Wiesen mit Streuobstbäumen gehören zum Erscheinungsbild vieler fränkischer Dörfer. Doch wie werden immer seltener. So manche Wiese ist ersatzlos einem Neubaugebiet gewichen, andere wurden aufgegeben. Die Pflege der Bäume ist zeitaufwendig, viele wissen nicht, was sie mit den Früchten anfangen sollen. Im Supermarkt verkauft sich makelloses Obst aus Monokulturen besser.
Moderne Landwirtschaft ist nicht nachhaltig
Die Brüder Leon und Christian Schättler aus Geesdorf steuern gegen diesen Trend an. Im Frühjahr haben sie eine 1,5 Hektar große Fläche mit Streuobstbäumen bepflanzt. 400 Bäume auf weiteren 3,3 Hektar werden folgen. Die Arbeiten dafür laufen gerade.

"Ein Hektar Wiese ist Heimat für über 5000 Tier- und Pflanzenarten", sagt Christian Schättler. "Durch Monokulturen kommt es zu extremen Artenverlust und Verlust der Biodiversität. Die aktuelle Arbeitsweise der modernen Landwirtschaft funktioniert nicht nachhaltig", so der 24-Jährige. "Wir haben uns gefragt, wie wir dem entgegenwirken können und gleichzeitig die Schätze der Natur sinnvoll nutzen können", ergänzt sein zwei Jahre jüngerer Bruder Leon.
Wein von der Streuobstwiese
Die Liebe für die Natur wurde den Brüdern in die Wiege gelegt. Die Familie führt einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb. Vor über 25 Jahren pflanzten Vater und Großvater die erste Streuobstwiese und legten Blühflächen für Wildbienen und andere Insekten an. Ihnen lag der Schutz des Ortolans, ein gefährdeter heimischer Singvogel, der auf Wiesen brütet, besonders am Herzen. Das Streuobst verarbeiten sie seither zu Bränden und Likören.

Das Vorhaben von Leon und Christian Schättler ist ambitioniert. Hunderte neue Bäume, die erst nach acht bis zehn Jahren Früchte tragen, eine solche Investition muss verlässlich funktionieren. Erst recht in einer trockenen Region wie Unterfranken. Deswegen entwickelten die Schättlers ein effizientes und nachhaltiges Bewässerungssystem. Auf den neu angelegten Wiesen haben sie unterirdische Leitungen verlegt. "Das Wasser gelangt direkt an die Wurzeln und es gibt keinen Verlust durch Verdunstung", erklärt Leon Schättler. So ist gewährleistet, dass die Bäume in ihren den ersten Jahren starke Wurzeln bilden. Beim Pflanzen wurden würfelförmige Löcher ausgebaggert und mit fruchtbarer Erde aufgefüllt, damit sich die Wurzeln entfalten können.

Bleibt noch die Frage nach der wirtschaftlichen Nutzung. Obstbrände werden in nahezu jedem Dorf Mainfrankens gebrannt, Säfte stehen in Konkurrenz mit preiswerter Importware. Aber Leon und Christian Schättler hatten eine Idee: einen Wein auf Streuobstbasis. "Graturo" heißt ihr neues Produkt. "Der Name vereint die lateinischen Begriffe Gratia für Dank und natura für Natur", erklärt Christian Schättler. Angefangen haben die Experimente in der heimischen Küche, heute gehen die Schättler-Brüder in den ehemaligen Stall, der zum Weinkeller umgebaut wurde. Am Ende eines mehrmonatigen Entwicklungsprozesses steht nun ein ausgereiftes Produkt mit geschütztem Markennamen. Zwei Sorten stellen sie dort her, den roten "Beerentraum" und den weißen "Lieblicher Genuss". Die genaue Rezeptur bleibt geheim und lässt Raum für kulinarische Spekulation.

Kein Geheimnis ist dagegen der berufliche Werdegang der Brüder. Mit Obstanbau und Kellerwirtschaft haben sie eigentlich so gar nichts am Hut. Leon ist Elektroniker für Automatisierungstechnik, Christian studierte Betriebswirtschaftslehre. Beide arbeiten in Industriebetrieben. Learning by Doing hieß es bei der Wein-Herstellung. Über Monate hinweg haben sie viel ausprobiert, bis sie mit ihren Weinen zufrieden waren.

Wenn man die beiden nach ihren Streuobstsorten fragt, fallen ihnen aus dem Stegreif 27 verschiedene ein, die meisten im eigenen Anbau sind Apfelsorten. Unter ihnen finden sich etablierte Sorten wie Gravensteiner und Landsberger sowie neue Sorten, beispielsweise Topaz, eine tschechische Züchtung. Neben Äpfeln wachsen Birnen, Zwetschgen, Mirabellen und Quitten auf den Wiesen der Schättlers. Das ganze Jahr über fordern die Bäume ihre Aufmerksamkeit. Von Januar bis März müssen Äste zurückgeschnitten werden. Tragen die Bäume zu schwer, müssen sie entlastet werden. Auch der Boden muss gepflegt werden, damit die Wurzeln nicht von Mäusen angefressen werden. Von August bis Oktober wird dann geerntet.
Damit nicht genug: Im Februar haben sich die Brüder mit "Schättler’s Landbrennerei" nebenberuflich selbstständig gemacht. Verkauft werden die Weine vor Ort und im Internet. Jedes Jahr wollen sie weitere Bäume pflanzen und bald den Traum von einem eigenen kleinen Hofladen wahr werden lassen.