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Kitzingen: Delikate Schwarzbau-Vorwürfe: Der Kitzinger Immobilienunternehmer und Stadtrat Georg Wittmann wehrt sich

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Delikate Schwarzbau-Vorwürfe: Der Kitzinger Immobilienunternehmer und Stadtrat Georg Wittmann wehrt sich

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    Dach des Anstoßes: Die vier Gauben in zweiter Reihe dieses Hauses am Kitzinger Marktplatz lehnt der Denkmalschutz und nun auch der Stadtrat ab.
    Dach des Anstoßes: Die vier Gauben in zweiter Reihe dieses Hauses am Kitzinger Marktplatz lehnt der Denkmalschutz und nun auch der Stadtrat ab. Foto: Andreas Brachs

    Der Streit schwelt seit mehr als einem Jahr. Regierung und Denkmalpflege sind eingeschaltet, Tausende Euro an Rechtsanwaltskosten sind aufgelaufen; der Stadtrat schreit Zeter und Mordio, die Rede ist von möglicher "Rechtsbeugung" und von rechtswidrigen Beschlüssen; es gibt persönliche Verwerfungen wegen Vorwürfen des Schwarzbaus. Auslöser des Streits: vier Dachgauben, zu besichtigen auf einem Wohn- und Geschäftshaus am Kitzinger Marktplatz. Eigentümer Dirk Wittmann und sein Vater, der bekannte Immobilienunternehmer Georg Wittmann, haben aus dem Objekt in bester Stadtlage wieder ein hochwertiges Denkmal gemacht. Ein Schmuckstück mit kleinem Schönheitsfehler: Das oberste Stockwerk ist weiterhin ein Rohbau. Die Wohnung dort sollte zum Highlight werden. Georg Wittmann sagt gegenüber der Redaktion: "Ich brauche diese Wohnung am allerwenigsten. Ich dachte, ich tue der Stadt etwas Gutes."

    Wittmann hat gebaut, was Kitzingen und andere Städte wünschen

    Hochwertiger und zugleich bezahlbarer Wohnraum, innenstadtnah und möglichst flächensparend – das ist es, was Kommunen sich derzeit auf die Fahnen und in ihre Wohnungsbauprogramme schreiben. Für Georg Wittmann erfüllt die ins Zwielicht geratene Dachgeschosswohnung alle diese Kriterien. Das Problem: Es liegt zwar inzwischen eine Genehmigung vor. Glaubt man aber der Regierung von Unterfranken und der städtischen Rechtsdirektorin Susanne Schmöger, dann kann es dafür keine Genehmigung geben.

    Der Tekturantrag für den Ausbau zu Wohnraum, den Wittmann Ende 2020 eingereicht und den der städtische Bauausschuss im März 2021 mit 8:5 Stimmen durchgewunken hat, sei "nicht genehmigungsfähig". So stellte es Schmöger am Donnerstagabend im Stadtrat dar. Und der Stadtrat tat das aus Schmögers Sicht einzig Vernünftige: Er nahm den Antrag mit der Mehrheit von 15:11 Stimmen zurück.

    Die Geschichte könnte damit zu Ende sein, sie ist es aber nicht, weil sich die Dinge bei genauer Betrachtung eben nicht ganz so klar darstellen, wie es sich mancher wünscht, und weil sich deshalb eine Rekonstruktion lohnt. Diese Geschichte beginnt an einem sonnigen und kalten Novembertag 2020. Über Nacht hat es Frost gegeben, das Dach des Hauses in der Kitzinger Marktstraße 21 ist abgedeckt. Der Architekt Karl-Heinz Schmidt steht mitten im Gebälk und schaut sich um. "Da habe ich erst gesehen, wie groß und wie schön der Raum war", sagt er. Schmidt ruft sofort Georg Wittmann an: "Du musst kommen und dir diesen Ausblick anschauen." So erinnern sich beide an die Sache. Wittmann sagt, er sei zunächst skeptisch gewesen, habe sich dann aber überzeugen lassen, dort, in der zweiten Dachgeschossebene, eine weitere Wohnung einzubauen. Um ausreichend Licht in die Räume zu bringen, brauchte es vier Gauben.

    Der Bauamtsleiter signalisiert Wittmann mündlich Zustimmung

    Die beiden nehmen Kontakt zu Bauamtsleiter Oliver Graumann auf. Der ist kurz darauf da, ebenso Bürgermeisterin Astrid Glos. Graumann signalisiert, dass es mit dem Ausbau etwas werden könnte. Diese Darstellung wird von der Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Stefan Güntner (CSU) nicht bestritten. Wie weit sich Graumann in diesem Gespräch tatsächlich aus dem Fenster gelehnt hat, ist im Nachhinein kaum zu klären. Wittmann und sein Architekt erinnern sich so: "Er hat gesagt, wir dürften beginnen." Das wird seitens des Rathauses bestritten. Es habe lediglich die Aussage gegeben, man könne sich „eine Nutzung vorstellen“, so der OB.

    Dabei wies Graumann auch auf den Umstand hin, dass Wittmann einen Plan einreichen müsse, der wiederum genehmigt werden müsse. Diesen Plan, im Fachjargon Tektur genannt, legt Wittmann am 2. Dezember 2020 vor. Gleichzeitig baut er die vier Gauben ein, um das Dach winterfest zu bekommen und im Frühjahr nicht erneut aufreißen zu müssen. Am 21. Dezember verhängt die Stadt einen Baustopp.

