Die Corona-Pandemie zehrt an den Nerven, die Mitarbeiter an der Klinik Kitzinger Land sind längst an ihre Grenzen gekommen. Chefarzt Dr. Volker Fackeldey über physische und psychische Belastungen, uneinsichtige Patienten und eine unmoralische Diskussion.
Frage: Wie viele Patienten werden derzeit mit Corona auf der Intensivstation betreut?
Dr. Volker Fackeldey: Aktuell ist ein Covid-19-positiver Patient auf unserer Intensivstation. Anfang letzter Woche waren es noch sechs Patienten. Unsere Intensivstation ist derzeit mit anderen schwer erkrankten Patienten gefüllt.

Was ist der auffallendste Unterschied zu den ersten drei Wellen?
Fackeldey: Der Verlauf auf der Intensivstation ist länger als in früheren Wellen, aber leider auch kritischer. Die Sterblichkeit scheint höher zu liegen, dies ist vermutlich auf die Delta-Variante zurückzuführen.
Wie viele Betroffene können nach der Beatmung wieder entlassen werden?
Fackeldey: Leider versterben aktuell die meisten Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. Einige Patienten, einer deutlich unter 60 Jahren, wurde auch an die Uniklinik an die künstliche Lunge (ECMO) verlegt. Aber leider sind auch diese verstorben.

Wie kommen die Pfleger mit diesen Zahlen und mit der Belastung zurecht?
Fackeldey: Die physische, insbesondere die psychische Belastung hat ihre Grenzen erreicht. Nach fast zwei Jahren Pandemie ist die Situation in den Kliniken schlimmer denn je. Alle Mitarbeiter, vom Pflegedienst über die Ärzte, die Servicekräfte, den Technischen Dienst bis hin zu den Reinigungskräften, sind an der Belastungsgrenze angelangt. Wie in anderen Kliniken frustriert das Sterben auf den Intensivstationen trotz aller aufopfernden Tätigkeit. Und mit einem – oder besser drei – kleinen Piksen hätte all dieses Leid vermieden werden können.
Was ärgert Sie am meisten?
Fackeldey: Ein Punkt, der mich persönlich zunehmend ärgert, ist die teilweise aggressive Beschimpfung unseres Personals von schwer erkrankten Impfverweigerern. Teilweise bis zuletzt wird die Pandemie, die eigene Erkrankung geleugnet und der Frust und Hass ergießt sich dann über unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In diesen Momenten ruhig und professionell zu bleiben und dies auch von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erwarten ist eine zusätzliche, kräftezehrende Herausforderung. Trotz alledem bemühen wir uns alle gemeinsam darum, seit zwei Jahren rund um die Uhr.

Es gibt Menschen, die sagen: Die meisten Todesopfer wären sowieso in Kürze ihren Vorerkrankungen erlegen. Was entgegnen Sie diesen Menschen?
Fackeldey: Man wird irgendwann müde, diesen zynischen, menschenverachtenden Unsinn, diese politisch motivierten Unwahrheiten zu kommentieren. Es sterben junge kerngesunde Mütter, Babys müssen als Halbwaisen aufwachsen. Ein 40- jähriger Patient, der aktuell bei uns liegt, hat keine Vorerkrankungen. Fakt ist, sehr viele auch der älteren Patienten würden ohne diese Pandemie, ohne das Corona-Virus trotz ihrer Vorerkrankungen noch leben. Und es ist eine unsinnige, eine unmoralische Diskussion, ob es Wochen, Monate oder Jahre gewesen wären.

Ihr größter Wunsch an die neue Regierung und den neuen Gesundheitsminister?
Fackeldey: Konsequenz und weniger Kakofonie! Ich wünsche mir Konsequenz im schnellen Handeln und Umsetzen von Beschlüssen. Konsequenz bei den Impfmaßnahmen, dieses logistische Chaos muss ein Ende haben. Weiter wünsche ich mir Konsequenz bei dem Erlassen von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, dem Einführen einer allgemeinen Impfpflicht. Es ist in diesem Jahr so viel wertvolle Zeit verschwendet worden, die uns jetzt fehlt.

Es ist auch unverantwortlich, Maßnahmen ohne Not auszuschließen, ohne die Entwicklung zu kennen. Dazu gehört auch das Gerede vom Freedom Day oder einem möglichen Ende der Pandemie im März nächsten Jahres. Wir haben keine Zeit mehr für ausufernde Diskussionen, Gedankenspiele oder taktische Manöver. Ich wünsche mir Klartext vom neuen Gesundheitsminister und nicht zuletzt auch Konsequenz im Umgang mit medizinisch unbegründeten Impfverweigerern. Wir alle wollen endlich unser Leben und unsere Freiheit zurück.
"Verstorben an und verstorben mit Corona" Diese Bezeichnungen werden seit Beginn der Pandemie immer wieder verwendet. Aber was bedeuten sie eigentlich? Nachgefragt bei Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des Robert Koch-Institutes (RKI) in Berlin: „In unsere Statistik gehen die COVID-19-Todesfälle ein, bei denen ein laborbestätigter Nachweis von SARS-CoV-2 (direkter Erregernachweis) vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind. Das Risiko an COVID-19 zu versterben ist bei Personen, bei denen bestimmte Vorerkrankungen bestehen, höher. Daher ist es in der Praxis häufig schwierig zu entscheiden, inwieweit die SARS-CoV-2-Infektion direkt zum Tode beigetragen hat. Sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind (,gestorben an‘), als auch Personen mit Vorerkrankungen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war (,gestorben mit‘) werden derzeit erfasst. Generell liegt es immer im Ermessen des Gesundheitsamtes, ob ein Fall als verstorben an bzw. mit COVID-19 ans RKI übermittelt wird oder nicht. Bei einem Großteil der an das RKI übermittelten COVID-19-Todesfällen wird ,verstorben an der gemeldeten Krankheit‘ angegeben. Verstorbene, die zu Lebzeiten nicht auf COVID-19 getestet wurden, aber in Verdacht stehen, an COVID-19 verstorben zu sein, können post mortem auf das Virus untersucht werden.“ (lrd)