Marius Wittur ist der Herr der Quitten an der Volkacher Mainschleife. Der Untereisenheimer vermarktet die Früchte unter dem Begriff „Mustea“ und kümmert sich auch um den Astheimer Quittenlehrpfad. Ein Gespräch über ein äußerst ungewöhnliches Quittenjahr.
Das Quittenjahr 2018 – wie war's?
Marius Wittur: Auf den Quittenbaumfeldern war das Jahr eine nicht enden wollende Lehrstunde, wie man in Zeiten des Klimawandels die ökologischen Kreisläufe von Grund auf neu definieren muss, wenn man nachhaltigen Obstbau auch in Zukunft will. Nach der langen Frostperiode im März verlief die Blatt- und Blütenentwicklung so schnell, dass heuer jede Raupe willkommen war, um den enormen Blütenansatz etwas zu minimieren. Die Bäume hielten den Trockenstress im Sommer gut aus.
Die Quitte scheint hitzebeständig . . .
Wittur: . . . zumindest bis Anfang September. Dann ist etwas passierte, was ich noch nie im Landschaftsobstbau erlebt habe: Die Quittenfrüchte wuchsen kurz vor der Ernte keinen Zentimeter mehr weiter. Denn während die Streuobstäpfel als Reaktion auf den trockenen Sommer in einer Notreife sich einfach mit Stiel auf den Boden fallen ließen, konnten das die Quittenfrüchte nicht – da sie botanisch keinen Stiel haben, sondern unmittelbar am Holz wachsen und wie festgetrocknet hängen blieben. Erst als es am 23. September wieder geregnet hat, ging es mit dem Wachstum der Früchte weiter. Die Quitten wurden deshalb im Gegensatz zu anderen Obstarten oder den Weintrauben in diesem Jahr etwa ein Monat später reif als sonst. Das war aber reines Glück.
Was kann man über die Erntemengen sagen?
Wittur: Die Mengen sind gigantisch. Aber ich schließe mich nicht dem Jubel über ein fantastisches Obst- und Weinjahr an. Ja, die Qualität der gekelterten Früchte ist zwar nahe zu genial – aber zu welchem Preis? Denn es war ein riesiger Kraftaufwand für die Bäume, die Früchte durch den Sommer zu bringen. Der Sommer war so brutal heiß, das sich auch bei der Humusbildung wenig getan hat. Deshalb ließ ich im Herbst an einigen Standorten Fallobst für die Regenwürmer liegen, damit der Boden sich selbst heilen kann und nicht nächstes Jahr teuer organischer Dünger ausgebracht werden muss.
Wie viele Bäume haben Sie – geschätzt – abgeerntet?
Wittur: Da die Quitten für mich mehr sind als die Summe ihrer Teile, habe ich die Bäume nicht gezählt – aber es war eine Schlaraffenland-Quittenernte. Es gab keinen Pilzdruck oder und auch keine wetterbedingte Fäulnis, sodass ich dieses Jahr die Reife wie ein Musikstück aus Duft und Klang wahrgenommen habe. Eine wundervolle Quitten-Symphonie.
Ihre schönste Quitten-Entdeckung in diesem Jahr?
Wittur: Eine Quittensorte, die ich vor Jahren selbst gezüchtet habe. Vergangenes Jahr hat sie den Frost in der Blüte überstanden und heuer trägt sie trotz Hitzesommer die schönsten Früchte. Ich nenne sie die Lou Reed Quitte.
Das neuste Quitten-Produkt . . .
Wittur: . . . ist zeitlos: unser Bio-Quittensaft. Ein 100-prozentiger Muttersaft aus der Quitte. In diesem Jahr schmeckt der Saft extrem mild und mit einer Honignote. Ein traumhaftes Geschmackserlebnis, die Quitte lässt sich auf eine ganz neue Ebene ihrer Aromen schmecken.
Es gibt inzwischen auch ein Quittenbuch von Ihnen – wie kommt das an?
Wittur: Es ist gerade ausverkauft – im nächsten Frühjahr kommt die nächste Auflage.
Gibt es Neuigkeiten vom Astheimer Quitten-Lehrpfad?
Wittur: In diesem Jahr war besonders auffällig, das viele interessierte und nette Vereine eine Gruppenführungen bei mir gebucht hatten. Dabei hatte ich das Gefühl, dass man vielleicht doch noch die Welt retten kann, weil so viele Menschen – auch wenn sie nichts mit Öko oder den Grünen zu tun haben – sehr deutlich und aufgeklärt ihre Sehnsucht nach einer intakten Umwelt auch mitteilen.
Was macht Ihre Schafe-Herde?
Wittur: Die sind völlig aus dem Häuschen! Slow Food Deutschland hat nämlich die alte, rotköpfige Coburger Fuchsschafrasse, als Archepassagier aufgenommen. Wir sind also dem langfristigen Erhalt dieser genügsamen und robusten Schafe wieder ein kleines Stück näher gekommen. Das ist zumindest meine Interpretation. Dass sie aus dem Häuschen sind, könnte aber auch daran liegen, dass ich diesen Herbst einen anderen Bock in die Herde gebracht habe.
Worauf hätten Sie 2018 verzichten können?
Wittur: Darauf zu hoffen, dass es regnet.
Auf 2019 freue ich mich . . .
Wittur: . . . weil bis zum Sommer in Volkach eine Art Kunstforum für Quitten entstehen wird. Mit wechselnden Ausstellungen, wie die besondere Frucht auch von Künstlern dargestellt wird, inklusive Kunstworkshops. Und dass es in Kürze an der Mainschleife so etwas wie einen Schulbauernhof mit Inklusions-Café geben wird – da kriegt man dann auch endlich Kuchen mit Bio-Zutaten.