Wer geht schon freiwillig in den Knast? Der Schwarzacher Tom Klossek war kürzlich aus freien Stücken für einen Tag in der JVA Darmstadt. Nicht um zu „sitzen“, sondern um zu laufen.
Klossek war einer der 160 externen Teilnehmer beim ersten Darmstädter Knastmarathon. Hinzu kamen noch 25 Insassen der JVA. Die Idee zum Marathon hatte der Gefängnis-Sportverein und suchte dafür auch interessierte externe Läufer. Einzige Bedingung: keine kriminelle Vergangenheit oder Verwandtschaft zu einsitzenden Personen.
Die besonderen Umstände des Laufs waren es, die Klossek reizten, sich für die Teilnahme zu bewerben. Denn begeisterter Langstreckenläufer ist der 39-Jährige schon lange. Allerdings unterschied sich der Knast-Marathon erheblich von gewöhnlichen Rennen: Wo sonst braucht es zum Erhalt einer Startnummer ein polizeiliches Führungszeugnis? Auch vorher mit dem Metalldetektor abgetastet und vom Drogenspürhund beschnüffelt zu werden, war eine neue Erfahrung. Die Durchleuchtung der Sporttasche erinnerte Klossek eher an den Flughafen, als an einen Marathon.
Nach dem Passieren der Kontrollen und einer Stärkung ging es um 10 Uhr an den Start. Der Rundkurs durch den Großteil der Anstalt war nur 1,7 Kilometer lang, musste also 24 Mal durchlaufen werden. Er führte die Läufer entlang der verschiedenen Zellenblöcke, immer entlang der mit Stacheldraht gesicherten Gefängnismauer. Die Strecke war flach, es gab keinerlei Steigungen, dafür aber viele Kurven und Kehren. Für Klossek ein Plus, denn enge Wenden liegen ihm. Insgeheim hoffte er, unter vier Stunden zu kommen, doch dann machte sich eine noch nicht auskurierte Erkältung mit Husten und Halsschmerzen bemerkbar.
Als das Thermometer nach der Hälfte der Strecke auf knapp 30 Grad stieg, dachte er ans Aufgeben. Doch der Blick auf die Zuschauer am Wegrand motivierte neu: Immer neue Häftlinge auf Freigang feuerten die Läufer an. „Besonders wenn ich mal vor oder hinter einer der wenigen teilnehmenden Läuferinnen war, wurde ich von der Welle der Begeisterung mitgetragen“, grinst Klossek. Klar, dass er im Männerknast in der Gunst des Publikums keine Chance gegen die Frauen hatte.
Am Ende ging Klossek mit einer Laufzeit von 4.25 Stunden durchs Ziel, doch die war nebensächlich. Die Teilnahme an dieser wohl weltweit einzigartigen Marathonveranstaltung war wichtiger als jede Zeit. Die Finisher-Medaille und das farbige Armband, das die Externen als einziges Merkmal von den Inhaftierten unterschied, haben zuhause einen Ehrenplatz. „Klasse war es, wie sich die Zuschauer und die Läufer gegenseitig puschten“, erinnert sich Klossek. Dennoch war er froh, nach einem Tag Knast wieder frei zu sein. Das beklemmende Gefühl, immer nur Gitter und Stacheldraht zu sehen, wich erst als er wieder zuhause war. Dennoch steht für ihn fest: nächstes Jahr gehe ich wieder in den Knast – zum Marathon.