In einer grauen Arbeitshose und einem blau-rot-karierten Holzfällerhemd steht Klaus Scheller neben mehreren frisch gefällten Bäumen im Wald zwischen Iphofen und Birklingen. Der Boden um ihn herum ist nass und vom Regen aufgeweicht – die Luft ist feucht, riecht nach Holz und Erde. Begleitet wird der Rentner von Josef Rading und Gustav Guckenberger, seinem Cousin.
Seit seiner Kindheit kommt Scheller in jedem Winter in den Wald der Stadt Iphofen, jedes Jahr an eine andere Stelle. Dort fällt er Bäume und verarbeitet sie, oft mit Hilfe seiner Cousins, zu Brennholz. Kostenlos. Das dürfen er und viele andere Bewohner Iphofens aufgrund eines uralten Rechts, das es heute nur noch in wenigen Gemeinden Frankens gibt.
Vorschriften aus dem Mittelalter
Das sogenannte Holzrecht geht zurück auf Vorschriften aus dem Mittelalter. „Früher ist man einfach in den Wald gegangen und hat geholt, was man braucht“, erklärt Rainer Fell, der in Iphofen zuständige Förster. Im Mittelalter sei durch die immer intensivere Nutzung der Wälder allerdings eine Regelung der Waldwirtschaft nötig geworden.
So wurde zunächst aufgeteilt, welche Gemeinde welche Waldgebiete nutzen durfte. Mit der Zeit wurde es aber nötig, auch innerhalb dieser Gebiete klare Regeln zu etablieren: Im 16. Jahrhundert einigte man sich in Iphofen schließlich auf die Nutzung als Mittelwald, die – in abgewandelter Form – noch heute gültig ist. „Damals hatte Firstbischof Julius Echter die Art der Nutzung festgelegt und Iphofen musste sich anpassen“, erklärt Fell.
Die Gebiete werden verlost
Die Regelung besagt, dass der rund 300 Hektar große Wald in viele, gleich große Gebiete eingeteilt wird. Heute hat jedes davon eine Fläche von rund 450 Quadratmetern. Jedem Bürger, der über das Holzrecht verfügt, werden zwei dieser Gebiete zugelost – eines mit mehr und eines mit weniger Holz, damit die Aufteilung einigermaßen gerecht ist.
Das Besondere: Es sind so viele einzelne Abschnitte, dass jeder davon nur alle 30 Jahre bewirtschaftet wird – dazwischen kann sich der Wald erholen. Da die Bäume in dieser Zeit aber nicht allzu hoch werden, bezeichnet man die Gebiete als Mittelwald.
Einige Stämme gehören der Stadt
Die Bäume auf den zugelosten Flächen dürfen die Rechtler dann fällen und verarbeiten. Nur einige der größeren Stämme fällt die Stadt selbst, um sie zu verkaufen. Einige andere müssen stehen bleiben, damit sie größer werden und als Nutzholz verkauft werden können.

Waren es im 16. Jahrhundert noch alle erwachsenen, männlichen Bürger Iphofens, die das Holzrecht innehatten, ist dieses heute anders verteilt: An jedes Gebäude in der Altstadt ist ein Recht gebunden, sofern der Besitzer dort lebt und das Holz selbst zum Heizen nutzt. Wer die Möglichkeit, kostenlos an Holz zu kommen, nicht nutzen kann oder will, kann das Recht an die Stadt zurückgeben.
„Viele holen sich ihr Holz nicht mehr, denen ist es zu aufwendig“, sagt Klaus Scheller. „Die Jungen ziehen weg und die Alten können es alleine nicht.“ Er selbst wolle die Möglichkeit nutzen, so lange er kann. Erst 2005 hat er die Heizung in seinem Haus modernisieren lassen – auf die Nutzung des Holzes will er weiter setzen. „Das hat bei uns Tradition und ich finde das gut so.“
Das Holzrecht in anderen Gemeinden
Tradition hat das Holzrecht auch in anderen Gemeinden im Kitzinger Land. So zum Beispiel in Willanzheim. Dort ist die Rechtslage allerdings wieder anders als in Iphofen, erklärt Klaus Behr vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: „Meist ist der Boden ja im Eigentum der Gemeinde und das Holz steht den Rechtlern zu. In Willanzheim ist das anders, da sind die Rechtler auch Eigentümer der Flächen.“
In vielen anderen Landkreisgemeinden, in denen es früher noch Holzrechte gab, wurden die Mitte der 2000er Jahre aufgelöst. Der Wald ist damals in den Besitz der Rechtler übergegangen – heute bewirtschaftet jeder von ihnen sein eigenes Land. Das ist nicht überall so: „In anderen Regionen außerhalb Frankens“, erklärt Behr „ist das Holzrecht aber auch heute noch verbreitet.“