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Volkach: Demenz: Wenn das Essen mit Messer und Gabel zur Herausforderung wird

Volkach

Demenz: Wenn das Essen mit Messer und Gabel zur Herausforderung wird

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    Helga Vierrether, Einrichtungsleitung des ASB-Seniorenzentrums, präsentierte einen mobilen Wagen, der vor allem bei bettlägerige Menschen mit Demenz zum Einsatz kommt. Mit den Gegenständen können alle Sinne angesprochen werden.
    Helga Vierrether, Einrichtungsleitung des ASB-Seniorenzentrums, präsentierte einen mobilen Wagen, der vor allem bei bettlägerige Menschen mit Demenz zum Einsatz kommt. Mit den Gegenständen können alle Sinne angesprochen werden. Foto: Martina Geerdes

    "Es ist Winter. Erna gefallen die Sandalen gut. Sie will sie anziehen. Früher hat sie viel Wert daraufgelegt, gut auszusehen. Jetzt vergisst sie nicht selten, sich morgens überhaupt anzuziehen. Erna hat auch Schwierigkeiten, beim Anziehen alles richtig zu machen. Sie streift die Hosenbeine über die Arme, und dann passt es irgendwie nicht. Ganz besonders schwer fällt es ihr, den Haushaltskittel zuzuknöpfen. Die Gelenke tun ihr weh und die Finger sind manchmal taub."

    So beginnt der Tag von Erna Müller, deren Geschichte und ihre Probleme im Alltag die Besucherinnen und Besucher am Samstag in einem Demenzparcours im Seniorenzentrum des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) in Volkach nachempfinden konnten. Station eins startet mit dem Thema "Ankleiden". Nachdem ich den einleitenden Text gelesen habe, soll ich mit Arbeitshandschuhen bekleidet versuchen, eine Kittelschürze anziehen und zuknöpfen. Durch die Handschuhe fehlt jedoch das gewohnte Gefühl in den Fingern. Es ist sehr mühsam, die kleinen Knöpfe zu schließen.

    Einfache, alltägliche Handlungen gelingen nicht mehr

    Der Demenzparcours umfasst 13 Stationen. An jeder Station liegen Anleitungsmappen, die verschiedene Alltagssituationen vorstellen und wie diese nachempfunden werden können. Zum Abschluss jeder Situation ist eine kurze Information zur Einschätzung und zur Symptomatik einer Demenz beschrieben.

    Die Abfolge von alltäglichen Vorgängen stellt Menschen mit Demenz vor eine Herausforderung. An dieser Station versuchte die 84-jährige Besucherin Jutta P. (rechts) anhand von zahlreichen Bildern den Frühstückstisch detailgenau zu decken. Unterstützt wurde sie von Gerontofachkraft Gudrun Grasshoss.
    Die Abfolge von alltäglichen Vorgängen stellt Menschen mit Demenz vor eine Herausforderung. An dieser Station versuchte die 84-jährige Besucherin Jutta P. (rechts) anhand von zahlreichen Bildern den Frühstückstisch detailgenau zu decken. Unterstützt wurde sie von Gerontofachkraft Gudrun Grasshoss. Foto: Martina Geerdes

    "Einfache, alltägliche Handlungen wie einkaufen oder die Straße überqueren gelingen nicht mehr," erklärt Helga Vierrether, Einrichtungsleitung des ASB-Seniorenzentrums. "Mit dem Demenzparcours wollten wir vor allem Angehörigen die Möglichkeit geben, durch das Erleben der eigenen intensiven Emotion die Symptome einer Demenz besser zu verstehen und damit auch mehr Empathie für die Betroffenen zu entwickeln."

    Alltagssituation Mittagessen: Erna möchte kochen. Sie hat vergessen, dass sie Essen auf Rädern bekommt. Es klingelt. Der junge Mann, der ihr täglich das Essen bringt, ist ein Fremder für sie. Er stellt das Essen auf den Tisch und legt ihr noch Besteck dazu.

    Ständiges Scheitern führt zu Frust

    Vor mir steht ein Aufsteller mit einem Spiegel. Darin sehe ich aufgezeichnete Teller. Mit Messer und Gabel soll ich bunte Papierkugeln nach einer bestimmten Vorgabe auf die Teller verteilen. Obwohl ich weiß, dass ich alles spiegelbildlich sehe, rutschen mir die Papierkugeln ständig von der Gabel und landen, wenn überhaupt nur zufällig auf einem der Teller. Ich habe Koordinationsschwierigkeiten. "Das gibt es doch nicht!", denke ich genervt.

    "Neben dem Nachlassen der geistigen Fähigkeiten kann es auch zu einer Veränderung von Sozialverhalten, Antrieb oder Stimmung kommen. Insbesondere der schleichende Verlust der eigenen Persönlichkeit ist für die Erkrankten schwer zu ertragen und geht mit viel Wut, Frust und auch Hoffnungslosigkeit einher", erläutert Barbara Johannsen, Wohnbereichsleitung dem ASB-Seniorenzentrums.

    Mittlerweile habe ich den Parcours fast geschafft. Mit jeder Station merke ich, wie meine Motivation abnimmt. Es ärgert mich zunehmend, dass ich trotz Anstrengung die Aufgaben nicht gut hinbekomme. Nachdem ich auch beim spiegelbildlichen Einzeichnen von Verkehrsschildern sowie dem Einprägen von Preislisten scheitere, breche ich ab.

    Eine Fülle negativer Gefühle

    Besonders nachdenklich machen mich mittlerweile die beschriebenen Reaktionen von Ernas Kindern. "Mama, das geht doch ganz einfach!", "Mama, du musst gut aufpassen, wenn du über die Straße gehst!" oder "Mama, Essen auf Rädern schmeckt gut. Du musst alles aufessen. Das ist doch kein Problem!". Es macht mich betroffen und ich frage mich, was ich wohl sagen würde. Eine Antwort liefert der Parcours zwar nicht, aber er gibt mir eine gute Vorstellung, was im Kopf eines dementen Menschen vor sich geht und vor allem wie herausfordernd es ist, täglich mit einer Fülle negativer Gefühle klar zu kommen.

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