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Castell: Ein Abfallprodukt als wertvoller Wasserspeicher: Deshalb vergräbt die Domäne Castell Kohle im Weinberg

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Ein Abfallprodukt als wertvoller Wasserspeicher: Deshalb vergräbt die Domäne Castell Kohle im Weinberg

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    Am Anfang ist der Rebstock. Daraus werden Hackschnitzel, die wiederum in Pflanzenkohle verwandelt werden – und als Bodenverbesserer und Wasserspeicher in den Weinberg zurückkehren. Diesen nachhaltigen Kreislauf zeigen (von links) Simon Balzer, Peter Geil und Matthias Englert von der Domäne Castell.
    Am Anfang ist der Rebstock. Daraus werden Hackschnitzel, die wiederum in Pflanzenkohle verwandelt werden – und als Bodenverbesserer und Wasserspeicher in den Weinberg zurückkehren. Diesen nachhaltigen Kreislauf zeigen (von links) Simon Balzer, Peter Geil und Matthias Englert von der Domäne Castell. Foto: Diana Fuchs

    Sie haben Kohle. Peter Geil, Matthias Englert und Simon Balzer grinsen – und greifen in einen Eimer. Nicht in einen Eimer voller Geld, sondern voller Pflanzenkohle. Federleicht liegen die verkohlten Hackschnitzelchen in den Händen der Männer. "Diese Art von Kohle wirkt wie ein Schwamm", sagt Peter Geil, Weingutsleiter der Domäne Castell. Während anderswo – etwa in Iphofen – die Diskussion über künstliche Bewässerung der Weinberge die Gemüter erhitzt, setzt Castell auf einen natürlichen Wasserspeicher.  

    Wie nachhaltig ist künstliche Bewässerung? Und: Wer soll sie bezahlen? 

    Griff in die Zukunft: Pflanzenkohle aus gehäckselten Rebstöcken soll in Trockenzeiten für einen ausreichenden Wasserstand im Weinberg sorgen.
    Griff in die Zukunft: Pflanzenkohle aus gehäckselten Rebstöcken soll in Trockenzeiten für einen ausreichenden Wasserstand im Weinberg sorgen. Foto: Simon Balzer/Domäne Castell

    Wasser aus dem Main für die Versorgung der Reben? In und um Iphofen ist der potenzielle Bau einer Bewässerungsleitung seit Jahren ein Reizthema. Castell ist auf einem anderen, innovativen Weg. Winzermeister Matthias Englert begründet das so: "Wasser ist eine rare Ressource, wir müssen sorgsam damit umgehen." Weingutsleiter Peter Geil ergänzt: "Das 'Luxusgut Wein' künstlich zu bewässern – das erscheint in Zeiten des Klimawandels zumindest fragwürdig. Wie nachhaltig kann so etwas sein? Und außerdem: Wer soll das bezahlen?"

    Geld kostet freilich auch der "Casteller Weg". Der soll allerdings nachhaltig werden, ein Rundweg quasi – und unter anderem zu einer Bodenpflege führen, die auf Kreislaufwirtschaft beruht. Englert erklärt, warum Castell jetzt einen Modell-Weinberg mit Pflanzenkohle anlegt: "Seit 2003 haben wir wirklich heiße, trockene Jahre. Spätestens seit dieser Zeit muss man sich als Winzer fragen, wie man den Boden gesund, vital, locker und humos halten kann, so dass er, gestützt von einem vernünftigen Begrünungssystem, als Wasserspeicher dient."

    Die Pflanzenkohle-Teilchen liegen federleicht in der Hand. Sie sind saugfähig wie ein Schwamm.
    Die Pflanzenkohle-Teilchen liegen federleicht in der Hand. Sie sind saugfähig wie ein Schwamm. Foto: Diana Fuchs

    Pflanzenkohle als Wasserspeicher: Wie funktioniert das?

    In der Praxis funktioniert die Sache mit der Pflanzenkohle in der Fürstlich Castellschen Domäne so: Vor kurzem musste in Neundorf ein vier Hektar großer Weinberg gerodet werden. Rund 16.000 Weinstöcke wurden  kleingehackt.  Aus den Hackschnitzeln entstanden durch Pyrolyse, also durch sauerstoffarme Verbrennung, elf Tonnen Pflanzenkohle.

    Eine Tonne Kohle kann zwischen 3000 und 5000 Liter Wasser über einen langen Zeitraum speichern. Vergräbt man die Pflanzenkohle im Weinberg, gibt sie bei Bedarf vorher gespeichertes Wasser an die Wurzeln der Rebstöcke ab. 

    Aus 16.000 Rebstöcken werden zunächst hochwertige Hackschnitzel gemacht.
    Aus 16.000 Rebstöcken werden zunächst hochwertige Hackschnitzel gemacht. Foto: Simon Balzer/ Domäne Castell

    "Wenn die alten Weinstöcke in Form von Pflanzenkohle in die Weinberge zurückkehren – als Wasserreservoir –, dann schließt sich der Kreis", erklärt Geil. Bisher hat man die ausgerissenen Stöcke meist einfach verbrannt –und damit all das CO2, das sie im Lauf ihres Lebens gespeichert hatten, wieder freigesetzt. "Bei der Pyrolyse dagegen bleibt das CO2 in der Kohle gebunden. Das ist ein zusätzlicher Beitrag zum Klimaschutz", sagt Geil. 

