Lange darf es nicht mehr dauern – wenn es nicht ohnehin bereits zu spät ist: Über die Versuche, das ehemalige Hofgut Öttershausen zu erhalten, hat diese Zeitung wiederholt berichtet. Passiert ist seitdem: Nichts. Zumindest nichts Substantielles, was den Bau aus dem 18. Jahrhundert vor dem weiteren Verfall hätte bewahren können.
Dabei ist das Urteil des Bauhistorikers Hans-Christof Haas zum Wert dieses Kulturguts eindeutig: „Bautechnisches Meisterwerk Balthasar Neumanns entdeckt“, hatte der Experte 2011 seinen Beitrag in den Informationen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) überschrieben. Dem Schüttbau in Öttershausen, einem Speicher, bescheinigt Haas eine „über Bayern hinausgehende Bedeutung.“ Das Genie Balthasar Neumanns zeige sich in den Dachkonstruktionen, die große Lasten ermöglichten, zudem waren die Lagergebäude feuersicher.
Teilabriss 2012
Von dem einstmals stolzen Hofgut ist nach einem von Eigentümer Paul Graf von Schönborn veranlassten und vom Landratsamt Kitzingen genehmigten Teilabriss 2012 Vieles für immer verloren gegangen, beispielsweise eine Scheune aus der Zeit um 1600. Nun steht der ehemalige „Schüttbau“ wie eine reichlich zerzauste Festung auf freiem Feld, lediglich die wenigen Häuser des Weilers Öttershausen an der Landkreisgrenze zu Schweinfurt stehen gegenüber.
Inzwischen wachsen Büsche aus dem teilweise abgedeckten Dach des Gebäudekomplexes. Der Wind pfeift durch die Fensteröffnungen, Putz bröckelt von den Wänden. Und wenn dieser Winter feucht und kalt werden sollte, könnte der Dachstuhl einstürzen. Dass sich das Hofgut (oder was von ihm übrig ist) bis heute gegen Wind und Wetter behauptete, könnte dem Genie des Erbauers geschuldet sein: Balthasar Neumann errichtete in den 1740er Jahren im Auftrag von Friedrich Karl von Schönborn, Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, die Pfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit in Gaibach. Zugleich war dem Baumeister die Erweiterung des benachbarten Hofguts Öttershausen übertragen worden. Gegründet hatte den Hof die Familie Echter Ende des 16. Jahrhunderts.
Eine frei tragende Decke
Tieftraurig über die Entwicklung der Geschichte ist Georg Schäfer aus Neubrunn (Lkr. Würzburg). Der Mann war Mitinhaber eines Würzburger Ingenieurbüros und beschäftigte sich über 35 Jahre mit Tragwerksplanung und Denkmalpflege. „Absolut einzigartig“ findet er das Hofgut, erwähnt die frei tragende Decke, auch das besondere Gewölbe. Stünde das Gebäude bei Würzburg oder sonst am prominenterer Stelle, wäre es längst saniert, ist Schäfer überzeugt.
Der Experte wirft die Frage auf, ob es richtig sein könne, dieses „herausragende Objekt“ verfallen zu lassen, nur, weil es wirtschaftlich uninteressant ist. Und warum der Eigentümer nicht, wie andere Besitzer von Denkmälern auch, zum Erhalt gezwungen werde – Motto: Eigentum verpflichtet.
Sicherung für eine Million Euro
Anläufe, das Gebäude zumindest zu sichern, gab es in den letzten Jahren mehrere: Das Landesamt hat sowohl Kostenschätzung als auch eine Kostenberechnung beauftragt. 2013 hätte es demnach knapp eine Million Euro gekostet, das Gebäude zu sichern. Sprich, den Dachstuhl aus Eiche instand zu setzen und zu verstärken, das Dach dicht zu machen, Dachrinnen anzubringen, das Wasser abzuleiten, das Gebäude zu verschließen zum Schutz vor Vandalismus.
„Alle bisher gemachten Lösungsvorschläge sind an der mangelnden Bereitschaft des Eigentümers gescheitert“, teilte das Landesamt für Denkmalpflege auf Anfrage dieser Zeitung schriftlich mit. Es habe zahlreiche Ortstermine und Gespräche gegeben, um Erhaltungsmöglichkeiten auszuloten – bisher vergeblich. Unabhängig vom „bedauernswerten Zustand“ des Gebäudes hält die in München ansässige Behörde daran fest, dass dieses „Meisterwerk Balthasar Neumanns“ erhalten werden müsse.
Runder Tisch im Herbst
Diese Forderung habe auch die Untere Denkmalschutzbehörde in Kitzingen mitgetragen. Bayerns Oberste Denkmalschutzbehörde bemüht sich laut Pressesprecherin Dorothee Ott unterdessen weiter um „realistische Sanierungs- und Nutzungsperspektiven“. Im Herbst soll dafür auch das Kultusministerium mit an einen runden Tisch geholt werden, dazu das Landratsamt Kitzingen und der Eigentümer.
Paul Graf von Schönborn weiß davon noch nichts, wie er am Freitag am Telefon sagte. „Wenn jemand eine gute und nachhaltige Idee hat, bin ich dabei.“ Er habe zwei Leitz-Ordner voll mit Vorschlägen, vom Reiterhof bis zum Lager für Maschinen, die sich als nicht umsetzbar erwiesen hätten. „Und ein Verkauf kommt nicht in Frage“, stellt der Eigentümer fest. „Mir gehört das Land außenrum, da macht man so etwas nicht.“
Ruine seit den 1950er Jahren
Schönborn zeigt sich ein wenig erstaunt über die ganze Diskussion. „Das Gebäude ist seit den 1950er Jahren eine Ruine, niemand hat sich dafür interessiert. Das ging erst los, als ich den Abrissantrag gestellt habe.“ Selbst wenn das Gebäude ein Denkmal sei – es gebe tausende Denkmäler, die nicht alle ausnahmslos erhalten werden könnten. „Denkmäler verschwinden, wenn die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist. Das Verhältnis Kosten und Nutzen muss gewahrt bleiben.“
Der Mann weist entschieden zurück, dass er besser behandelt werde als andere Eigentümer von Denkmälern. „Wenn jemand eine Scheune besitzt, dem kann man ihm zumuten, dass er sie nicht verfallen lässt. Wenn jemand im Verhältnis 20 Scheunen besitzt, ist schon die Frage, ob es ein Drama ist, wenn er die 19. Scheune verfallen lässt.“
Viel Geld für Denkmäler
Was Paul Graf von Schönborn damit sagen will: Er gibt viel Geld für Denkmäler aus, beispielsweise für drei Kanzleihäuser in Wiesentheid – drei Denkmäler. Auch für den Erhalt des Schlosses in Wiesentheid – ebenfalls ein Denkmal. Und für die Kreuzkapelle am Ort, wieder ein Denkmal. „All das muss finanziert werden, darstellbar sein. Alles geht einfach nicht.“ Womit er wieder in Öttershausen ankommt. „Eine bloße Sicherung des Gebäudes würde die Frage der Sanierung nur auf die nächste Generation, meine Kinder, verschieben. Dazu bin ich nicht bereit“.
Anders gesagt: Wenn der runde Tisch keine Einigung über Sicherung und Sanierung bringt, inklusive Verwertungskonzept, war es das. Laut dem Eigentümer soll das Gelände rundherum wieder wie früher „hübsch gemacht“, eine Streuobstwiese werden. Darüber sei man mit der Naturschutzbehörde des Landratsamtes im Gespräch. Egal ob mit Denkmal – oder irgendwann ohne.