Das Handwerk schlägt schon länger Alarm, der Industrie und dem öffentlichen Dienst geht es noch etwas besser. Fakt aber ist: Vielen Unternehmen in Deutschland fehlt es neben Fachkräften auch an Nachwuchs. Und so bleiben immer mehr Ausbildungsstellen unbesetzt. "Die Ausbildungssituation spitzt sich zu Ungunsten der Betriebe immer stärker zu", erklärte kürzlich der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. "Noch vor wenigen Jahren mussten junge Menschen sich bei den Unternehmen anstellen, um einen Ausbildungsplatz zu finden." Inzwischen müssten sich die Betriebe ins Zeug legen, um junge Leute zu umwerben. Wie machen sie das?
1. Landratsamt Kitzingen: Jobgarantie und Abschlussprämie

Die Zeitenwende auf dem Arbeitsmarkt kann das Landratsamt an Zahlen festmachen. "Nach unserer Statistik aus dem Bewerbermanagementverfahren hatten wir 2018 auf fünf Ausschreibungsverfahren 96 Bewerbungen. 2022 erreichten uns auf vier Ausschreibungen insgesamt 33 Bewerbungen", teilt die Kitzinger Behörde mit. Das ist das eine.
Das andere ist, was Abteilungsleiter Matthias Will kürzlich vor dem Wirtschaftsausschuss des Kreistags so darstellte: "Es gibt immer weniger Leute, die lange bei uns sind. Und mit ‚lange‘ meine ich inzwischen fünf Jahre." Landrätin Tamara Bischof beschrieb in derselben Sitzung das Dilemma: "In anderen Behörden bekomme ich, auch ohne Führungsposition, eine Besoldungsstufe mehr."

Was tut das Landratsamt also, um mit dem Image als Hort dröger Bürokratie aufzuräumen und sich bei jungen Leuten attraktiv zu machen? Die Behörde nennt: flexible Arbeitszeiten, kostenlose Angestelltenparkplätze, betriebliche Gesundheitsmanagement, Übernahmegarantie nach bestandener Ausbildung, Sonderzahlung, Abschlussprämie und jährlicher Lernmittelzuschuss, zum Teil Notebook oder Tablet.
2. Elektro Reichhard: Tutoren und Tankzuschuss

Den Betrieb gibt es seit 1965, inzwischen in dritter Generation. Aber unter Nicolas Reichhard, der ihn im Frühjahr 2022 vom Vater übernahm, hat er sich noch einmal neu erfunden und präsentiert sich als junges, modernes Unternehmen im Kitzinger Technologiepark ConneKT. Der Imagewandel liegt sicherlich auch daran, dass Reichhard mit dem Boom in der Solar- und Photovoltaikbranche viel Sonnenlicht abbekommen hat und seither von den erneuerbaren Energien elektrisiert ist.
Das Unternehmen beschäftigt derzeit gut 90 Mitarbeiter, darunter 15 Lehrlinge. Unbesetzte Ausbildungsstellen gibt es nicht, doch die Probleme des Handwerks sind auch bei Reichhard zu spüren. "Es bewerben sich weniger. Und: Die Qualität der Auszubildenden hat sich verändert", heißt es auf Nachfrage. Worauf Azubis bei ihm sich freuen können? Auf ein Tutorensystem mit Lehrwerkstatt, hochwertige Arbeitskleidung und -materialien. Und: "Es gibt einen Zuschuss zum Tanken."
3. Kräuter Mix: Inflationsbonus und spezielle Azubi-Projekte

Von den Düften des Tee- und Gewürzfabrikanten lassen sich derzeit rund 30 Auszubildende und duale Studenten, verteilt über drei Jahrgänge, betören. Allein im September 2023 wurden 13 Nachwuchskräfte eingestellt, so viele wie noch nie. Binnen zehn Jahren habe man die Ausbildungsplätze fast verdoppelt, heißt es auf Anfrage. Kräuter Mix folgt damit einer klaren Strategie: immer so viele Azubis einzustellen, wie es die Personalplanung der Zukunft erfordert.
Doch woher nehmen, wenn der Markt leergefegt und die Konkurrenz ist? Auch bei Kräuter Mix weiß man, dass es längst nicht mehr genügt, die Stellen auf gängigen Jobportalen oder der firmeneigenen Homepage zu bewerben – und so besucht das Unternehmen regelmäßig Ausbildungsmessen, Veranstaltungen in Schulen und macht Praktikumsangebote.
Der Aufwand zahlt sich aus: Alle Ausbildungsstellen sind aktuell besetzt, und möglichst alle Lehrlinge sollen nach erfolgreichem Abschluss übernommen werden – nur eines der Versprechen an die jungen Leute. Als weitere Anreize nennt das Abtswinder Familienunternehmen: individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten, spezielle Azubi-Workshops und -Projekte, Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie eine monatliche Inflationsprämie (noch bis Ende 2023), eine vom Arbeitgeber finanzierte betriebliche Altersvorsorge und einen Fahrtkostenzuschuss für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.
4. Stadt Kitzingen: Moderne Werte und Versprechen bei guter Leistung

