Der Musterprozess vor dem Verwaltungsgericht Würzburg erregt Aufsehen, denn das Urteil gibt der Stadt Kitzingen recht, die gegen einen Bescheid des Bergamts Nordbayern, also letztlich des Freistaats, geklagt hatte.
Bergbau endete 1906
Die Vorgeschichte: Am Rande der Kitzinger Altstadt wurde bis 1906 Kalkstein-Bergbau unter Tage betrieben. Alle Ausläufer der damaligen Stollen sind bis heute nicht bekannt. Bei Sanierungsarbeiten an der Bahnstrecke, die durch die Stadt läuft, entdeckte das Bergamt vor wenigen Jahren Bergstollen, die auch Wohnhäuser am Beginn des Hindenburgrings Nord unterhöhlen. Mindestens drei Häuser sind davon betroffen.
Daraufhin erließ das Bergamt Nordbayern 2015 einen Bescheid, der die Stadt aufforderte, die betroffenen Höhlengänge zu erkunden und sie anschließend „hohlraumfrei und kraftschlüssig“ zu verfüllen. Diese aufwändige Sanierungsmethode war im Bereich der ICE-Strecke angewandt worden. Aus Sicht der Stadt wäre das der „Rolls-Royce“ unter den denkbaren Varianten. Übertragen auf die Grundstücke der drei betroffenen Wohnhäuser, rechnet die Stadt mit Kosten von mindestens 900 000 Euro.
Trägt die Stadt die Verantwortung?
Das Bergamt sieht die Stadt in der Verantwortung dafür, dass in dem betroffenen Altstadtbereich überhaupt gebaut worden war. Schließlich habe die Stadt in den 1960er und 1970er Jahren die Baugenehmigungen dafür erteilt, obwohl sie 1950 vom Bergamt darüber informiert worden sein soll, dass dort höchstwahrscheinlich mit Hohlräumen aus dem Bergbau zu rechnen sei. Folglich sei sie in der Pflicht, Menschen und Gebäude vor möglichen Gefahren durch die alten Stollen zu schützen. Das Bergamt hält diese Gefahr für durchaus real, auch wenn in den vergangenen Jahrzehnten keine Probleme aufgetreten sind.
Stadt bekommt recht
Die Stadt Kitzingen wehrte sich gerichtlich gegen den Bescheid. Das Verwaltungsgericht Würzburg gab ihr nun recht und erklärte den Bescheid des Bergamts für rechtswidrig. Das Urteil stützt sich vor allem auf zwei Punkte: Zum einen sah das Gericht die Forderung des Bergamts nach einer hohlraumfreien und kraftschlüssigen Verfüllung als unverhältnismäßig an, sprich als zu aufwändig und zu teuer. Zum anderen rügte die 5. Kammer, dass das Bergamt alternative Sanierungsmöglichkeiten nicht ausreichend geprüft habe.
Wesentliche Fragen bleiben offen
Allerdings lässt das Urteil zwei für die Bewohner der betroffenen Häuser am Hindenburgring Nord wesentliche Fragen offen: Besteht eine konkrete Gefahr für die Bewohner? Und: Wer ist letztlich dafür in Haftung zu nehmen und bezahlt für eine mögliche Sanierung?
Aus Sicht der Hausbesitzer hat die Entdeckung der Stollen nämlich unwägbare Probleme aufgeworfen: Sie haben einst in gutem Glauben gebaut, dort auf sicherem Baugrund zu stehen. Denn von der Stadt gab es weder Hinweise auf mögliche Stollen noch Auflagen für eine besonders abgesicherte Bauweise, wie sie für andere Bereiche der Stadt gelten.
Grundproblem ist nicht gelöst
Wenn nun zwar die Stadt nicht zur Verfüllung der alten Stollen verpflichtet ist, aber dennoch eine Gefahr von ihnen ausgehen sollte, müssten dann die Hausbesitzer zumindest einen Teil der Kosten tragen? Und vor allem: Dürfen die Gebäude weiterhin uneingeschränkt bewohnt werden? Eine weitere Sorge der Hausbesitzer: Auch ein denkbarer Verkauf würde wahrscheinlich zurzeit mangels Kaufinteressenten scheitern. Das eigentliche Problem, dass Wohnhäuser auf unsicherem Grund stehen, ist also noch längst nicht gelöst.
Das bedauert auch die Rechtsdirektorin der Stadt, Susanne Schmöger. Sie hätte sich ebenfalls Klarheit in der Frage gewünscht, wer denn nun für die Sicherung der Stollen zuständig ist und ob tatsächlich eine konkrete Gefahr besteht.
Bergamt ist am Zug
„Es bleibt nur abzuwarten, was das Bergamt nun entscheidet“, sagt dazu eine Hausbesitzerin. Die Behörde selbst hat sich noch nicht zu den Konsequenzen geäußert, will das aber nach Anfrage der Redaktion in den nächsten Tagen tun.