Pfefferkuchenkonfekt aus Neisse war in Deutschland eine Zeit lang so bekannt wie Lebkuchen aus Nürnberg oder Printen aus Aachen. Heute ist es ein Nischenprodukt. Aus Neisse in Schlesien stammte auch meine Mutter. Als sie 1926 geboren wurde, gab es noch rund ein Dutzend Hersteller von Neisser Konfekt. Fast 100 Jahre später habe ich danach geforscht, wo das weihnachtliche Traditionsgebäck heute noch hergestellt wird.
Die Stadt Neisse war einst die Residenz der Breslauer Fürstbischöfe und kann bei Freunden barocker Bauwerke punkten. Die Stadt mit ihren gut 50.000 Einwohnern heißt heute Nysa und liegt in Polen. In der Nähe verläuft entlang der Sudeten die Grenze zur Tschechischen Republik. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es hier überhaupt keine Staatsgrenze, denn über Schlesien und Böhmen herrschten die Habsburger. In der Küche beider Länder spielen Teigwaren eine wichtige Rolle. Daraus entstand die Tradition der Neisser Pfefferküchler.
Im Deutschen Kaiserreich war Neisser Konfekt ein Begriff

In Neisse begann wie andernorts im 19. Jahrhundert das Industriezeitalter, und einige der neuen Fabriken stellten Honigkuchen her. Durch die Reklame solcher Produzenten wurde Neisser Konfekt in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs ein gängiger Begriff. Auch kleine Handwerksfirmen profitierten noch lange von dieser Art Marke. Im Neisser Adressbuch von 1935 standen noch elf Namen und Anschriften ortsansässiger "Pfefferküchler"-Firmen.

Für die meisten bedeutete der verlorene Zweite Weltkrieg und die Vertreibung aus Schlesien das Aus. Einige aber retteten ihre Existenz hinein in die Bundesrepublik. Laut dem Neisser Heimatblatt konnte man 1959 in Westdeutschland bei vier Produzenten Original Neisser Konfekt bestellen. Die Firmennamen lauteten Gebr. Artelt in Bremen, August König in Diepholz, Heinrich Rudolf in Kitzingen und Josef Sandmann in Münster.
In der Vorweihnachtszeit 2023 gibt es immerhin noch drei solcher Adressen: Die Bäckerei Krimphove in Münster, die Confiserie Rabbel in Westerkappeln – und die Fränkische Lebküchnerei der Familie Will in Kitzingen. Die Lebküchnerei in Kitzingen backt nach einem Rezept der ehemaligen Neisser Firma Heinrich Rudolf, nachdem es der letzte Rechteinhaber, Bäckermeister Claus Lux, der Familie Will überlassen hatte.
Ein Kilo des erlesenen Konfekts kostet teils über 30 Euro

Was Qualität und Preis angeht, so bewegen sich alle drei Hersteller des Neisser Konfekts in der Oberklasse deutscher Lebkuchen-Backkunst. Bei Krimphove kostet ein Kilo 33,33 Euro. Die Hersteller aus Kitzingen und Westerkappeln bieten ihr Konfekt mit Schokoladenüberzug günstiger an.
Fünf Mitschüler meines Polnisch-Kurses an der Volkshochschule Osnabrück und die Dozentin haben sich zu einem Neisser-Konfekt-Blindtest überreden lassen. Am meisten überzeugte sie die Naschware schlesischer Provenienz aus Westerkappeln. Ich kann mich mehr für das von mir erstmals bestellte Konfekt aus Mainfranken erwärmen, das die Lebküchnerei Will in Kitzingen herstellt.