Der junge Mann, der auf einer der wichtigen West-Ost-Verbindungen des Landkreises den Weg freimachen soll, sitzt an einem eiskalten Januarmorgen im warmen Keller eines flachen Zweckbaus und erzählt aus der grauen Theorie. Wie baut man eine gute Straße? Was macht eine gute Straße aus? Ein schlanker, großgewachsener 22-Jähriger mit leuchtend orangem Outfit und rosaroter Zukunft.
Er wäre jetzt gerne draußen, auf der Baustelle der B22 in Düllstadt, wo an diesem Tag eigentlich wieder die Bagger rollen sollten. Aber zwei Tage vorher ist der Winter über die Region hereingebrochen: Schnee im Januar! Der Verkehr lahmgelegt, die Schulen geschlossen und die Baustelle vorerst stillgelegt. "Winterchaos!", titelten die Zeitungen. Statt einen Helden des Alltags in Action zu erleben, muss man sich Bayerns bestem Straßenbau-Azubi Florian Vetter im Besprechungsraum der Strabag in Schwarzach also über Umwege nähern.
Eine kleine Zahl von Arbeitern für die Größe der Probleme im Land
Im Ortsteil Düllstadt zeigt sich im Kleinen, was viele Autofahrer im ganzen Land täglich wahlweise zur Weißglut oder in den Wahnsinn treibt. Die Ortsdurchfahrt, gleichzeitig Teil der Bundesstraße, ist seit Monaten dicht, großräumige Umleitungen sind die Folge, und das noch vermutlich bis Ende 2023. Deutschlandweit arbeiten laut dem Statistik-Portal Statista 78.900 Menschen daran, den Investitionsstau im Straßenbau aufzulösen, 16.000 mehr als noch vor zwölf Jahren – und doch eine vergleichsweise kleine Zahl für die Größe der Probleme. Marode Straßen, fragile Brücken, holprige Gehwege. Die Wut auf den Staat wegen der jahrzehntelang vernachlässigten Infrastruktur wächst.

Florian Vetter gehört in dieser Geschichte zu den Guten. Er ist Teil der Lösung, einer von 2900 jungen Menschen (ein Prozent ist weiblich), die sich jährlich in Deutschland zum Straßenbauer ausbilden lassen, aber Vetter ist nicht irgendeiner von ihnen. Seit Kurzem darf er sich Bayerns bester Straßenbau-Azubi nennen. Mitte 2019 hatte er seine Ausbildung begonnen, im Sommer 2022 hat er sie vollendet – mit einer standesgemäßen Abschlussprüfung. Sieben Stunden hatte er Zeit, um ein Gehweg-Quadrat mit 2,50 Meter Außenmaß zu pflastern. Bordsteine setzen, Platten verlegen, Naturstein- und Rechteckpflaster einbauen – Vieles von dem, was laut seinem Ausbilder Peter Schösser ein guter Straßenbauer beherrschen sollte.

Fünf Monate später erinnert sich Vetter, ein abgeklärter junger Mann, lächelnd an die damalige Herausforderung: "Man muss sich schon ranhalten und kommt ins Schwitzen." Vier Prüfer schauten genau hin, auf Ebenheit, Fugenbild oder Gefälle – und kamen zu einem klaren Urteil: 99 Punkte trugen sie Vetter für sein Werkstück ein, 99 von 100, ein Ritterschlag. Damit schaffte es der Azubi aus der großen Strabag-Talentschmiede nicht nur zum Kammersieger in Mainfranken, sondern zum Besten seines Faches in ganz Bayern. Bald wird er wissen, ob er es auch auf Bundesebene nach ganz oben geschafft hat.
"Auf der Baustelle hieß es vertrauensvoll: Das machst du jetzt mal alleine."
Florian Vetter, erfolgreicher Auszubildender zum Straßenbauer
Seine Fähigkeiten als Straßenbauer hat Florian Vetter damit eindrucksvoll bewiesen. Er weiß, worauf es ankommt. Also: "Bei einer guten Straße muss vor allem der Untergrund passen, damit sie eben ist und nicht nachgibt. Die Neigung muss passen, damit das Wasser abfließt. Je nachdem, wie gut der Untergrund trägt und verdichtet ist, treten Mängel schon nach kurzer Zeit oder erst später auf." Für Stefan Förster, Mitglied der Geschäftsleitung der Strabag in Schwarzach, bemisst sich die Qualität einer Straße vor allem nach einem Kriterium: ihrer Lebensdauer. "15 Jahre sollte sie schon halten."

