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KITZINGEN: Kitzinger Tafel sucht: Wer fährt aufs Helfen ab?

KITZINGEN

Kitzinger Tafel sucht: Wer fährt aufs Helfen ab?

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    Das Lachen lassen sie sich Manfred Seigner und Horst Zimmermann nicht nehmen, auch wenn sie derzeit bei der Tafel immer mehr Fahrdienste selbst übernehmen müssen.
    Das Lachen lassen sie sich Manfred Seigner und Horst Zimmermann nicht nehmen, auch wenn sie derzeit bei der Tafel immer mehr Fahrdienste selbst übernehmen müssen. Foto: Foto: DIANA FUCHS

    Freundlicher Händedruck, lebenslustiges Grinsen: So kennt man Horst Zimmermann in der Siedlung. Und nicht nur da. Seit zwölf Jahren transportiert Zimmermann Lebensmittel durch den Landkreis – zugunsten von Menschen, die von Armut betroffen sind. Mittlerweile koordiniert er sämtliche Fahrten für die Kitzinger Tafel. Der Siedler macht das gern. Aber inzwischen ist die Personaldecke so dünn, dass er um Hilfe ruft: „Wir brauchen dringend weitere Fahrerinnen und Fahrer, Beifahrerinnen und Beifahrer!“

    Das „Problem“ ist: „Der Job ist ehrenamtlich.“ Sprich: unbezahlt. Jeder, der sich im Sprinter oder im Kühlauto hinters Steuer oder auf den Beifahrersitz setzt, tut das unentgeltlich. „Die Leute sind natürlich versichert“, betont Zimmermann. „Aber Geld verdient man bei uns nicht.“ Entlohnt werde man dennoch, sagt Zimmermann und zwinkert mit den Augen: „Die Arbeit bei der Tafel hält jung!“

    Zimmermann ist selbst das beste Beispiel dafür, dass diese These stimmt. Er wird demnächst 75 Jahre alt und ist aktiv wie eh und je. „Die Leute brauchen uns ja“, erklärt er seinen Antrieb. Manfred Seigner, 1. Vorsitzender der Kitzinger Tafel, fügt hinzu: „Wenn man die leuchtenden Augen der Menschen sieht, die sich bei der Tafel mit Lebenswichtigem eindecken können, dann gibt einem das neue Kraft.“

    Diese Kraft brauchen die Helfer auch. Von Montag bis Samstag steht jeden Vormittag eine „Einsammel-Tour“ auf dem Plan. Manchmal kommt nur der Sprinter-Kleinbus zum Einsatz, oft aber auch das Kühlfahrzeug, je nach Ware. „Wir fangen zirka um halb acht an und sind dann bis Mittag fertig“, berichtet Horst Zimmermann. Angesteuert werden Einkaufsmärkte in Kitzingen, Iphofen, Wiesentheid, Dettelbach und Volkach. „Dort holen wir qualitativ einwandfreie Lebensmittel ab, die im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verkauft werden können, weil zum Beispiel das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft. Ohne uns würden diese Waren – obwohl sie noch tadellos sind – einfach im Müll landen.“

    Auch Backwaren vom Vortag, Waren in beschädigter oder eingedrückter Verpackung und Obst sowie Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern stehen an den Märkten bereit, um zur Kitzinger Tafel gebracht zu werden. „Wir haben eine recht kollegiale Verbindung zu Edeka-Märkten, Aldi, Lidl und Rewe“, betont Manfred Seigner. Mangelhafte Ware sortieren die Mitarbeiter gleich an Ort und Stelle aus. „Es ist gut, wenn man zu zweit unterwegs ist, dann kann man sich gegenseitig beim Beladen des Fahrzeugs helfen“, erklärt Horst Zimmermann. „Wir haben auch zwei Frauen, die regelmäßig Touren übernehmen. Die gehen mit einer Tatkraft da ran, davor kann man nur den Hut ziehen.“

    In Zweier-Teams unterwegs

    Sobald die Lebensmittelspenden im Depot – im Kitzinger Bauhof, Äußere Sulzfelder Straße – angekommen sind, bereiten Ehrenamtliche die Ausgabe vor. Zweimal pro Woche öffnen sich die Türen, vor denen die Menschen schon Schlange stehen.

