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LANDKREIS KITZINGEN: Das Praxis-Sterben beginnt

LANDKREIS KITZINGEN

Das Praxis-Sterben beginnt

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    Hauptproblem Arbeitsbedingungen: Hausärzte müssen sich immer mehr mit Dingen beschäftigen, die eigentlich nicht zu einer ärztlichen Tätigkeit gehören. Darin sieht der Volkacher Arzt Dr. Rüdiger Mayer das Hauptproblem, warum junge Ärzte nicht aufs Land wollen.
    Hauptproblem Arbeitsbedingungen: Hausärzte müssen sich immer mehr mit Dingen beschäftigen, die eigentlich nicht zu einer ärztlichen Tätigkeit gehören. Darin sieht der Volkacher Arzt Dr. Rüdiger Mayer das Hauptproblem, warum junge Ärzte nicht aufs Land wollen. Foto: FOTO: Thomas Kienzle/AP

    In naher Zukunft steht er auf der Liste der bedrohten Arten – der Hausarzt. 20 bis 30 der Mediziner im Landkreis Kitzingen werden sich laut Dr. Dietrich Heinemeyer (Nordheim) in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand verabschieden und meist ihre Praxis schließen müssen, weil sich kein Nachfolger findet.

    Die erste Lücke tut sich in Volkach auf, wo Dr. Rüdiger Mayer zum Jahresende das Stethoskop aus der Hand legt. Endgültig. Der Frust sitzt tief bei dem 68-Jährigen. Drei Jahre hat er nach einem Nachfolger für seine Praxis in der Volkacher Altstadt gesucht. Ende November sprang der letzte Interessent ab. Wenig tröstlich für Mayer: „Ihre Praxis war in der engeren Wahl.“

    „Es gibt Patienten, die heulen.“

    Dr. Rüdiger Mayer, der keinen Nachfolger findet

    Beendet ist damit der Glaube des hausärztlichen Internisten an ein Wunder. Mayer hört nach 30 Jahren auf und hat am Tresen des Empfangs ein Infoblatt über seinen Abschied und die Hintergründe ausgelegt. Mit teilweise emotionalen Folgen: „Es gibt Patienten, die heulen.“

    Trennungs-Dramen dieser Art wird es bald etliche geben. Viele Hausärzte sind über 60 und dürften nur in wenigen Fällen auf den medizinischen Sechser mit Zusatzzahl hoffen: einen Nachfolger. Heinemeyer geht davon aus, dass bis zu 30 Ärzte-Ruheständler in den kommenden fünf Jahren auf maximal fünf Nachfolger treffen.

    Das Hausärzte-Aussterben ist für Nichtmediziner nicht einfach zu erklären: „Es liegt weder nur am Geld, noch daran, dass junge Ärzte nicht aufs Land wollen“, schreibt Meyer in seiner Patienten-Info. Hauptproblem seien die Arbeitsbedingungen, vor allem der Kampf mit einer überbordenden Bürokratie.

    „Ich muss mich mit Dingen beschäftigen, die eigentlich nicht zur ärztlichen Tätigkeit gehören“, klagt Dietrich Heinemeyer über den Kampf mit immer mehr Verwaltungskram.

    Im Visier beider Mediziner stehen die Krankenkassen: „Die Kassen-Funktionäre sind unsere Feinde“, betont Mayer. Sie redeten die Hausärzte schlecht und reglementierten das Arzt-Kassen-System allmählich zu Tode. Es gehe immer weniger um Medizin, sondern fast ausschließlich um das Abrechnungs-„Unwesen“. „Wir müssen für immer weniger Geld immer mehr machen“, so der 68-Jährige. Wobei er die Mediziner nicht am Hungertuch knabbern sieht. Was ihn aber nervt: Mehr als die doppelte Zeit, die er in Untersuchungen und Patientengespräche investiere, brauche er inzwischen für die Abrechnungen und Dokumentationen.

    Feindbild Krankenkasse. Das hat auch Heinemeyer. Beispielsweise wegen der Medikamente. Bei denen die Kassen den Ärzten immer mehr vorschrieben, nicht das für den Patienten optimale, sondern das für die Kasse preisgünstigste Präparat zu verschreiben. Entscheide sich der Arzt zu häufig pro Patient, drohten – wie er in einem Schreiben erfuhr – Sanktionen. Probleme mit den Budget-Forderungen der Kassen hat auch Kollege Mayer: Immer häufiger müsse er Leistungen erbringen, „auch wenn sie der Patient nicht braucht.“

    Der Kampf gegen die steigende Papierflut und die Kassen ist nicht der einzige Grund, warum Jungmediziner den Hausarzt-Job scheuen. Laut Heinemeyer verliert Deutschland jährlich rund 1200 Ärzte an die wirtschaftlich interessante Schweiz. Die Industrie hole viele Jungmediziner an Bord und die Kliniken, denen der Nachwuchs allmählich ausgehe, werben schon Studenten mit Stipendien ab, so Heinemeyer. Erschwerend kommt dazu: Nur drei bis fünf Prozent der Studenten an der Uni-Klinik Würzburg wollten Allgemeinmediziner werden – aber nicht auf dem flachen Land.

    Konsequenz für die Zukunft: Wo der Hausarzt verschwindet, werden Heinemeyer zufolge so genannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) die Lücke füllen. Was für Patienten, die bisher einem Arzt ihres Vertrauens ihre Gesundheit – teilweise über Jahrzehnte – anvertrauten, herbe Folgen haben wird: In den „Großmärkten“ der Medizin müssen sie mit dem angestellten Mediziner vorlieb nehmen, der gerade frei ist – und auf den Heinemeyers Bekenntnis wohl nicht mehr passt: „Ich bin mit Leidenschaft Hausarzt.“

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