Wer regelmäßig Gast im Iphöfer Zehntkeller war, kam an Heinrich Seufert nicht vorbei. Oft begrüßte einen der distinguierte Herr im Anzug schon am Eingang, und wenn nicht, machte man spätestens auf einem seiner Rundgänge durch die edle Gaststube mit ihm Bekanntschaft. Nie aufdringlich, immer diskret und zurückhaltend ließ sich Seufert kurz an den Tischen seiner Gäste sehen – so, wie man es eben für ein Haus dieser Kategorie erwartet. Der Zehntkeller war und ist das erste Haus am Platz, nicht nur seiner schieren Größe wegen, sondern auch wegen seiner Klasse. Und das wird auch so bleiben, selbst jetzt, da Heinrich Seufert mit 85 Jahren gestorben ist.

Seufert, Jahrgang 1937, empfand es als Glück und großes Geschenk, dass er in einer Zeit ohne Krieg aufwachsen durfte. Er hatte zwar als Kaufmann gelernt, aber das war er erst in zweiter Linie. In erster Linie war er Gastronom und Hotelier mit Leib und Seele – kein Pionier im eigentlichen Sinne, denn das von ihm betriebene Hotel mit Restaurant in der Iphöfer Altstadt lenkte er bereits in dritter Generation. Aber erst Seufert, der Wert auf Umgangsformen und Etikette legte, machte es zu dem, was es heute ist: ein Traditionshaus, das Romantiker und Geschäftsleute gleichermaßen anspricht und verwöhnen will.
Der Zehntkeller gewann unter Seufert immer mehr an Bedeutung
Um den Kern des barocken Haupthauses baute Seufert ein Hotel- und Gastronomie-Reich auf, das im Lauf der Jahrzehnte an Größe und Bedeutung gewann. Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie steckte er noch schnell einige Millionen in ein Tagungs- und Seminarhaus. Dazu hob er auch den anfangs bescheidenen Winzerbetrieb zu einem stattlichen Weingut mit 25 Hektar Rebfläche und Bio-Siegel. Nicht nur Josef Mend, der in drei Jahrzehnten als Bürgermeister Seuferts Weg eng begleitete, verneigt sich im Rückblick vor dessen "großartiger Lebensleistung".
Obwohl Seufert er nie ganz von seinem Lebenswerk lassen konnte oder wollte, hatte er sich früh um eine Nachfolgelösung bemüht. Schon 2005, mit damals 68 Jahren, sprach er von einem baldigen Rückzug aus dem Berufsleben. In Frank Erhard, seinem Schwager, stand ein junger Kronprinz parat, der sich seine Sporen als Geschäftsführer im Zehntkeller bereits verdient hatte. Doch dann kam es zum Bruch zwischen den beiden. Erhard stieg aus dem Projekt aus und suchte sein Glück woanders – ein herber Schlag für Seufert, der nach einer neuen Lösung suchen musste. Sie bestand darin, dass er erst einmal selbst weitermachte.
Mit Kanzler Ludwig Erhard war der Hotelier über einige Ecken verwandt

Bei passender Gelegenheit geißelte Seufert gerne die "Ängstlichkeit" der heutigen Wirtschaft und schwärmte vom "Aufbruchsgeist der 50er-Jahre". Er selbst war das beste Beispiel dafür, ein mutiger und zugleich konservativer Geschäftsmann, der sein Unternehmen als eingetragener Kaufmann führte und damit das volle wirtschaftliche Risiko trug.
Beseelt war Seufert dabei vom Geist Ludwig Erhards, dem Minister für das deutsche Wirtschaftswunder und Kanzler (1963 – 1966). Mit ihm war Seufert über einige Ecken verwandt, und selbst, als Erhard längst Karriere in der Politik gemacht hatte, ließ der sich regelmäßig in der schwarzen Dienstlimousine am Zehntkeller vorfahren, um dort zu speisen. "Ich wünsche dem Zehntkeller", so notierte Erhard im Gästebuch, "dass er immer eine gesunde Wirtschaft bleiben möge."
Das blieb der Zehntkeller, ein kulinarischer Hotspot für Freunde des guten Geschmacks und eine gern genutzte Übernachtungsmöglichkeit – dank Seuferts unternehmerischem Geschick und seiner unermüdlichen Leidenschaft. Noch im vergangenen Sommer streifte er, die Beine schon damals schwer, durch den weitläufigen Hotelkomplex, um die Nähe seiner Gäste zu suchen. Danach wurde es still um ihn. In der Nacht zum Samstag, 21. Januar, ist Heinrich Seufert, der kinderlos war, friedlich zu Hause eingeschlafen. Er hinterlässt seine Frau Gabriele, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war. Als Stammgast wird man ihn vermissen.