Auf den ersten Blick ist es ein Streit zwischen Stadt und Landkreis Würzburg. Doch im Kern geht es um Trinkwasserschutz auf der einen und wirtschaftliche Interessen auf der anderen Seite. Die drei Hauptakteure: die Trinkwasserversorgung Würzburg GmbH (TWV), der Gips-Weltmarktführer Knauf aus Iphofen und die Recyclingfirma Beuerlein aus Volkach (beide Lkr. Kitzingen).
Die TWV will das Trinkwasserschutzgebiet "Zeller Quellen" erheblich vergrößern. Auf demselben Gebiet, in der Altertheimer Mulde, will die Firma Beuerlein aber eine Deponie für belastete Bau-Abfälle errichten, Knauf will dort ein riesiges Gips-Bergwerk betreiben. Das passt nicht zusammen und birgt Risiken, sagen Wasserschützer.

Ein Wettlauf mit der Zeit um Genehmigungen hat begonnen. Für rund 85.000 Menschen in Stadt und Landkreis Würzburg wird der Ausgang der Auseinandersetzung auf jeden Fall Folgen haben. Ein Überblick, worum es geht:
1. Vergrößerung des Wasserschutzgebiets: Würzburgs Trinkwasser soll langfristig gesichert werden

Darum geht's: Seit 125 Jahren versorgen die Zeller Quellen ganz Würzburg mit Trinkwasser. Mengenmäßig heruntergebrochen, ist es die halbe Stadt Würzburg - derzeit rund 65.000 Menschen. Um die Versorgung auch in Zukunft sicherzustellen, will die TWV die Erweiterung des Wasserschutzgebietes Zeller Quellen von acht auf 66 Quadratkilometer durchsetzen.
Gerade im Klimawandel werde "Trinkwasser aus der Region für die Region" immer wichtiger, sagt Alfred Lanfervoß, Abteilungsleiter bei der TWV. Cornelia Wolfram, Geologin des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg, geht einen Schritt weiter: "Die Wasserversorgung der Stadt Würzburg ist nicht ersetzbar. Wir haben keine Alternative."

Wer betroffen ist: Zu den 65.000 Trinkwasser-Beziehern in Würzburg kommen etwa 18.000 Menschen in den zwölf Landkreisgemeinden, die in dem Bereich des geplanten Groß-Schutzgebietes leben. Da dort mit Auflagen zu rechnen ist, kann das unter Umständen die Kommunen, Landwirte, Häuslebauer, Firmen und Privatleute einschränken. Zum Beispiel müssten Abwasserrohre häufiger kontrolliert werden, es dürften keine neuen Rohstoffe aus der Erde geholt und neue, stärker befahrene Straßen müssten kostspieliger abgesichert werden. "Wasserschutz ist wichtig, aber er kostet den Landkreis Geld", sagt Landrat Thomas Eberth. Er plädiert für einen Ausgleich.

Aktueller Stand: Das Schutzgebietsverfahren ist eröffnet. An diesem Freitag, 25. Oktober, findet der erste Erörterungstermin statt. Ausgang offen.
Zentrale Fragen: Ist die Trinkwasserversorgung für halb Würzburg in Gefahr, wenn die Deponie und das Gips-Bergwerk gebaut werden? Und könnte man das Gebiet überhaupt noch zu einem Schutzgebiet ausweisen, wenn eine Deponie und ein Bergwerk in ihm liegen?
2. Bergwerk von Knauf: Konzern will über Jahrzehnte ausreichend Gips

Darum geht's: Die Firma Knauf will in der Altertheimer Mulde Bayerns größtes Gips-Bergwerk bauen und damit den Betrieb ihres Werkes in Iphofen über Jahrzehnte sichern. Dort wird bislang vor allem sogenannter REA-Gips verwendet. Er ist künstlich, weil er in den Rauchgasentschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken entsteht. Doch in Deutschland sollen bis 2038 alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, dann fehlt REA-Gips.
In der Altertheimer Mulde will Knauf in bis zu 130 Metern Tiefe Gips abbauen, in Spitzenzeiten bis zu eine Million Tonnen pro Jahr. Das Bergwerk würde mitten im erweiterten Trinkwasser-Schutzgebiet liegen. Die Rampe für die Zufahrt ins Innere und für den Transport des Gipses an die Oberfläche würde durch die Gesteinsschichten führen, in denen das Trinkwasser Richtung Würzburg fließt. TWV und Umweltinitiativen befürchten deshalb, das Bergwerk könnte Wasserströme unterirdisch verändern – sodass im schlimmsten Fall bis zu 25 Prozent weniger Wasser in Zell ankommt.
Wer betroffen ist: Es gehe um die Sicherung von 2500 Arbeitsplätzen in Mainfranken und "tausende" bei Zulieferern und Dienstleistungsunternehmen, argumentiert Knauf. Die betroffenen Gemeinden, allen voran Altertheim, nähmen durch das Bergwerk Gewerbesteuer ein. Die Grundstückseigentümer profitierten ebenfalls davon, wenn unter ihrer Erde Gips abgebaut wird, denn dafür erhalten sie von Knauf Geld. Andererseits beziehen die etwa 2000 und 5000 Einwohner zählenden Gemeinden Altertheim und Waldbrunn ihr Trinkwasser ebenfalls aus Brunnen, deren Einzugsgebiete vom Gipsabbau betroffen wären.