    Insgesamt 700 Bedürftige, darunter 300 Kinder, haben die Berechtigung, bei der Tafel in Kitzingen Nahrungsmittel und Waren des täglichen Bedarfs zu holen, stellt Herbert Müller fest. Der Ehrenamtliche aus Neuses am Berg tut jeden Donnerstag von 11 bis 16 Uhr Dienst im Kitzinger Tafelbüro, das sich im Paul-Eber-Haus befindet. Dort stellt er Menschen, die von Armut betroffen sind, Berechtigungsscheine aus. Er sagt: „Durch den Ukraine-Krieg sind in den vergangenen Monaten knapp 100 Menschen zusätzlich dazugekommen. Ich habe bei der Erfassung von unfassbaren Schicksalen erfahren, die einen sehr mitnehmen.“ Müller ist froh und dankbar, dass die spontane Spendenbereitschaft vieler Privatleute und Unternehmen es ermöglichte, den Geflohenen direkt und zunächst auch ganz unbürokratisch mit dem Nötigsten zu helfen.

    Aber auch unter Deutschen gibt es immer mehr Hilfsbedürftige. „Bei uns in Deutschland leben Millionen Menschen in Armut oder sind unmittelbar von ihr bedroht“, weiß Manfred Seigner. „Gerade Ältere sparen, wenn das Geld knapp wird, bei der täglichen Ernährung – zu Lasten ihrer Gesundheit.“ Seine jahrzehntelange Erfahrung bei der Tafel hat bei dem Kitzinger eine gewisse Frustration gegenüber der Politik bewirkt. Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, sei schon viel zu lange bekannt, ohne dass politisch wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen worden wären.

    „Es geht immer nur um Wachstum und Profit. Wenn es die rund 900 Tafeln deutschlandweit nicht gäbe, wäre die Wegwerfmasse an qualitativ einwandfreien Lebensmitteln noch viel, viel gigantischer“, betont Seigner. Schon im Jahr 2003, als die Kitzinger Tafel gegründet wurde, hatte Seigner gesagt: „Schön, dass es uns jetzt gibt. Aber traurig, dass man uns braucht.“ Der Bedarf hat seither nicht ab-, sondern noch mehr zugenommen.

    Wiederholt sich die Geschichte?

    Horst Zimmermann, der 74-jährige Siedler, findet, dass er vergleichsweise viel Glück hat im Leben und er engagiert sich deshalb für Menschen, die dieses Glück nicht haben. Früher hat er ehrenamtlich im AWO-Altenheim geholfen. Über einen Aufruf in der Zeitung ist er schließlich zur Tafel gekommen. Jetzt hofft er, dass sich die Geschichte wiederholt – und sein Aufruf ebenfalls Interesse weckt.

    „Gesucht werden Männer und Frauen, die zuverlässig sind und einen halben Tag pro Woche erübrigen können, um Waren aus Supermärkten abzuholen“, fasst er zusammen. „Alles, was sie dafür brauchen, ist ein Führerschein der Klasse B oder 3.“ Zimmermann nimmt Interessenten gerne mit auf eine „Schnupperfahrt“, bei der sie die Arbeit kennenlernen können. Ihm selbst macht die Tätigkeit auch nach zwölf Jahren Freude. „Und sie hält mich jung.“

    700 Menschen bekommen aktuell Hilfe Die Kitzinger Tafel e.V.: Seit der Gründung im Februar 2003 ist der Verein auf 170 Mitglieder angewachsen, knapp ein Drittel davon packt auch ehrenamtlich mit an und hilft, etwa 400 bedürftige Erwachsene und 300 Kinder aus Kitzingen und Umgebung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Die Tafel ist als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich grundsätzlich über private und privatwirtschaftliche Spenden. Ausgabe der Lebensmittel: Mittwochs und samstags je von 14 bis 15.30 Uhr können sich Bürger mit Berechtigungsschein und Ausweis für pauschal zwei Euro im Bauhof der Stadt Kitzingen, Äußere Sulzfelder Str. 16, mit Lebensmitteln eindecken. Informationen/ Meldung zur Mitarbeit: kitzinger-tafel.de; info@kitzinger-tafel.de oder telefonisch 0151/ 26289102 (Horst Zimmermann).

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