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KITZINGEN: Die Welt zwischen Holzbrettern

KITZINGEN

Die Welt zwischen Holzbrettern

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    Kleine Pause auf der Schmöker-Treppe: Stadtgärtner Johannes Lindner hat eine der drei Weinkisten auf dem Schoß, die Groß und Klein Lesestoff bieten – kostenlos und unverbindlich.
    Kleine Pause auf der Schmöker-Treppe: Stadtgärtner Johannes Lindner hat eine der drei Weinkisten auf dem Schoß, die Groß und Klein Lesestoff bieten – kostenlos und unverbindlich. Foto: Foto: Diana Fuchs

    Hier drei alte Weinkisten. Dort ein Mini-Baumhaus. Und an der dritten Stelle ein schneeweiß lackierter, nagelneuer Regalschrank. Ganz unterschiedlich sehen die „offenen Büchereien“ Kitzingens aus. Doch alle dienen demselben Zweck: Sie wecken ganz spontan die Leselust. Völlig ohne Bürokratiefrust.

    Was ist denn eigentlich ein „öffentlicher Bücherschrank“? Kurz gesagt, handelt es sich dabei um eine Art Straßenbibliothek. Also um einen Ort, an dem Bücher lagern, die von jedermann kostenlos, anonym und ohne jegliche Formalitäten gelesen, mitgenommen oder auch eingetauscht werden können. Ganz nach Belieben.

    „Die meisten Menschen gehen sorgsam mit den kostenlosen Büchern um.“

    Johannes Lindner, Leiter der Stadtgärtnerei

    In großen Städten gibt es solche Bücherboxen schon lange, in Kitzingen hat die erste vor etwa anderthalb Jahren eröffnet, die zweite im vergangenen Sommer – beide bereicherten den Wettbewerb „Entente florale“. Diesen Contest, bei dem es ebenso um Begrünung wie um soziale Belebung der Stadt ging, hat Kitzingen gewonnen. Und das wirkt sich nachhaltig aus. Nicht nur durch viele Projekte, beispielsweise der Burschenschaft Siedler-Knörz, der Vielfalts-Initiative oder des Armin-Knab-Gymnasiums. Sondern auch durch die Bücherschränke am Alten Friedhof und auf dem Freizeitgelände am Etwashäuser Bleichwasen. Diese sind weiterhin offen – und durchaus beliebt bei Groß und Klein.

    Johannes Lindner, Chef der Stadtgärtnerei, hatte die Idee zu der Aktion. „Die offene Bücherei passt sehr gut zu Kitzingen, das ja eine Bildungsstadt ist und auch kulturell sehr viel zu bieten hat.“ In der Scheune hinter dem verfallenen Glashaus am „interkulturellen Garten“ funktionierte der Stadtgärtner daher drei Weinkisten kurzerhand in Bücherschränke um. Durch zahlreiche Buchspenden konnten diese gut bestückt werden.

    Aktuell steht neben einer Biografie über Romy Schneider der Roman „Flüsterherz“. Das Kochbuch „Leckere Eintöpfe“ lehnt sich gegen ein Essay über Indianer. „Der Hintergedanke war natürlich, hier am Gartenschaugelände gerade auch Gartenthemen für Jung und Alt anzubieten“, erklärt Lindner. Bücher über Blumenpracht und übers Gärtnern sind tatsächlich in der Mehrzahl, dicht gefolgt von Werken über Essen und Genießen. Auch Reiseliteratur ist ein Renner.

    Regelmäßig sehen Mitglieder der Initiative „Wir für Vielfalt“, die ganz in der Nähe Pflanzbeete betreuen, in den Kisten nach dem Rechten. Oft müssen sie jedoch nicht eingreifen. „Die meisten Menschen gehen sorgsam mit den kostenlosen Büchern um“, lautet Lindners Erfahrung. Oft tauschen sie sie auch gegen eigene Bücher um, so dass ein reger Durchlauf gegeben ist. Und das ist ganz im Sinne des Erfinders.

    „Dinge zu teilen, ist generell eine gute Idee und steht der fürchterlichen Verschwendung entgegen, die das 'moderne Leben' oft mit sich bringt“, findet Ellen Räßler, Leiterin der Kitzinger Stadtbücherei. Ihr Team betreut das offene Baum-Bücherregal am Alten Friedhof, in dem meist um die 40 Kinder- und Erwachsenenbücher auf neue Leser warten. „Das Regal wird schon genutzt!“

    Wer genau sich dort mit Lesestoff eindeckt, darüber gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. „Das ist ja das Wesen eines offenen Bücherschrankes – es kann einfach jeder kommen und sich Sachen holen beziehungsweise tauschen.“

    Die dritte Straßenbibliothek Kitzingens hat erst vor wenigen Wochen eröffnet: im Info-Container am Wohnmobilstellplatz. Dort hat Georg Günthers Team vom Stadtbauhof ein selbst gezimmertes, weiß lackiertes, raumhohes Schrankregal montiert, außerdem zwei Barhocker für ganz eilige Schmökerer. Jutta Wallrapp, Tourismus-Referentin der Stadt, hat den Schrank in Eigenregie bestückt, unter anderem auch mit gespendeten Werken von Barbara Wachter, dem Tourismusleiter Walter Vierrether und anderen Kitzingern. „Das ist ein kostenloses Angebot der Touris-Info“, erklärt Jutta Wallrapp. „Direkt nebenan am Main gibt es wunderschöne Plätze, die nur so zu gemütlichen Lesestunden einladen.“ Walter Vierrether nickt. „Den Schrank hier zu installieren, das war eine sehr gute Idee von der Jutta.“

    „Dinge zu teilen, ist generell eine gute Idee.“

    Ellen Räßler, Stadtbücherei-Leiterin

    Das Angebot am Wohnmobilstellplatz ist derzeit das umfangreichste der drei Kitzinger Straßenbüchereien. Hier stehen „Die Elenden“ von Victor Hugo neben einem Brevier für Katzenfreunde und Esther Vilars Erfolgsstück „Heiraten ist unmoralisch“ neben dem „Herrn der Fliegen“ auf Englisch. Über Romanen und Reisegeschichten tummeln sich auch kleine Reclam-Hefte und Sachbücher, etwa ein Englisch-Kurs – für Gäste, die plötzlich unbändige Lust auf Weiterbildung verspüren.

    Auch zahlreiche Krimis locken – von Edgar Wallace über James Bond bis hin zu Jack Higgins. Und wer statt dem „Schrei aus der Kälte“ lieber ein bisschen Comic-Unterhaltung hätte: Kein Problem, auch Mickey-Mouse grinst aus dem offenen Bücherschrank heraus.

    Fazit: Leseratten und Bücherfreunde haben noch einen Grund mehr, ihre Runden durch Kitzingen zu drehen. Wenn die Straßenbüchereien rege genutzt werden – wer weiß, vielleicht erhalten die Weinkisten, das Bücherbaumhaus und der weiße Schrank ja weitere Verstärkung. Ellen Räßler stellt jedenfalls fest: „Wir hätten noch genügend Stoff für weitere offene Bücherschränke.“

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