15.600.000 Ergebnisse – aber keines, das wirklich weiterhilft: Wer "Trauerkreis für Männer" in die Internet-Suchmaschine eintippt, findet tiefgründige Texte, anrührende Bilder und den Satz "Männer trauern anders". Und jetzt?, dachte sich Guido Chuleck. "Es gibt keinen Trauerkreis speziell für Männer", sagt der Volkacher. "Trauern ist weiblich." Und die Männer?
Die können sich ab September einem besonderen Trauerkreis anschließen: Zusammen mit Klaus Nussbaum und Burkhard Häfner lädt Guido Chuleck am 23. September zu einer Wanderung an der Mainschleife ein, zu Gesprächen oder zum Zuhören, zum Treffen mit Gleichgesinnten, die einen Verlust erlitten haben und deshalb trauern. "Wir geben nicht vor, was an diesem Vormittag passiert", sagt Nussbaum. "Wir sind nur Begleiter."
Drei Geschichten, drei Mal Trauer
Begleiter, die sich nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung bei den Maltesern mit Hospiz und Trauer beschäftigt haben. Jeder hat seine ganz eigene Geschichte. Burkhard Häfner hat Biologie und Biochemie in Deutschland und England studiert, am Krebs-Forschungsinstitut in Glasgow promoviert und war lange Jahre in Belgien in der Krebsforschung tätig. Dort suchte er nach Wirkstoffen, die der Krankheit Einhalt gebieten – bis sie ihn selbst erwischte.
"Das belgische Gesundheitssystem hat mir damals das Leben gerettet", sagt der 58-Jährige heute, obwohl ihm nach dem Wiedereinstieg in den Beruf Zweifel kamen. Die Sinnkrise gipfelte in einem Burnout, den er hinter sich ließ. Nicht aber die Zweifel. Auf der Suche nach Krebsmedikamenten gehe es vornehmlich um den Profit. Mit dem Motto "Kleiner Nutzen, großer Preis" wollte, konnte und durfte der Molekularbiologe letztlich nicht mehr mitgehen.
Jobverlust und die Trauer um die Mutter
2015 ereilte ihn der Ruf seiner Mutter: Krebs. Wie auch schon beim Vater, der 1991 Opfer der Krankheit wurde. Die Entscheidung, zurückzugehen nach Wörth am Main und die Mutter zu pflegen, war nur folgerichtig: Sein Arbeitgeber teilte ihm nach 18 Jahren die Kündigung mit. Und nach dem Tod seiner Mutter schien die Trauer ihn zu übermannen: Nicht nur, dass er sein zweites Elternteil verloren hatte. Der Jobverlust wirkte auch noch nach.
Heute hat Burkhard Häfner seine Erfüllung im Bereich der Trauer- und Hospizarbeit gefunden. Er ist überzeugt davon, dass viele Männer in ihrer Trauer Unterstützung brauchen – und dabei sei es egal, um wen oder was sie trauern. "Es muss nicht immer ein geliebter Mensch sein", spricht er aus eigener Erfahrung. Ein tierischer Gefährte, der Job, die eigenen Fähigkeiten, ein Körperteil – es gebe viele Dinge, von denen Mann sich verabschieden muss. "Das will alles verarbeitet sein."
"Der Weg aus der Trauer führt durch die Trauer."
Burkhard Häfner, Trauerbegleiter
Guido Chuleck hat seinen Schmerz inzwischen auch verarbeitet – wobei er lange im Verborgenen lag. Er ist nicht nur Redakteur und Erzieher, sondern zusätzlich systemischer Therapeut und beschäftigt sich mit Familienaufstellungen. Auch mit seiner eigenen. Der 62-Jährige ist davon überzeugt, dass Verstorbene nicht weg sind, sondern "immer um uns herum". "Unsere Sterbekultur sieht das nicht vor. Dabei braucht jeder Gestorbene seinen Platz."
Er selbst hat schon früh in der Beziehung mit seiner jetzigen Ehefrau ein ungeborenes Kind verloren. Das hat ihn beschäftigt. Heute ist Chuleck Vater zweier erwachsener Kinder. Sein drittes hat er nahe bei sich, in Gestalt eines Magnolienbaumes, den er in seinem Garten gepflanzt hat. "Das ist nicht für jeden die Lösung. Aber es kann eine Anregung sein."
Nach der Trauer eigene Erfahrungen weitergeben
Das ist es auch, was die drei Männer ihren zukünftigen Mitwanderern an die Hand geben möchten: Anregungen. "Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen", weiß Klaus Nussbaum. Sein fünftes Kind kam mit einer offenen Schädeldecke zur Welt. Die Nachricht, dass das passieren könnte, erhielt das Ehepaar im fünften Schwangerschaftsmonat.

"Ich war in Frankfurt auf Messe und fuhr sofort nach Hause", erzählt der 60-Jährige – erinnern kann er sich an diese Fahrt nach Trossenfurt in die Hassberge nicht mehr. An die wenigen Stunden, die er nach der Geburt mit seinem jüngsten Sohn Andreas verbringen konnte, hingegen schon. Und an die Zeit danach. "Ich habe mich in meine Arbeit gestürzt, war stark für meine Frau, meine Kinder. An mich selbst habe ich als Letztes gedacht."
Irgendwann holte ihn die Trauer ein, traf ihn mit voller Wucht. "Das wünsche ich niemandem", sagt der Papieringenieur heute und hat zusammen mit seiner Frau eine Selbsthilfegruppe für "Sternenkinder" gegründet.
"Der Weg aus der Trauer führt durch die Trauer", weiß auch Burkhard Häfner und macht deutlich, warum die drei Initiatoren des Trauerkreises für Männer dieses Angebot für so wichtig halten. "Wir wandern nicht, um von der Trauer abzulenken", erklärt Guido Chuleck.
"Männer sind handlungsorientiert. Sie wollen nicht nur sprechen, und wenn, dann fällt es ihnen oft leichter, wenn der Gesprächspartner ein relativ Fremder ist. Vor allem aber wollen sie etwas tun; sie wollen aktiv sein." Die Wanderung sieht er als Startschuss für einen ausschließlich männlichen Trauerkreis. Oder mehrere Kreise. Oder was immer sich daraus entwickelt. Man kann es noch nicht absehen. Denn Männer trauern anders.
Trauern und WandernTreffpunkt zur Wanderung ist am Samstag, 23. September, um 11 Uhr an der Mainschleifenhalle. Von dort läuft die Männer-Gruppe über Obervolkach nach Krautheim, wo sie um 13 Uhr zur Brauereiführung mit Umtrunk erwartet wird. Danach geht es zurück nach Volkach. Dort besteht die Möglichkeit zur Einkehr.Anmelden kann man sich bei Koordinatorin Heike Heller unter Tel. (0931) 4 50 52 27 oder per Mail an heike.heller@malteser.orgQuelle: ljr