Das Verwunderliche an der Meldung über das Schlappmaul 2010 war gar nicht so sehr, dass es Marcel Reif trifft. Viel eher stutzig machte die Altersangabe: Der Mann ist inzwischen auch schon 60.
Vielleicht lag der kleine Schreck auch daran, dass das 26. Kitzinger Schlappmaul die vergangenen Jahre von der Bildfläche verschwunden war. Zumindest für jene, die sich nicht den Pay-TV-Anbieter Sky (vormals Premiere) leisten, wo Marcel Reif 1999 als Chefkommentator anheuerte.
Mitte der 80er Jahre hatte der gebürtige Pole zunächst für das ZDF gearbeitet und beispielsweise den „Sport-Spiegel“ betreut, ehe er 1994 zu RTL wechselte und dort zum Mister Fußball wurde. In diese Zeit fiel auch seine legendärste Reportage zusammen mit Günther Jauch.
Es war am 1. April 1998 beim Champions-League-Spiel zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund. Der Anpfiff verzögerte sich um sagenhafte 76 Minuten, weil ein Tor in sich zusammengesackt war. Was während der Wartezeit passierte, hat bis heute kaum einer der damaligen gut zehn Millionen Zuschauer vergessen: Die beängstigend gute Mischung aus Heimwerker-Sendung und Kabarett-Veranstaltung („Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan wie heute!“) sollte später mehrfach preisgekrönt und ausgezeichnet werden.
Weitere Ehrungen folgten 2002: Für die Berichterstattung von der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea erhielt Reif den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis.
„Das Schweigen von Ottmar Hitzfeld wird lauter.“
O-Ton des neuen Kitzinger Schlappmauls
Über die Jahre sammelten sich natürlich weitere schier unzählige spruchreife Fußball-Weisheiten an, die hier wahllos aus dem Internet zusammengefischt wurden und vielleicht andeuten, warum es früher oder später den wohl bekanntesten deutschen Fußballkommentator – der inzwischen auch Buchautor („Aus spitzem Winkel“) ist – einfach treffen musste. Lassen wir das neue Schlappmaul also höchstselbst zu Wort kommen: • „Wenn Sie dieses Spiel atemberaubend finden, haben sie es an den Bronchen.“ • „In acht Minuten drei Tore, was können wir als Kassenpatienten mehr verlangen.“ • „Das Schweigen von Ottmar Hitzfeld wird lauter.“ • „Die Spieler von Ghana erkennen Sie an den gelben Stutzen.“ (Beim Spiel Ghana – Deutschland). • „Ich will nicht parteiisch sein, aber: Lauft, meine kleinen schwarzen Freunde, lauft.“ • „Je länger das Spiel dauert, desto weniger Zeit bleibt.“ • „Und dieser öffnende Pass brachte wieder 57 Zentimeter Raumgewinn!“ • „Herr Hitzfeld, ich bin bereit, Ihnen zum Weiterkommen zu gratulieren – wenn Sie den Zuschauern Ihr Mitgefühl ausdrücken für die Art und Weise, wie es denn zustande gekommen ist.“
Ein wunderschönes Zitat ist auch von einem Bundesligaspiel zwischen Werder Bremen und Schalke 04 überliefert. Als ihm auf der Pressetribüne ein Kollege die Sicht versperrte, gab es diesen deftigen Anpfiff: „Sag mal, wir arbeiten hier. Schleich dich. Arsch!“ Dass durch einen falsch gedrückten Knopf das Mikro an war und die Beschimpfung in die Wohnzimmer übertragen wurde, erfuhr Reif erst nach dem Abpfiff.
Womit klar ist: Der Mann hat ganz klar auch die deftige Art drauf – was einiges für die Ordensverleihung am 15. Februar erwarten lässt. Dann werden wir sicher auch erfahren, ob er mit mehr als 57 Zentimeter Raumgewinn vor der Konkurrenz lag.