in Buchbrunn, trotzdem sein muss, weiß der Arbeitgeber. Und wie Arbeitgeber ihre Leute schützen können, die Gewerkschaft.

    Nicht umsonst warnt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar–Umwelt (IG BAU) mit Sitz in Würzburg „vor Sonnengefahr“. Menschen, die unter freiem Himmel arbeiten, haben ein besonders hohes Risiko, durch Sonne und Hitze im Job krank zu werden. Eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 sowie regelmäßiges Wassertrinken seien ein Muss. „Sonnenmilch und Wasserflasche gehören genauso zum Job wie Mörtel und Maurerkelle“, sagt Michael Groha, Bezirksvorsitzender der IG BAU – und stößt bei Philipp Mellinger da auf offene Ohren.

    Palettenweise Wasser

    Der Elektromeister koordiniert in seinem Betrieb „Reichhard Elektrotechnik“ in Kitzingen die Besetzung der Bauprojekte. Und da geht es momentan vor allem um die Montage von Photovoltaik-Anlagen. Auf Dächern. In der Sonne. Ein Job, den die Firma mit rund 85 Mitarbeitern eigentlich sehr gerne erledigt. Der unter diesen Umständen aber ein echter Knochenjob ist. Darum gibt es für die Monteure nicht nur palettenweise Wasser, das sie sich morgens einpacken können, sondern auch Sonnencreme. „Keiner sollte die hohe UV-Einstrahlung auf die leichte Schulter nehmen. Sie kann zu dauerhaften Schäden auf der Haut bis hin zu Krebs führen“, sagt auch Michael Groha. In der Bau- und Agrarwirtschaft müssten „Draußen-Jobber“ besonders aufpassen. Beide Branchen beschäftigen nach Angaben der Arbeitsagentur allein im Landkreis Kitzingen derzeit rund 2.400 Menschen.

    Vier davon sind aktuell auf einem Dach in Buchbrunn unterwegs – obwohl Philipp Mellinger für einen Trupp in der Regel nur drei Mitarbeiter einteilt. „Im Moment ist es einer mehr, da tun sie sich ein bisschen leichter“, sagt der Vorarbeiter. Neben der Gruppenstärke passt der Betrieb auch die Arbeitszeiten an: Wenn an einem Tag besonders hohe Temperaturen erwartet werden, beginnen die Arbeiten schon in aller Frühe. Torsten und Johnny, Stan und David waren am heißen Donnerstag schon um 6 Uhr im Betrieb, um die Transporter mit dem Material zu beladen und standen eine Dreiviertelstunde später im Garten der Kundin. „Kein Problem“, sagt diese. „Wir haben größtes Verständnis.“

    Dafür wirbt auch Michael Groha. Unternehmen müssten den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der heißen Jahreszeit ernst nehmen: „Selbst wenn das Haus schnell fertig werden soll (...). Die Arbeitgeber sind in der Pflicht, ihr Personal vor Gesundheitsgefahren im Job zu schützen.“

    Für Philipp Mellinger und seinen Betrieb bedeutet das, dass er sein Team um 13 Uhr in den Feierabend schickt. Es ist einfach zu heiß. Torsten ist froh drum, kam er doch am Vortag schon mit einem dicken Schädel nach Hause. Und da war es noch drei, vier Grad kühler. Stan macht die Wärme offensichtlich weniger aus. Nicht nur, dass er für den Nachmittag noch private Arbeiten geplant hat. Er hat das perfekte Rezept gegen den heißen Kopf gefunden: Bei jeder Gelegenheit wird die Kappe mit Wasser getränkt. „Das kühlt“, weiß er. Genauso wie die Tropfen, die auf dem eh schon schweißnassen Shirt gar nicht groß auffallen.

    Oberkörperfrei ist brandgefährlich

    Das muss übrigens auch sein, denn „oben ohne“ geht gar nicht bei dieser Sonneneinstrahlung. „Das Arbeiten mit freiem Oberkörper ist nicht sexy, sondern brandgefährlich“ steht in der Pressemitteilung der IG BAU – was die vier Reichhard-Jungs bestätigen. Es sollten so viele Körperteile wie möglich mit Kleidung bedeckt sein. Der Vorsitzende der IG BAU Mainfranken verweist auf den weißen Hautkrebs, der seit 2015 eine anerkannte Berufskrankheit ist. „Ständige UV-Einstrahlung schädigt die Haut, schon lange bevor sich ein Sonnenbrand bemerkbar macht. Wer einen hellen Hauttyp hat, trägt ein besonders hohes Krebsrisiko“, betont Groha. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) verzeichnete im vergangenen Jahr bundesweit rund 2600 Verdachtsanzeigen für weißen Hautkrebs.

    So weit möchte der Buchbrunner Photovoltaik-Trupp im Moment gar nicht denken – denn es gibt Eis. „Ein guter Meister“, findet die Bauherrin. Auf dem Dach sitzend unterbrechen David, Stan und Johnny die Arbeit, um sich beim Stieleis-Schlecken abzukühlen. Herunterkommen wollen sie nicht – zu anstrengend sei es bei der Wärme, schmunzeln sie.

    Die Pausen seien trotzdem extrem wichtig, erklärt Torsten, der überwiegend unten steht und dafür verantwortlich ist, die fast zwei Quadratmeter großen Photovoltaik-Platten noch oben zu reichen. „Wir gehen so oft es geht in den Schatten und trinken so viel es geht“, erklärt der Elektriker, der seit kurzem zum Betrieb gehört und ihm attestiert, dass sehr gute Arbeitsbedingungen herrschen. „Es ist nicht selbstverständlich, dass man bei solchen Wetterlagen die Arbeit einstellt. Das kenne ich auch ganz anders. In meinem alten Betrieb haben wir durchgearbeitet.“

    Genug Material, wenig Manpower

    Eine Tatsache, die Philipp Mellinger nicht nachvollziehen kann. „Was nützt es dem Betrieb, wenn man die Leute schuften lässt, sie sich aufreiben und am nächsten Tag nicht kommen“, findet er die Vorgehensweise seines Chefs Nicolas Reichhard genau richtig. Überhaupt unterstütze der Betrieb seine Mitarbeiter bestmöglich: mit einer Lkw-Hebebühne, einem Hebekran und – ganz neu – auch mit einem Lastenaufzug, zum Beispiel für Photovoltaik-Module. So können, gerade auch in der Urlaubszeit, Manpower eingespart, die Mitarbeiter schonend eingesetzt und die Termine bei den Bauherren trotzdem bestmöglich eingehalten werden. Die verschieben sich ohnehin immer wieder. Nicht nur, weil die Montagetrupps anders zusammengestellt werden müssen. „Die Nachfrage ist gerade riesig. Wenn derzeit jemand wegen einer Photovoltaikanlage anfragt, dann muss er bis Mitte 2023 warten, bis wir einen Mitabeiter schicken können.“ Materialprobleme gibt es bei Reichhard Elektrotechnik hingegen wenig – da hatte der Chef schon Anfang des Jahres den richtigen Riecher und nutzt seitdem seine Lagerkapazitäten komplett aus.

    Und so müssen Stan, Torsten, David und Johnny zumindest nicht aufs Material warten – eher auf kühlere Temperaturen. Mit dem Hausdach sind sie fertig, fehlt noch das Garagendach. Aber der nächste Tag kommt bestimmt.

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