Urban, mediterran und doch ganz fränkisch – so wirbt die Große Kreisstadt derzeit auf ihrer Homepage um Arbeitskräfte. Jährlich werden im Rathaus vier bis sechs Auszubildende eingestellt, nicht nur für die klassische Laufbahn zum Verwaltungsangestellten, sondern auch als Landschaftsgärtner, Straßenwärter oder Fachinformatiker. 16 Azubis sind es derzeit insgesamt. Offene Ausbildungsstellen gibt es nicht, Engpässe schon. Denn auch die Stadt muss seit Jahren einen spürbaren Rückgang an Bewerberinnen und Bewerbern hinnehmen, wie es auf Anfrage aus dem Rathaus heißt.
Längst hat der Kampf ums Personal auch den öffentlichen Dienst erreicht. Was die Stadt Kitzingen dem Nachwuchs nach eigenen Angaben bieten kann: eine moderne Arbeitskultur und Werte, die im Unternehmen gelebt werden, flexibel gestaltbare Arbeitszeit sowie hohe Übernahmechancen bei stimmiger Leistung. Der Verdienst liegt im ersten Ausbildungsjahr in den Angestelltenberufen bei 1068 Euro, im zweiten bei 1118 Euro und im dritten bei 1164 Euro.
5. Knauf: Gutscheine und maßgeschneiderte Weiterbildung

Der Name Knauf genießt bei jungen Leuten noch immer einen ausgezeichneten Ruf, und so gelingt es dem Unternehmen mit Weltgeltung weiterhin, seinen Ausbildungsbedarf zu decken, wie es auf Anfrage heißt. Nur einige wenige Plätze waren zum Ausbildungsstart im September 2023 unbesetzt. Dennoch spürt auch Knauf in den letzten Jahren eine Veränderung im Markt. "Wir nehmen wahr, dass die Anzahl der Bewerbungen zurückgeht. Die Tendenz, ein Studium zu beginnen, ist für uns klar zu erkennen." Und noch etwas lässt sich beobachten: "Im Bereich Ausbildung herrscht heute in weiten Teilen ein Bewerbermarkt. Im gewerblichen Bereich ist dieses Phänomen noch stärkerer zu spüren als im kaufmännischen Bereich."
77 Auszubildende beschäftigt der Baustoffkonzern derzeit an den Standorten Iphofen und Markt Einersheim, hinzu kommen 15 dual Studierende. Jährlich werden 25 bis 30 Azubis sowie duale Studenten eingestellt. Nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung verspricht Knauf ihnen "ausgezeichnete Übernahmechancen und gute Entwicklungsmöglichkeiten in einem stabilen Familienunternehmen", eine maßgeschneiderte Weiterbildung mit Sprachkursen, Schulungen und Seminaren, betriebliches Gesundheitsmanagement, Kantine mit günstigen Angeboten, Gutscheine und Vergünstigungen bei bekannten Marken sowie eine attraktive Vergütung mit Weihnachts- und Urlaubsgeld.

6. Rank: 1500 Euro für einen Maurerlehrling im dritten Jahr

In dritter Generation plant und baut das Kitzinger Unternehmen Industriehallen, Wohnhäuser, Abwasserkanäle oder Parkplätze, ein Heer von Lehrlingen hat der Betrieb seit Gründung 1934 ausgebildet, und auch jetzt beschäftigt man drei Azubis, die gerade ihre Lehre abschließen und "natürlich von uns übernommen werden", wie Geschäftsführer Thomas Rank mitteilt.
Auch er würde "gerne mehr junge Menschen für einen Handwerksberuf begeistern". Lange sei die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in der Baubranche stabil gewesen. Erst durch Corona habe sich die Situation "stark verändert", und das nicht zum Positiven. Viele der einst am Bau Beschäftigten ziehe es mittlerweile in die Büros.
Rank stellt derzeit ein bis zwei Lehrlinge im Jahr ein und wirbt mit einer "breiten und fundierten Ausbildung" sowie einer "sehr guten Vergütung". So verdiene ein Maurerlehrling bei Rank im dritten Lehrjahr knapp 1500 Euro brutto.
7. Lindner: eigener Firmenwagen und kostenlose Nutzung von Ferienhäusern

Beim Baustoffkonzern Lindner in Dettelbach lernen derzeit 14 junge Leute in sieben Ausbildungsberufen. Die Azubi-Stellen als Baustoffprüfer Mörtel und Betontechnik und als Technischer Systemplaner konnten in diesem Jahr allerdings nicht besetzt werden – inzwischen keine Seltenheit mehr. "Da der Ausbildungsmarkt scheinbar grenzenlose Möglichkeiten bietet, haben die jungen Menschen die Qual der Wahl, und es wird schwieriger, den zu einem selbst passenden Ausbildungsberuf zu finden", heißt es auf Nachfrage bei Lindner. Die Folgen dieser Entwicklung: "Die Menge der Bewerbungen ist sehr stark rückläufig, und der Zeitpunkt des Bewerbungseingangs hat sich nach hinten verschoben."
Doch das familiengeführte Unternehmen mit Hauptsitz in Niederbayern, bei dem sich neben dem Bauen auch einiges ums Brauen dreht, das sein eigenes Bier herstellt, Bio-Landwirtschaft und eine Hotelkette betreibt, dieser Multi-Konzern also kann gegenüber dem Nachwuchs mit ein paar unschlagbaren Argumenten punkten. So bietet er nicht nur flexible Arbeitszeiten, umfangreiche Schulungen und Weiterbildungen und eine betriebliche Altersvorsorge, sondern auch eigene Firmenwagen (kurz nach der Ausbildung), E-Bike-Leasing und sogar die kostenlose Nutzung der Lindner-Ferienhäuser in ganz Europa.