Von einem Weingut hat man ja ein bestimmtes Bild vor Augen: eine kleine Empfangshalle, die unvermeidliche Probierstube, das Büro, Abfüll- und Lagerhalle und vielleicht noch ein netter kleiner Weinkeller.
Wer mit diesem Bild im Kopf zu Brennflecks nach Sulzfeld geht, wird das Klischee schnell vergessen. Wenn man den Hof durchschritten und die Freitreppe erklommen hat, öffnet sich einem hinter der Tür kein Weingut "von der Stange". Vielmehr hat man den Eindruck, ein kleines Schloss zu betreten.
Die hohe Halle mit der breiten Treppe zum Obergeschoss verfehlt ihre Wirkung nicht, ebenso wenig das Interieur. Große Gemälde, allerlei Zier- und Schmuckgegenstände an den Wänden und antike Möbel legen über den Raum den Hauch der Historie. An der Seitenwand der Halle fällt der Blick in ein anderes, lichtdurchflutetes Kleinod: ein komplett ausgestattetes Biedermeier-Zimmer.
Wenn man sich jetzt als Hausherrn einen weißhaarigen Patriarchen vorstellt, der gemächlichen Schrittes durch seine Hallen wandelt, hat man sich schon wieder getäuscht. Hugo Brennfleck, der heutige Inhaber des Weingutes, ist ein jugendlich wirkender 39-Jähriger, der seinen Besuch in Jeans und sportlichem Hemd begrüßt.
"Das Haus war früher noch viel voller mit Antiquitäten, aber als wir den Betrieb 1998 übernahmen, haben wir auch ein bisschen umgestaltet", sagt er. Mit "wir" meint Brennfleck seine Frau Susanne (32), mit der er das Weingut managt. So sehr das historische Ambiente auch zu dem mehr als 500 Jahre alten Haus passt, so wenig wollen die jungen Brennflecks aus dem Haus ein Museum werden lassen. Denn schließlich gilt es, einen modernen Wein zu produzieren und - als Selbstvermarkter - an Mann und Frau zu bringen.
Ein Blick in die Geschichte des Weinguts Brennfleck lohnt sich dennoch: 1479 wird das Anwesen von dem Adelsgeschlecht der "von Esel" erbaut, nach dem heute noch der Hof benannt ist. In den folgenden Jahrhunderten hat der Hof verschiedene Besitzer. Um 1728 lässt die Witwe Eva Sabine Pfennig das Wohnhaus des Eselshofes "in baulichem Wesen mercklich verbessern, zu nutzlich und notwendiger Bequemlichkeit einrichten und durchaus erneuern".
Im 19. Jahrhundert gehört der Hof überwiegend dem "Königlichen Appelationsrat" Dr. Lippert, der 1874 verstirbt. Die Erben veräußern das Gut an den Darlehensverein Sulzfeld, 1894 wird der Hof versteigert. Den Zuschlag erhält der Kommerzienrat Georg Brennfleck, Urgroßvater des heutigen Inhabers.
Die Geschichte der Sulzfelder Brennflecks beginnt jedoch schon früher. "Um 1800 kamen die ersten Brennflecks nach Sulzfeld", berichtet Hugo Brennfleck. Vorfahre Josef Brennfleck gründet 1857 eine Weinhandlung und legt damit den Grundstein für eine mehr als hundert Jahre währende Handelstätigkeit der Familie. Erst Hugo Brennflecks Vater Martin lässt den Weinhandel auslaufen - die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen konzentriert man sich wieder viel stärker auf den Weinbau, und hier sehen auch die jungen Brennflecks ihre Chancen - selbst in einer Zeit, in der die Gefahr groß ist, im Übermaß des Weinangebotes zu ertrinken.
Das Motto der Winzerfamilie beschreibt Hugo Brennfleck mit knappen Worten: "Zu jeder Zeit das Richtige tun." Will heißen: Nicht nur an Traditionen festhalten, sondern auch Neues wagen.
Für ihn und Ehefrau Susanne ist die Marschrichtung längst klar: Wer in der harten Auseinandersetzung auf dem Weinmarkt überleben will, muss mit Qualität und individueller Ausstrahlung punkten. Und: Auch als Winzer mit gutem Namen in der Branche darf man sich nicht scheuen, notfalls auch mal Klinken zu putzen. Hugo Brennfleck hat da so seine Erfahrungen gemacht: "Wir sind dann auch an die gehobene Gastronomie herangegangen, was nicht immer leicht war." Inzwischen steht Brennfleck-Wein in mehreren Top-Lokalitäten und selbst in Casinos auf der Karte.
Und dann war da noch die Sache mit der Werbung: "Eigentlich hatte ich mit Marketing nichts am Hut", berichtet Hugo Brennfleck, der sich lange Zeit mehr als traditioneller Winzer im Weinberg sah. Doch dann kam so mancher dezente Ratschlag von Vertretern oder Marketing-Spezialisten. Schließlich konnten sich die Brennflecks mit dem Gedanken anfreunden, auch auf Messen im In- und Ausland zu gehen.
Der Grund liegt auf der Hand: "Die reinen Frankenwein-Kunden werden immer weniger." Die schöne Zeit, als sich die Stammkunden regelmäßig ihre Kisten schicken ließen oder gleich selbst vorbei kamen, ist - teilweise zumindest - vorüber. Eine Tatsache, die die Brennflecks inzwischen nicht mehr schreckt, haben sie doch neben der Vermarktung auch die Weinherstellung moderner gestaltet. "Wir wollen einen hochwertigen Wein, der Spaß macht beim Trinken", erläutert Hugo Brennfleck die Philosophie. Und so steckt er seine Energie vor allem in den Riesling-Anbau. Gute Lagen in Escherndorf hat er inzwischen gefunden. Auch bei den "Frank und Frei"-Winzern macht er mit.
Für die Familie, zu der die Töchter Anna-Lena (6) und Antonia (3) gehören, hat der moderne Weinbau jedoch seinen Preis. Susanne Brennfleck kann sich einen leichten Seufzer nicht verkneifen: "Einen Tag ohne den Wein gibt es nicht."