Die Lange Gasse in Iphofen ist eine Illusion. Denn eigentlich ist sie eher breit als lang. Eine 15 Meter breite Flucht, mehr Platz als Straße, eingefasst von schmucken Bürgerhäusern. Wer sich ihr vom Einersheimer Tor nähert, "fährt in eine graue Wüste". So sieht es Stadträtin Peggy Knauer. Wer den Weg als Fremder nimmt und in die Altstadt will, "ist erst einmal enttäuscht, dass nicht mehr los ist". So sieht es Stadtplaner Franz Ullrich. Der Weg zum Marktplatz ist lang und drei Ecken entfernt. Die Lange Gasse knickt im rechten Winkel einmal ab, knickt unten noch einmal nach links ab zum Eiermarkt, und erst dann steht man in Iphofens guter Stube, die in dieser Geschichte wieder einmal Ziel- und Endpunkt ist.

Nachdem man sich die letzten Jahre so oft verlaufen hat, wollen Stadtplaner und Stadtrat sich nun über den Umweg von Langer und Oberer Gasse der Frage nähern: Was soll aus dem Marktplatz werden? Wie soll er gestaltet und genutzt werden? Und vor allem: Wie lassen sich die unterschiedlichen Interessen möglichst verträglich in Einklang miteinander bringen? Einen "Einstieg" in dieses "sehr schwierige Thema" gilt es aus Sicht von Stadtplaner Ullrich zu finden.
Der Stadtrat ist aus der Debatte um den Marktplatz ausgestiegen
Das verniedlicht den Aspekt, dass der Stadtrat nach drei Jahrzehnten end- und zielloser Diskussion aus dem Thema ausgestiegen ist. Der frühere Bürgermeister Josef Mend, der nun wirklich kein Zauderer war, gab sich irgendwann zum Ende seiner 30-jährigen Amtszeit geschlagen. Er hatte vor den ganzen Bedenken, Ausreden und Zwängen schlicht kapituliert. Andere warnten, dass Iphofen "abgehängt" werde, sollte sich in der Ortsmitte nichts ändern.

Die Realität am Marktplatz sieht nach wie vor so aus: Zu gewissen Zeiten, vor allem am Wochenende, wird der Ort gern als Ausgangspunkt für Touren durch die Altstadt genutzt – von Leuten, die hier kreuz und quer ihre Autos abstellen. Und unter der Woche parken hier Menschen, die am Marktplatz wohnen oder arbeiten. Versuche, zu einer einvernehmlichen Lösung zu finden, den Marktplatz vielleicht sogar autofrei zu bekommen, sind regelmäßig gescheitert. Immer wieder fiel dabei das Wörtchen Mut.
Mend sagte: "Vielleicht hat uns der Mut gefehlt." Sein Nachfolger Dieter Lenzer sagt: "Das ist eine Frage des Mutes." Otto Kolesch, der das Trauerspiel seit 32 Jahren als Stadtrat begleitet, sagt: "Wir sollten jetzt den Mut haben, das Problem anzupacken." Ohne Mut wird es also nicht gehen – aber besser noch nicht jetzt. Denn vor einer möglichen mutigen Entscheidung will der Stadtrat die Sache erst einmal delegieren. Der Stadtplaner hat einen Ideenwettbewerb vorgeschlagen. "Man macht das Fenster auf für neue Möglichkeiten", sagt Franz Ullrich. Fachbüros sollen in den nächsten Monaten mit ihrer Expertise zu einer Verbreiterung der Diskussion beitragen.
"Iphofen kann mehr, Iphofen ist mehr als diese graue Wüste in der Langen Gasse."
Peggy Knauer, Iphöfer Stadträtin
Der Betrachtungsraum umfasst neben dem Marktplatz auch Lange und Obere Gasse. Für beide Straßenzüge, die als Bypässe das pulsierende Herz der Stadt erschließen, liegt zwar eine fertige Planung vor. Nur ist die mittlerweile knapp 20 Jahre alt. Ullrichs Vorgänger, der vor einem Jahr gestorbene Stadtplaner Hartmut Schließer, hat sie 2005 im Auftrag der Stadt erarbeitet. Das Konzept stand kurz vor der Umsetzung, dann aber musste sich die Stadt eines dringenderen Falles annehmen: der statisch maroden Ludwigsbrücke, bloß einen Steinwurf von der Langen Gasse entfernt.

Viel Geld floss in deren Sanierung, und als man damit fertig war, waren die Pläne für die Lange und Obere Gasse in irgendeiner Schublade verschwunden. Dem Gedächtnis von Otto Kolesch ist es zu verdanken, dass sie nun wieder aufgetaucht sind. Denn als der Stadtrat neulich über die Gestaltung beider Gassen diskutierte, erinnerte Kolesch an das Papier.
Ein weiterer Teil der Altstadt soll mit Nahwärme versorgt werden
Das Projekt landete auf dem Ratstisch, weil in der Langen und Oberen Gasse dringend Kanal und Wasserleitung erneuert werden müssen. Zudem soll auch dieser Teil der Altstadt demnächst mit Nahwärme versorgt werden. Eine gute Gelegenheit also, den Bereich auch unter Gestaltungsaspekten neu zu vermessen. Kolesch plädiert dafür, die alte Planung weitgehend zu übernehmen, sie jedoch um den "klimaresilienten Aspekt" zu ergänzen. Schließer hatte eine dezente Überplanung mit drei unterschiedlichen Pflasterflächen vorgeschlagen und sah in der Langen Gasse "Platzcharakter".

"Der Ansatz war gut", so Kolesch. "Wir werden es nicht besser hinkriegen." Bürgermeister Lenzer vermisst in dem Papier die "Gestaltungsansätze". Die Frage, wie der Raum genutzt werden soll, wo Parkplätze und eventuell mehr Grün hinsollen, beantworte das Konzept von damals nicht. Peggy Knauer sagt: "Iphofen kann mehr, Iphofen ist mehr als diese graue Wüste in der Langen Gasse. Der Bereich schreit danach, mal überplant zu werden."
Auch andere Stadträte hörten offenbar diese Rufe. Sie fanden die Idee, die beiden Gassen und den Marktplatz als Ganzes zu betrachten, durchaus charmant und stimmten deshalb der Auslobung eines Ideenwettbewerbs zu. Die Regierung von Unterfranken will die Kosten dafür laut Lenzer zu 80 Prozent fördern. Auch Kolesch kann mit diesem Vorschlag leben. Er sagt: "Lassen wir die Kameraden mal antanzen, und dann schauen wir, was sie zu bieten haben."