"Dieses Jahr muss was her", sagt Timo, am liebsten eine Stelle in einer Zweiradwerkstatt oder einem Fahrradladen. Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Realschulabschluss hat der Jugendliche, der diesen Monat 18 wird, noch immer keinen Ausbildungsplatz. Als er mit der Schule fertig war, hat er ein paar Bewerbungen geschrieben. "Die waren ziemlich schlecht", gibt Timo heute zu. Er wusste nicht recht, wie er die Sache angehen soll: "Die Informationen, die man in der Schule über das Berufsleben bekommt, sind zu mager." Das Arbeitsamt sei kaum eine Hilfe: "Wenn ich mal dort war, kam ich mir blöd vor. Die trauen einem nix zu und sind unfreundlich."
"Wir konnten uns aussuchen, was wir machen wollten"
Silke Elzenbeck Stadtjugendpflegerin
Jetzt steckt Timo seine ganze Energie in den Aufbau einer Bike-Strecke auf dem Gelände des Jugendtreffs am Postfrachtzentrum, und will mit Unterstützung der Sozialarbeiter von Stadt und Kreisjugendamt endlich erfolgreiche Bewerbungen schreiben. Sozialarbeiter Uwe Kohler hat ihm erklärt, worauf es bei einem Bewerbungsschreiben ankommt: "Das ist schon eine große Hilfe." Ein Praktikum in einem Höchberger Fahrradladen hat er schon in Aussicht, und vielleicht, hofft Timo, wird ja mehr daraus. Jedenfalls weiß er inzwischen, wie man seine Stärken und Qualifikationen in einer Bewerbung präsentiert.
Timo ist nur ein Beispiel. Die schwierige Ausbildungssituation macht sich in den Jugendtreffs an vielen Stellen bemerkbar. Gerade Haupt- und Realschüler fragen vermehrt nach Praktikumsplätzen im Jugendhaus, und mehr und mehr ehrenamtliche Helfer lassen sich ihr Engagement schriftlich bestätigen, um damit vielleicht die Chancen auf eine Ausbildungsstelle zu verbessern. Der Computer im Jugendhaus ist gefragt, um im Internet nach Stellen zu suchen.
Logischer können die Sozialarbeiterinnen nicht jedem einzelnen Jugendlichen ausführlich dabei helfen, seine Bewerbungen zu formulieren. Aber nützliche Tipps geben sie dennoch. Der Wichtigste: "Gebt nicht auf!" Den jungen Leuten im Bewerbungsmarathon Durchhaltevermögen zu vermitteln, sehen Silke Elzenbeck und Simone Heller als ihre wichtigste Aufgabe.
"Uns haben sie früher gesagt, wenn du dich anstrengst, kannst du dich auch beruflich entfalten", sagt Simone Heller (25). So simpel sei das für die Schulabgänger heute nicht mehr. "Wir konnten uns aussuchen, was wir machen wollen", pflichtet Elzenbeck (33) bei, heute zählt für die meisten einfach, "irgendwas" zu machen. Keine Seltenheit, dass sich eine Jugendliche für eine Ausbildungsstelle als Gärtnerin und Frisörin und Artzthelferin bewirbt, wie es Julia Weidinger (20), Praktikantin bei der Stadtjugendpflege von ihrer jüngeren Schwester berichtet.
"Wir erleben hier beides: Jugendliche, die richtig durchstarten und andere, die richtig auf die Nase fallen", sagt Elzenbeck. Einerseits biete die globalisierte Welt enorme Chancen. Fremde Länder sind so nah wie nie, die beruflichen Möglichkeiten enorm vielfältig. Andererseits fühlen sich viele Jugendliche überfordert. Und: "Die Jugendlichen sind immer mehr auf sich allein gestellt", stellt Elzenbeck fest. Das kann sie mit drastischen Beispielen aus ihrer Arbeit untermauern: "Zu uns kommen hier wirklich Jugendliche, die fragen, ob wir was zu essen haben."
Das Jugendhaus kann den fehlenden Rückhalt im Elternhaus nicht ersetzen. Doch zumindest wollen die Sozialarbeiter dazu beitragen, dass die Jugendlichen auch dann den Mut nicht verlieren, wenn die berufliche Perspektive düster erscheint. Zunächst sollen die Jugendlichen deshalb ihre Interessen entwickeln und ihre Chancen und Stärken kennen lernen. Nicht jede Anstrengung muss sich gleich in barer Münze auszahlen, meint Simone Heller: "Der Mensch ist mehr als Leistung und Konsum."