Aktueller Stand: Ein hydrogeologisches Gutachten hat Knauf kürzlich bescheinigt: Vom geplanten Bergwerk gehe keine Gefahr für das Grundwasser aus. Auch von der Regierung von Unterfranken bekommt Knauf nach sieben Jahren erstmals grünes Licht: Die eingereichten Antragsunterlagen sind laut Regierungssprecher jetzt vollständig. Somit kann das Bergamt Nordbayern, angesiedelt bei der Regierung von Oberfranken, das bergrechtliche Verfahren wieder aufnehmen. Wird das Bergwerk genehmigt, könnte der Bau schon im Herbst 2025 losgehen. Spätestens 2027, so das Ziel von Knauf, soll der erste Brocken Gips in der Altertheimer Mulde aus dem Boden geholt werden.
Zentrale Frage: Könnte das Bergamt Nordbayern das Gipsbergwerk von Knauf überhaupt noch genehmigen, wenn das Landratsamt Würzburg das Gebiet vorher als Wasserschutzgebiet ausweist?
3. Deponie von Beuerlein: Unterfranken soll Lagerplatz für seinen Bauschutt bekommen

Darum geht's: Die Recyclingfirma Beuerlein will ihre Tongrube östlich von Helmstadt zu einer Deponie der Klasse 1 (DK1) umwidmen. Es wäre die einzige in Unterfranken. Sie läge aber in dem erweiterten Trinkwasser-Schutzgebiet. Kritiker befürchten, dass toxische Stoffe das Grundwasser verunreinigen könnten. DK1 steht für die zweitniedrigste Gefährlichkeitsstufe. Der nicht mehr wiederverwertbare Schutt gilt als leicht giftig – etwa wegen Öl, Lackierungen oder Reifenabrieb. Gelagert werden sollen zum Beispiel Bodenaushub und Bauabfälle, Straßenaufbruch, Gleisschotter und Teer.
Wer betroffen ist: Alle, die ihr sauberes Trinkwasser aus dem Wasserschutzgebiet Zeller Quellen beziehen – also 65.000 Menschen in Würzburg sowie rund 5000 Menschen in Waldbrunn, die ihr Trinkwasser aus eigenen Brunnen im gleichen Gebiet gewinnen. Dazu kommen fast 3000 Menschen in Helmstadt, die laut Bürgerentscheid im Jahr 2021 mehrheitlich meinen: "Wir wollen nicht zur Mülldeponie Unterfrankens werden."

Aktueller Stand: Nachdem das Bergamt Nordbayern vor gut einem Jahr entschieden hatte, dass die Deponie gebaut werden darf, klagten die Stadt Würzburg, Stadtwerke und TWV dagegen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schaltete sich ein und gab eine eindeutige Empfehlung ans Verwaltungsgericht Würzburg: Die Deponie sei an diesem Standort eine Gefahr für das Trinkwasser und damit für die Gesundheit der Bevölkerung. Aktuell ruht die Klage. Im Hintergrund finden Mediationsgespräche aller Beteiligten statt. Fraglich ist, ob die Deponie so sicher gebaut werden kann, dass auch in Zukunft keine Giftstoffe ins Grundwasser sickern. Klar ist: Die 2,5 Millimeter dünne Folie, mit der die Grube ausgelegt werden sollte, reicht nicht.
Zentrale Frage: Werden sich alle Beteiligten einig, dass die Deponie mit höheren Sicherheitsvorkehrungen in Helmstadt gebaut werden kann – oder geht der Streit erneut vor Gericht?