Talente wie Florian Vetter können sich viele Unternehmen nur wünschen, sie sind gesucht, nicht nur bei der Strabag. Wie in vielen anderen handwerklichen Berufen fehlen auch im Straßenbau immer mehr Azubis. Die Begeisterung der jungen Menschen sinkt von Jahr zu Jahr. "Wir hätten hier in Schwarzach gerne jedes Jahr drei Lehrlinge", sagt Stefan Förster. "Vor 15 Jahren war das noch kein Problem. Da konnten wir noch auswählen."
15 Jahre – so lange ist es her, dass Florian Vetter zu Hause in Güntersleben immer wieder freudig zu den Nachbarn lief und auf der Baustelle mit anpackte. Die bauten gerade ihr neues Haus, und der damalige Grundschüler fand rasch Gefallen: erst am Bau, später am Straßenbau. Während andere Kinder seines Alters Arzt, Polizist oder Pilot werden wollten, träumte er von Straßenwalzen und Radladern, die er heute routiniert über das weitläufige Gelände seines Arbeitgebers am Ortsrand von Schwarzach steuert.

Nach dem Abitur 2019 entschied er sich deshalb für die Ausbildung zum Straßenbauer. Er landete bei der Strabag, Außenstelle Schwarzach, eine der vielen Niederlassungen des in ganz Europa tätigen Großkonzerns. Drei Jahre dauerte die Ausbildung, auf drei Gleisen – Berufsschule, Bauindustriezentrum, Baustelle – ging es zum Ziel. "Auf der Baustelle war ich von Anfang an in die Arbeit eingebunden. Da hieß es dann vertrauensvoll: Das machst du jetzt mal alleine", erinnert sich Florian Vetter.
Wie geplant begann er im zweiten Ausbildungsjahr den dualen Studiengang zum Bauingenieur an der TH Würzburg-Schweinfurt. Dort steckt er gerade im fünften Semester. "Nach sieben Semestern hat man seinen Bachelor of Engineering." Und dann? "Will ich mal in der Bauleitung arbeiten."

So sehr Stefan Förster aus der Strabag-Geschäftsleitung die Entscheidung Vetters fürs Studium verstehen kann, so sehr bedauert er, dass ihm damit wieder ein großes Talent für die eigentliche Praxis verloren geht. Ein Stratege, der nicht nur mit Muskelkraft und Ausdauer punkten kann. "Entscheidend für die Qualität auf der Baustelle ist, dass einer mitdenkt", sagt Förster. "Das war bei Florian von Anfang an der Fall. Für andere ist die Arbeit auf dem Bau oft nur die Notlösung." Viele junge Menschen, so Förster, wollten heute lieber vor dem Computer sitzen und Videospiele programmieren.

Dabei bietet der Beruf des Straßenbauers gerade in Sachen Digitalisierung viele Möglichkeiten. "Wir sind noch nicht ganz da, wo andere Branchen mit ihren hochtechnisierten Maschinen stehen. Aber klar ist: Wer nicht mit dem Computer umgehen kann, braucht sich heute nicht mehr auf einen modernen Bagger zu setzen." Noch ist das veränderte Berufsbild nicht bei allen angekommen. Förster wünscht sich deshalb einen "Imagewandel" und sagt: "Der Wert des Bauarbeiters muss im Bewusstsein der Leute wieder steigen."
Die Strabag wirbt auch in Schulen und Kindergärten für Nachwuchs
Um dem wachsenden Nachwuchsmangel zu begegnen, begibt sich auch die Strabag auf durchaus ungewöhnliche Pfade. "Wir gehen in die Schulen und sogar schon in Kitas und stellen dort unseren Beruf vor", erzählt Förster. "Die Kinder bekommen einen Helm auf und können den Beruf spielerisch kennenlernen." Das Gefühl von Begeisterung, das bei den Kleinkindern geweckt werden soll, wenn diese auf ihre selbstgebauten Sand- und Legoburgen blicken, lässt sich später auch auf die Azubis im Unternehmen übertragen. "Machst du was, siehst du was – das ist es, was wir den jungen Leuten vermitteln müssen. Die Straße, über die du gerade fährst, hast du selbst gemacht."