    Pionierarbeit in Sachen Pflanzenkohle leistet Ron Richter. Sein Unternehmen "Klimafarmer" im Kreis Mainz-Bingen berät und begleitet Betriebe, die Böden und Nutzgrün regenerativ und besonders klimaschonend bewirtschaften möchten. Für das Konzept "Klimawinzer" wurde das Unternehmen 2024 mit dem Nachhaltigkeitspreis Weinbau Rheinhessen ausgezeichnet.

    Da dampft's: Bis auf zehn Prozent Restfeuchte wird den gehäckselten Rebstöcken das Wasser entzogen.
    Da dampft's: Bis auf zehn Prozent Restfeuchte wird den gehäckselten Rebstöcken das Wasser entzogen. Foto: Simon Balzer/ Domäne Castell

    Die gerodeten Reben hat Richter in Kooperation mit der Firma Ertel Carbon (Offenhausen) bei über 600 Grad Celsius pyrolysiert und in hochwertige Pflanzenkohle mit geringer Restfeuchte umgewandelt. Richter: "Im Weinbau wird über Jahrzehnte mit der gleichen Grundlage gearbeitet. Dort ist der Einsatz von Pflanzenkohle eine Investition, um Boden, der müde wird, zu vitalisieren, Niederschläge effektiver zu nutzen und für Trockenperioden zu puffern."

    Magischer Mix? Winzermeister Matthias Englert ist gespannt auf die Wirkung, die bestimmte  Pflanzenkohle-Kompost-Mischungen auf die Rebstöcke haben.
    Magischer Mix? Winzermeister Matthias Englert ist gespannt auf die Wirkung, die bestimmte Pflanzenkohle-Kompost-Mischungen auf die Rebstöcke haben. Foto: Simon Balzer/ Domäne Castell

    Wie aber arbeitet man die Pflanzenkohle in den Weinberg ein? "Man mischt sie mit Kompost", erklärt Winzermeister Englert; Rohkohle – also pure Kohle – würde das Wurzelspitzen-Wachstum hemmen. Gemischt mit Nährstoffen erwarten die Fachleute aber, dass der Rebstock direkt profitiert, auch wenn die Kohle nur rund 30 Zentimeter tief in den Boden eingearbeitet wird. "Wasser und Nährstoffe gelangen über die Tag- und Tauwurzeln im oberen Abschnitt des Wurzelsystems zum Stock", erklärt Englert.

    Die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau betreut den Modellversuch

    Ein Eimer mit Pflanzenkohle steht auf dem Ausgangsmaterial, den gehäckselten Rebstöcken.
    Ein Eimer mit Pflanzenkohle steht auf dem Ausgangsmaterial, den gehäckselten Rebstöcken. Foto: Simon Balzer/Domäne Castell

    Im Neundorfer Weinberg starteten die Casteller nun einen Versuch auf einer Grauburgunder-Fläche, die zehn Jahre alt ist – im idealen Alter, um Trockenstress zu testen. Auf drei Hektar werden Pflanzenkohle-Kompost-Mischungen in unterschiedlichen Konzentrationen und Tiefen in die Weinbergszeilen eingearbeitet.

    Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim ist mit im Boot

    Die Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) mit Sitz in Veitshöchheim betreut den Versuch. Dr. Daniel Heßdörfer, Leiter des Arbeitsbereiches Forschungskoordination und Projektmanagement am Institut für Weinbau und Oenologie der LWG, betont, dass die LWG durch den Versuch detaillierte Erkenntnisse über die Wirkung der Pflanzenkohle sammeln möchte. "Von besonderem Interesse ist die Langzeitwirkung auf Wasserhaushalt und Nährstoffversorgung im Boden", erklärt der Fachmann.  Beide Faktoren werden deshalb direkt an den Rebstöcken laufend untersucht.

    Aus den Rebstöcken entstehen im ersten Schritt hochwertige Hackschnitzelchen.
    Aus den Rebstöcken entstehen im ersten Schritt hochwertige Hackschnitzelchen. Foto: Simon Balzer/Domäne Castell

    Langfristig autark werden

    Geil fasst die aktuelle Lage in Castell so zusammen: "Klar müssen wir zunächst erstmal noch bewässern, aber wir beschäftigen uns einfach mit Alternativen." Langfristiges Ziel der Domäne Castell ist es, Pflanzenkohle nicht nur aus alten Rebstöcken, sondern auch aus ihren Wäldern zu gewinnen. Geils Vision: "Wenn wir Reste aus der Forstwirtschaft verwenden können, dann wird der Kreislauf ganz rund, dann werden wir autark – vorausgesetzt, wir können die Pyrolyse selbst machen."

    Verglichen mit der künstlichen Bewässerung, die immer neu erfolgen muss, muss man die Pflanzenkohle nur ein einziges Mal in den Weinberg einbringen. In Verbindung mit einer intelligenten Begrünung der Weinbergszeilen, die an sich schon den Humusanteil im Boden erhöht, "erspart man den Weinstöcken Trockenstress und trägt zugleich zur Stabilisierung des Klimas bei", stellt Englert fest.

    Simon Balzer, Leiter Marketing und Kommunikation, fasst das Ganze so zusammen: "Es ist wirklich faszinierend, was hier gerade passiert, und dass diese Pionierarbeit jetzt nach außen getragen werden kann."

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