Fast eine halbe Million Menschen erkranken Jahr für Jahr in Deutschland an Krebs. Je früher die Krankheit diagnostiziert wird, desto größer die Heilungschancen. Spürhunde könnten eine wichtige Rolle bei der Früherkennung spielen. Doch es gibt noch reichlich Forschungsbedarf.
Spürhunde in der Krebsdiagnose? Klingt abenteuerlich.
Professor Dr. Thorsten Walles: Ist es aber nicht. Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen.
Mit welchem Ergebnis?
Hunde können etwas, was wir mit unseren modernen Analysemethoden nicht können. Sie schnuppern an der Atemluft eines Menschen und können Krebs nachweisen.
Zuverlässig?
Leider nicht, das ist ja eines der Probleme. Wenn ein Hund anzeigt, dass ein Mensch Krebs hat, dann liegt die Trefferquote bei 72 Prozent. Das ist sehr beachtlich und besser als alles andere, was wir haben.
Braucht man speziell ausgebildete Hunde?
Nein, am besten eignen sich Familienhunde, die sich gerne trainieren lassen. Sie bekommen ein Röhrchen mit Atemluft vorgesetzt und reagieren darauf. Oder eben nicht.
Warum werden die Hunde nicht eingesetzt, wenn sie besser analysieren als moderne Gerätschaften?
Zum Einen haben wir das Problem der Trefferquote, das ich gerade angesprochen habe. Ich muss als Arzt einen Brustkorb aufschneiden und brauche dafür handfeste Gründe. Ein speziell ausgebildeter Hund liegt oft richtig, aber er macht eben auch Fehler. Und dann gibt es Fälle, in denen ich gar nicht weiß, wo ich den Tumor suchen soll.
Wieso?
Weil die Hunde so gut riechen, dass sie Tumore erkennen, lange bevor sie auf Röntgenbildern zu sehen sind. Ich kann aber als Arzt einen Menschen nicht auf Verdacht aufschneiden. Die Entscheidung, ob ich beispielsweise einen Brustkorb aufschneide, darf kein Glücksspiel werden.
Nachvollziehbar. Aber trotzdem traurig, wenn das Können dieser Hunde gar nicht genutzt wird.
Es soll ja genutzt werden. Wir arbeiten mit zwei Berliner Kliniken, einer Berliner Hundestaffel und dem Bundesamt für Materialforschung daran, diese Fähigkeiten für die Medizin nutzbar zu machen.
Und wie könnte das gehen?
Wir wollen herausfinden, was genau die Hunde uns anzeigen, welche Stoffe oder Marker sie erschnüffeln. Wenn wir wissen, wonach wir suchen, können wir spezifische Tests dafür entwickeln. Und vielleicht noch viel mehr nachweisen. Das ist höchst spannend und sehr komplex. Letztendlich gleicht es aber der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Wie lange suchen Sie schon?
Die Zusammenarbeit läuft seit rund zwei Jahren.
Und wie schätzen Sie die Chancen ein, fündig zu werden?
Schwer zu sagen, da steckt unheimlich viel Arbeit drin und letztendlich ist es auch eine Glückssache. Wir werden jetzt erst einmal ganz viele Daten generieren. Wenn wir Glück haben, werden wir in vier, fünf Jahren in größeren Studien weitertesten können. Wenn wir Pech haben, werden wir noch ewig suchen. In 25 Jahren gehe ich in Ruhestand. Bis dahin wäre es natürlich schön, ein Ergebnis zu haben.
Vortrag: Heute Abend spricht Professor Walles in der Rathausdiele in Marktbreit zum Thema. Der Vortrag findet kostenfrei von 1930 bis 21.30 Uhr statt. Titel: Spürhunde in der Krebsdiagnose – Heilversprechen oder Humbug?
Zur Person
Prof. Dr. Thorsten Walles wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover ausgebildet und absolvierte einen zweijährigen Forschungsaufenthalt an der Johns Hopkins University in Baltimore, USA. 2008 legte er ergänzend zu seinem bestehenden deutschen Facharzt die Europäische Facharztprüfung ab. 2010 erhielt er als erster Thoraxchirurg den von-Langenbeck-Preis, die höchste wissenschaftliche Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Seit Januar 2012 ist Walles Bereichsleiter für die Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Würzburg. FOTO: Walles