Ein paar Mal im Jahr, bei ausgesuchten Anlässen, wird es laut im kleinen Steigerwalddörfchen Füttersee bei Geiselwind. Dann haben die sechs Böllerschützen der dortigen Schützengesellschaft ihren Auftritt, um aus ihren Böllergeräten krachende Salutschüsse gen Himmel zu jagen. So einer wird wieder am Silvestertag sein.
Gemeinsam mit einigen Böllerschützen aus Oberfranken gehen die Fütterseer ihrem ungewöhnlichen Hobby im benachbarten Ebracher Ortsteil Großgressingen nach. Beim dortigen Treffen wird am Vormittag ab 11 Uhr das alte Jahr sozusagen verabschiedet.

Dieser ungewöhnliche Vorgang ist nicht als reine Gaudi zu verstehen – sondern als Traditionspflege. Denn das Böllern mit den bis zu 20 Kilo schweren, teilweise wie kleine Kanonen aussehenden Geräten, geht auf eine Historie bis mindestens ins 14. Jahrhundert zurück. Früher diente es als Signal, als eine Art Ehrerbietung für Persönlichkeiten, oder wurde zu besonderen Festtagen, zum Beispiel Hochzeiten und Kirchweihen, geschossen.
Böse Geister vertreiben
Daneben wurde und wird es in den Rauhnächten um die Jahreswende praktiziert, besonders an Heiligabend oder zu Neujahr, zur Sonnwende. Einst, so schreibt das Internet-Lexikon Wikipedia weiter, geschah dies, um böse Geister zu vertreiben und die anstehende Zeit mit guten Vorzeichen zu beginnen.

Aber wie kommt man als Schützenverein auf die Idee, eine Gruppe Böllerschützengruppe zu gründen? "Wir haben das vor einigen Jahren mal bei einem Fest in Schwaben gesehen und waren ziemlich beeindruckt. Da dachten wir, so etwas könnten wir bei uns auch mal machen. Wir wollten auch etwas Neues in den Verein bringen, was nicht jeder hat", erzählt Andreas Klein.
Prüfung im Lockdown abgelegt
Er ist Schützenmeister im Verein und gehört zu der Gruppe. Mit Thomas Gampel, Matthias Klein, Erwin und Florian Kirner sind es aktuell fünf Schützen, die sich ein Böllergerät angeschafft haben. Das gilt übrigens nicht als Waffe und wird auch nicht als solche bezeichnet. Um es zu führen, muss man einen Kurs absolvieren und eine Prüfung ablegen. Zu Zeiten des Corona-Lockdowns taten das die Fütterseer, die sich mehr und mehr für das ungewöhnliche Hobby begeisterten.

Ganz ungefährlich ist die Sache nicht, schließlich wird mit Schießpulver hantiert. Es gilt, die Prüfung alle fünf Jahre neu abzulegen, zudem muss man seine Erlaubnis zum Böllern verlängern lassen. Weitere Voraussetzungen zum Mitmachen sind neben der Erlaubnis und dem Gerät die Mitgliedschaft im Verein.
Es wirkt ein wenig exotisch, beinahe militärisch, wenn die Böllerschützen zur Tat schreiten. Sie knien in einer Reihe mit Abstand zueinander, um ihr Pulver aus dem Säckchen in den Lauf ihres Böllergeräts zu füllen. Ein eigener Böller-Kommandant, der mit Säbel ausgestattet ist, erteilt die Kommandos. "Verdämmen", heißt es zunächst. Dabei wird ein Stopfer mit einem Hammer fest in den Lauf geklopft, damit das Pulver fest sitzt. Der Stopfer kommt wieder weg. Auf das nächste Kommando wird das Zündhütchen aufs Piston gesetzt, dann kann es losgehen.
Kraftaufwand nötig
Das Piston ist hohl, beim Abschlagen des Schlaghahns trifft dieser auf das Piston, wodurch das aufgesetzte Zündhütchen zündet. Der Zündstrahl wird zur Treibladung geleitet und entzündet diese.
Das Böllern, wie es die Fütterseer Schützen ausführen, erfordert Kraftaufwand. Die teils wie Kanonen wirkenden Böllergeräte sind nicht gerade leicht. Geböllert wird im Stehen mit dem Schaft nach oben. "Schützen habt acht: Hoch legt an! Spannt den Hahn! Gebt Feuer!", heißt es. Dann knallt es nach einem vorher festgelegten Rhythmus.
Unbedingt mit dabei haben sollte man einen Gehörschutz, denn bei etwa 35 Gramm Pulverladung rummst es ganz gewaltig beim Abfeuern. Die Böllergeräte sind übrigens teils recht kunstvolle Stücke, die gebraucht kaum zu bekommen und nicht günstig sind. Ob Handböller, Schaftböller oder Böllergerät, neu muss man mit rund 2.000 Euro rechnen.
Böllern für Aiwanger
Für die fünf Schützen aus dem Geiselwinder Ortsteil ist es das wert. Sie hatten einen ihrer ersten Auftritte beim Besuch des bisher prominentesten Gasts im kleinen Dorf, dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Im Sommer 2022 zeigte sich der Politiker beeindruckt von der Begrüßung auf diese traditionelle Art.
Die wird übrigens auch anderswo in Schützenvereinen hoch gehalten. So zählt der Bayerische Landesportschützenbund laut seiner Internetseite in der Sparte gut 700 Vereine mit knapp 10.000 böllerberechtigten Personen, die meisten in Oberbayern mit mehr als 4000. Unterfranken ist auch gut vertreten, kommendes Jahr findet sogar ein unterfränkisches Treffen der Böllerschützen in Altfeld bei Marktheidenfeld statt. Da wollen die Fütterseer selbstverständlich mit dabei sein.