Wer die Bilder des Hochwassers in Deutschland vor Augen hat, fühlt sich an den Weltuntergang erinnert. Wie ein Helfer aus dem Landkreis Kitzingen, der in den von der Flut zerstörten Gegenden unterwegs war. "Das ist keine Katastrophe mehr, das ist eine Apokalypse", sagt er. Als sich zum Wochenende hin die Hochwasserlage in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz dramatisch ändert, erreichen auch das bayerische Innenministerium immer mehr dringende Hilferufe aus den betroffenen Regionen.

Zuletzt steuert das Ministerium am Samstag gegen halb sechs Uhr morgens einen Großalarm für das unterfränkische Hilfeleistungskontingent, das im Katastrophenfall binnen weniger Stunden mit einer großen Zahl freiwilliger Helfer und etwa 50 Sanitätsfahrzeugen aller Kategorien einsatzbereit ist. Es handelt sich um eine Sondereinheit, die laut Sohrab Taheri-Sohi, dem Pressesprecher des Bayerischen Roten Kreuzes, nur in wenigen und äußerst dringenden Fällen aufgerufen wird.

Auch das zeigt, wie außergewöhnlich die Lage ist. Diese Einheit bestehe zu 100 Prozent aus ehrenamtlichen Helfern, wie der Pressesprecher betont. Sie rekrutiert sich zum überwiegenden Teil aus Rot-Kreuz-Personal, das bei seiner Aufgabe von den anderen Hilfsorganisationen im Bezirk unterstützt wird.
Fünfköpfiges Taucherteam sucht Bundesstraße ab
Als der Alarm ausgelöst wird, ist eine andere Rot-Kreuz-Einheit gerade wieder aus dem Katastrophengebiet zurückgekehrt: der Wasserrettungszug (WRZ) Unterfranken, der sich aus verschiedenen Wasserwacht-Gemeinschaften bildet, unter anderem einem fünfköpfigen Tauchtrupp der Wasserwacht Sulzfeld am Main. Die einzelnen Gemeinschaften hatten sich Donnerstagabend nach einem Alarm auf dem Sammelplatz der Autobahnmeisterei Hösbach getroffen und waren im Konvoi in Richtung Erftstadt gefahren. Ihr Einsatzauftrag: Absuche einer versunkenen Bundesstraße nach untergegangenen Fahrzeugen und eventuellen Insassen. Man sah die Bilder immer wieder im Fernsehen.
"Schon ein belastender Auftrag", wie Steffen Lechner, der Anführer des Sulzfelder Tauchtrupps, erzählt. "Gefunden haben wir einige Fahrzeuge. Gott sei Dank waren sie leer!" Mittlerweile sind Lechner und seine Kollegen wieder zu Hause angekommen. "Alle gesund und wohlbehalten", wie er erleichtert feststellt. Er kann sich jetzt erst einmal zurücklehnen und viel versäumten Schlaf nachholen. Ob er und seine Kameraden abschalten können und die verstörenden Bilder des Einsatzgebiets so schnell aus dem Kopf bekommen, ist eine andere Frage.

In der BRK-Rettungswache Volkach dagegen ist nach dem Kontingentalarm am Samstag rege Betriebsamkeit ausgebrochen. Gruppenführer Bernd Pfaff hat den "Gerätewagen Sanität" aus der Garage geholt. Ein 7,5-Tonner-Gerätewagen mit hohem strategischen Stellenwert, ausgestattet mit allem denkbaren medizinischen Gerät und Material sowie eigener Stromversorgung.
Die fünfköpfige Besatzung kann damit einen Behandlungsplatz mit Ausgabe des gesamten Materials unterstützen – angefangen von Decken über Verbandsmaterial bis hin zu EKG-Geräten, Infusionen und Beatmungseinheiten. Und das für eine Zahl von bis zu 50 Patientinnen und Patienten.

Mit Blaulicht geht es über die verstopfte Autobahn
Schnell muss es jetzt gehen. Um 12 Uhr sollen die Volkacher Hilfskräfte am Sammelplatz in Hösbach sein. Ein Motorradfahrer der Kitzinger BRK-Motorradstreife trifft ein. Er wird dem Gesamtverband vorausfahren und ihn bestmöglich zum Ziel lotsen. Um 10 Uhr startet die Einheit. Die Autobahn ist – natürlich – mal wieder verstopft. Jetzt geht es mit Blaulicht und Martinshorn weiter.
Das Motorrad bereitet dem Konvoi eine Gasse. Je näher er Hösbach kommt, desto mehr Blaulichtfahrzeuge sind zu sehen. Sie treffen aus allen Richtungen ein, 50 Einsatzwagen mit 125 Hilfskräften, die sich aus den verschiedensten Komponenten zusammensetzen: Transport und Versorgung, medizinische Behandlung, Technik- und Führungseinheit.

Auf dem Platz der Autobahnmeisterei werden alle Kräfte registriert, danach geht es los. Ziel ist die Eifel, die sichere Umgebung des Nürburgrings, da dieser ziemlich hoch liegt. So gut es eben geht, werden die Helfer durch ortsansässige Organisationen versorgt. Kurz vor Mitternacht geht das Kitzinger Team in sein Schlaflager, "ein Klassenzimmer in einer nahen Schule", wie Teamleiter Pfaff am Telefon erzählt.
Am Sonntagvormittag stehen erst einmal Einweisungs- und Orientierungsgespräche an. Welches Einsatzgebiet den Volkacher Helfern zugewiesen wird und welche Aufgaben sie übernehmen, muss der Tag zeigen.