    Für Wittmann zählt das Wort mehr als ein Stück Papier

    Wer Wittmann länger kennt, weiß, dass für ihn im Zweifel das Wort mehr zählt als ein Stück Papier. Darauf hat er in diesem Fall vertraut. Selbstkritisch sagt er jedoch auch: "Ich weiß, dass ich etwas Schriftliches gebraucht hätte." Im März 2021 stimmt der Bau- und Umweltausschuss des Stadtrats dem Vorhaben zu. Alles gut also? Mitnichten. Denn inzwischen ist der Denkmalschutz alarmiert – und hat sich klar positioniert. Der Antrag sei "strikt abzulehnen und die Gauben unverzüglich zurückzubauen". So steht es in einer Verwaltungsvorlage für den Stadtrat. Begründet wird die Ablehnung unter anderem damit, dass Ausbauten in der zweiten Dachgeschossebene "in Kitzingen historisch nicht verbürgt" seien.

    Eine historische Aufnahme des alten Kitzinger Krankenhauses zeigt deutlich die Gauben in der zweiten Dachgeschossebene.
    Eine historische Aufnahme des alten Kitzinger Krankenhauses zeigt deutlich die Gauben in der zweiten Dachgeschossebene. Foto: Repro Stadtarchiv Kitzingen

    Kann das sein? Wer sich historische Aufnahmen des alten Krankenhauses anschaut, entdeckt auf den Fotos Erstaunliches: Gauben in der zweiten Dachgeschossebene. Eine Aufnahme des Kitzinger Marktplatzes, datiert auf 1923, zeigt direkt neben dem von Wittmann renovierten Gebäude ein Haus – mit Gauben in der zweiten Dachgeschossebene. Und auf einem Foto des Königsplatzes mit Blick in die Kaiserstraße, mutmaßlich aufgenommen 1908, erkennt man auf zwei großen Gebäuden Gauben in der zweiten Dachgeschossebene. Architekt Schmidt sagt: "Ich könnte mindestens 15 Gebäude in der Innenstadt nennen, auf denen es Gauben in der zweiten Ebene gibt, sogar denkmalgeschützte."

    Die städtische Gestaltungssatzung kennt durchaus Befreiungen

    Die städtische Gestaltungssatzung für die Altstadt legt zwar fest, dass Dachgauben "grundsätzlich nur in der ersten Dachgeschossebene eingebaut werden dürfen". Grundsätzlich bedeutet aber: Eine Befreiung ist möglich, und zwar in begründeten Fällen. Seitens der Verwaltung heißt es zu Wittmanns Antrag in bestem Amtsdeutsch: "Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Begründung nicht in dem Maß gelingt, dass von einer Befreiung auszugehen ist."

    In einer unter Verschluss gehaltenen, mehr als 30-seitigen Stellungnahme kommt auch die Regierung von Unterfranken – offenbar auf Grundlage von Aussagen des Denkmalamts – zu der Erkenntnis, dass Wittmanns Tektur rechtswidrig und deshalb abzulehnen sei. Das empfiehlt im März 2021 auch die SPD-Stadtratsfraktion mit ihrem Antrag auf "Nachprüfung", der mehr als ein Jahr später auf den Tisch kommt.

    Auch dieses mutmaßlich 1908 aufgenommene Foto vom Kitzinger Königsplatz zeigt auf den Gebäuden links und rechts Gauben in zweiter Ebene.
    Auch dieses mutmaßlich 1908 aufgenommene Foto vom Kitzinger Königsplatz zeigt auf den Gebäuden links und rechts Gauben in zweiter Ebene. Foto: Privat

    In der jüngsten Sitzung geht es noch einmal hoch her. Eine Stunde lang diskutiert der Stadtrat nichtöffentlich, Georg und Dirk Wittmann sind wegen persönlicher Beteiligung ausgeschlossen. Schließlich werden öffentlich Moral- und Rechtspositionen ausgetauscht. Stimme der Stadtrat der Tektur zu, so Jens Pauluhn (ÖDP), "hebeln wir in diesem Fall das Recht aus". Manfred Paul (SPD) sagt: "Auch wir wollen Wohnraum schaffen, aber dort wo es sinnvoll und rechtlich möglich ist." Astrid Glos, die seinerzeit beim Ortstermin mit Wittmann und Graumann dabei war, schweigt. Unterstützung erhält Wittmann von Alt-OB Siegfried Müller (UsW), Klaus Christof (KIK) und Uwe Pfeiffle (FW-FBW). Christof verlangt eine lückenlose Aufarbeitung des Vorgangs. Von Müller kommt der Hinweis: "Es wird immer so hingestellt, als habe der Bauherr das Bauamt nicht eingeschaltet. Er hat das Bauamt hinzugezogen und mündlich angefragt."

    Den Vorwurfs des Schwarzbauens weist Wittmann vehement zurück

    Wittmann wehrt sich deshalb auch vehement gegen den Vorwurf, "schwarz" gebaut zu haben. Das, so springt ihm Architekt Schmidt bei, setze voraus, vorsätzlich gehandelt zu haben – mit dem Ziel, die Baubehörde zu täuschen. Für Wittmann ist noch nicht klar, ob er Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen werde. Wenn er sieht, was ihn die Sache jetzt schon gekostet hat – Zeit, Geld und Nerven –, dann sagt er: "Ich habe am Marktplatz mehr als eine Million Euro in eine hochwertige Sanierung gesteckt. Mit dem Geld hätte ich in den Marshall Heights einen ganzen Wohnblock herrichten können."

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