Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dauert nunmehr länger als zwei Jahre an. Ohne westliche Rüstungsgüter wäre die Ukraine wohl nicht in der Lage, sich gegen den Aggressor zu verteidigen. Bereits als die Bundesregierung die ersten Helme lieferte, wurde die Frage debattiert, ob sich Deutschland damit zur Kriegspartei macht. Dieselbe Debatte wird nun um die Taurus-Marschflugkörper geführt.

Dass der Krieg sich auch nach Deutschland ausweitet, halten Militär-Experten eher für unwahrscheinlich. Die Redaktion hat Menschen in Kitzingen gefragt, wie sie über die aktuelle Sicherheitslage denken.
Norbert Degan (71) aus Hohenfeld: Wir müssten schon heute Drohnen bauen

"Ich denke nicht, dass der Krieg zu uns kommt. Allein schon deshalb, weil dann mit der Nato zu viele Staaten involviert wären. Russland hat jetzt schon einen zu großen Materialverlust. Das Grundübel liegt darin: In dem Moment, in dem Russland in die Ukraine einmarschiert ist, hätte die ganze Welt eingreifen müssen. Und zwar deshalb, dass jedes Land auf der Welt weiß: Wenn ich so etwas mache, bekomme ich sofort auf die Mütze.
Aber das traut sich unsere Politik nicht. In Russland gibt es eine vormilitärische Ausbildung. In Russland wissen manche Kinder mehr über Waffen als bei uns manche jungen Soldaten. Wenn wir im Ernstfall wehrhaft sein wollen, müssten wir heute schon anfangen, Drohnen zu bauen. Computer-Krieger haben wir genug."
Anja Falkenberg (59) aus Kitzingen: Wir müssen unseren Partner unterstützen

"Ich habe keine Angst davor, dass der Krieg auch zu uns kommt. Weil ich einfach glaube, dass unsere Politik in Europa so stark aufgestellt ist, dass uns das nicht passieren wird. Die Frage danach, ob man durch Waffenlieferungen bereits Kriegspartei ist, ist schwierig. Die Ukraine gehört zu Europa und ich denke, wir müssen unseren Partner unterstützen.
Ich sehe das aber auch gespalten, weil ich nicht möchte, dass wir dadurch tiefer involviert werden. Ich finde es aber gut, dass Hilfe geleistet wird. Es geht immerhin um die Bevölkerung. Herr Putin ist nicht einschätzbar. Auf jeden Fall hat er nichts Gutes im Sinn. Ob man den Einsatz von Bodentruppen kategorisch ablehnen kann, weiß ich nicht. Dazu ist der Konflikt zu komplex. Außerdem fehlen mir die Hintergrundinformationen, die unsere Politiker hoffentlich haben.
Sollte es in irgendeiner Form bei uns zu Krieg kommen, würde ich mit meiner Familie schauen, dass wir uns auf den Weg zu einem friedlicheren Ort machen."
Lüder Lenz (75) aus Kitzingen: Wladimir Putin ist alles zuzutrauen

"Konkret Angst davor, dass sich der Krieg auf uns ausweitet, habe ich nicht. Ich will aber auch nicht ausschließen, dass es so geschehen kann. Grundsätzlich ist Wladimir Putin alles zuzutrauen. Insbesondere dann, wenn die Nato Bodentruppen in die Ukraine schicken würde. Wenn der Konflikt weiterhin eskaliert und droht, in den Westen zu expandieren, sodass für die Nato der Verteidigungsfall eintritt, dann ist es vonseiten des Bündnisses vorgesehen, auch am Boden aktiv zu werden.
Dass wir durch die Waffenlieferungen schon Kriegspartei sind, sehe ich so nicht. Außerdem behauptet Putin ja selbst, er würde gar keinen Krieg führen."
Anna-Maria Spörlein (66) aus Burgebrach: Waffenlieferungen sind Eigenschutz

"Ich komme aus Burgebrach und biete zweimal im Monat kulturelle Reisen an. Dafür melden sich insbesondere ältere Menschen an. Vor ein bis zwei Jahren waren die Busse ratzfatz voll. Heute sind die Gäste zurückhaltender. Die Leute bleiben lieber zu Hause, damit nichts passiert, während sie unterwegs sind. Man spürt regelrecht die Angst.
Die Frage nach den Taurus-Raketen ist schwierig. Grundsätzlich: Dass die Europäer Waffen in die Ukraine liefern, ist auch ein Stück weit Eigenschutz. Aber das schwächt natürlich auch die Länder. So muss noch mehr Munition produziert werden. Aber wir müssen es versuchen, denn wir wissen nicht, was noch kommen könnte.
Ich habe drei Kinder und zwei Enkelkinder. Wir schauen nach vorne und machen das Beste draus. Wenn es wirklich auch bei uns zum Krieg kommen sollte, können wir das sowieso nicht ändern. Dann müssen wir uns gegenseitig helfen."
Roland Straußberger (66) aus Regensburg: Angst zu machen, ist "in"

"Angst zu machen, ist momentan 'in'. Wenn man im Fernsehen immer nur über die Gaskrise spricht, hat man Angst, dass man im kalten Wohnzimmer sitzen muss. Ich habe definitiv keine. Mit den Waffenlieferungen ziehen wir aber natürlich Putins Aggression auf uns.
Für Schulen und andere Einrichtungen ist kein Geld da, aber mit unseren Steuergeldern wird in der Ukraine die Infrastruktur kaputt geschossen. Dieses Verhalten führt dazu, dass die AfD immer weiter wächst. Putin hat eigentlich kein Interesse daran, Deutschland zu überfallen. Er will maximal die Ukraine.
Meiner Meinung nach ist man aber klar Kriegspartei, wenn man Waffen liefert. Ich habe Wehrdienst gemacht. Aber der kleine Bürger soll am Ende dafür herhalten, dass die Regierung sich am Krieg beteiligt? Ich würde es da nicht einsehen, für das Vaterland zu kämpfen. Ich würde das Land verlassen."
Rolf Wenkheimer (77) aus Etwashausen: Krieg ist allein Putins Hirngespinst

"Ich halte es für ausgeschlossen, dass Putin sich mit der Nato anlegt. Andererseits habe ich auch ausgeschlossen, dass er die Ukraine angreift. In meiner Wohnung hängt eine riesige Weltkarte. Russland ist ein riesiges Reich. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, dass er überhaupt die Ukraine angegriffen hat. Das hat mich vor zwei Jahren völlig verblüfft. Aber er denkt wohl in den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion.
Ich denke, dass er sich das erlaubt, hängt auch damit zusammen, dass sich die EU-Länder untereinander schon nicht einig sind. Wären sie das, so denke ich, hätte Putin das nicht gemacht. Auf die Frage, ob der Krieg nach Putin aufhört: Ich denke, ja. Das ist ein Hirngespinst von ihm alleine.
Ich denke da immer an die Zeiten mit Breschnew, Gorbatschow und Jelzin. Das wird immer alles an einer Person festgemacht, der alle hörig sind. Ob es dann besser wird, wenn sie weg ist? Auf jeden Fall anders. Das ist halt eine Diktatur."