Es ist ein Schritt mit Symbolkraft: Firmenpatriarch Nikolaus Knauf aus Iphofen (Lkr. Kitzingen) ist von seinem Ehrenamt als russischer Honorarkonsul zurückgetreten. Das teilte das Konsulat mit Sitz in Nürnberg am Montagabend mit.
Demnach gab der 85-jährige Seniorchef des Gipskonzerns Knauf bereits am Freitag diese Funktion ab, die er seit 1999 innehatte. Als Honorarkonsul sei es Knauf stets wichtig gewesen, "Brücken zu bauen zwischen den Menschen in Deutschland und Russland", heißt es in der sechszeiligen Mitteilung.

Indes will der Weltmarktführer an seinen Geschäften und Standorten in Russland trotz des internationalen Drucks auf das Land festhalten. Wie Unternehmenssprecher Jörg Schanow am Dienstag auf Anfrage mitteilte, habe Knauf "eine soziale Verantwortung für mehr als 4000 Mitarbeiter und deren Familien sowie für zahlreiche Kunden und Lieferanten in Russland, die von uns abhängig sind". Dem wolle sich das Unternehmen nicht entziehen.
Knauf hat nach eigenen Angaben in Russland 14 Niederlassungen und ist seit fast 30 Jahren dort geschäftlich verankert. Wie viel Umsatz der Konzern im flächenmäßig größten Land der Welt macht, darüber gibt die Zentrale in Iphofen keine Zahlen preis. In den vergangenen Tagen hatten sich namhafte Großunternehmen wie Google, VW, BMW, SAP oder Ikea wegen des Ukraine-Kriegs für ein Embargo gegen Russland und teilweise Belarus entschieden.
Warum Knauf in Russland bleiben will
Knauf-Sprecher Schanow schrieb am Dienstag weiter, dass sich die aktuellen Sanktionen des Westens "ganz bewusst nicht gegen die Zivilgesellschaft in Russland richten sollen". Sein Unternehmen versorge das Land mit Baustoffen zur Herstellung "dringend benötigter Wohnungen".
Das wiederum sei ein Grundbedürfnis der Menschen vor Ort. Deshalb sei für Knauf ein Rückzug aus Russland "gegenwärtig nicht geboten" - trotz der "schwierigen Situation in der Ukraine".
In dem Unternehmen mit seinen weltweit 40 000 Beschäftigten gibt es eine sogenannte Taskforce, die dem Vernehmen nach mehrfach täglich über die Lage rund um den Ukraine-Krieg berät. In dem vom Krieg erschütterten Land schloss der Konzern vor wenigen Tagen aus Sicherheitsgründen ein Werk mit knapp 600 Beschäftigten.
Hintergründe zum Rücktritt von Nikolaus Knauf
Obwohl die Gründe für den Rücktritt von Nikolaus Knauf als Honorarkonsul offiziell nicht bekannt sind, liegt nahe, dass er mit dem Ukraine-Krieg und den verschärften Sanktionen gegen Russland zu tun hat. Nikolaus Knauf werden freundschaftliche Beziehungen zu Machthaber Wladimir Putin nachgesagt.
Der 85-Jährige hat mit seinem Cousin Baldwin Knauf das Unternehmen zum Weltmarktführer für Baustoffe rund um Gips aufgebaut. Zu seiner Rolle als russischer Honorarkonsul für Nordbayern hat sich Nikolaus Knauf in den vergangenen Tagen in der Öffentlichkeit nicht geäußert. Sein Unternehmen bezeichnete kürzlich auf Anfrage dieser Redaktion das Ehrenamt als persönliche Angelegenheit des 85-Jährigen, das nichts mit dem Konzern zu tun habe.
Was es mit dem Honorarkonsulat Russlands auf sich hat
Dennoch stammt die E-Mail vom Montag, in der der Rücktritt Knaufs verkündet wurde, aus der Knauf-Zentrale in Iphofen - versehen mit dem Briefkopf des Honorarkonsulats. Die Website dieser Einrichtung am Rande der Nürnberger Altstadt ist seit Tagen abgeschaltet.
Zuvor waren dort noch die Verdienste des Hauses betont worden. Seit seinem Amtsantritt 1999 habe Nikolaus Knauf "eine Vielzahl von kulturellen und sozialen Veranstaltungen organisiert oder unterstützt", um die Menschen in Deutschland und Russland zusammenzubringen, heißt es in dem Schreiben des Honorarkonsulats.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin vertritt ein Honorarkonsulat hierzulande die Interessen der Nation, für die es steht - im Fall von Nikolaus Knauf also Russland. Ein Honorarkonsul ist im Ehrenamt sowie zusätzlich zu den offiziellen diplomatischen und konsularischen Vertretungen des Landes tätig. Aufgabe ist vor allem die wirtschaftliche Beratung beider Nationen.