Dass die Alternative für Deutschland (AfD) – anders als alle anderen großen Parteien –abstreitet, dass Menschen den Klimawandel verursachen, ist nichts Neues. Das hat die rechtspopulistische Partei sogar in ihrem Grundsatzprogramm festgeschrieben. In seiner ersten Rede im Bayerischen Landtag hat nun allerdings auch der AfD-Landtagsabgeordnete Christian Klingen (Stimmkreis Kitzingen) den Zusammenhang zwischen erhöhten CO2-Emissionen und der Erderwärmung geleugnet. Das Gespräch mit einem Klimaforscher der Universität Würzburg zeigt: Klingens Thesen haben mit dem Stand der Wissenschaft wenig gemein.
In der Plenardebatte um ein Bayerisches Klimaschutzgesetz, das die Grünen in einem Dringlichkeitsantrag forderten, sagte Klingen zum Beispiel, dass die Ursachen der Erderwärmung nicht eingedämmt werden können. Der Wechsel von "Kälte- und Hitzeperioden" sei ein natürlicher Prozess, den es seit Millionen von Jahren gebe.
Klima-Experte: Erwärmung nimmt zu stark in zu kurzer Zeit zu
Heiko Paeth, Professor für Physische Geographie an der Universität Würzburg, erforscht Klimaänderungen. Auf Anfrage erklärt er, dass es sich hierbei um ein gängiges Argument von Klimawandel-Skeptikern handele. Es gebe zwar tatsächlich einen natürlichen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten, dieser ereigne sich aber über Jahrtausende.
- Der Standpunkt unseres Autoren: Es gibt keine alternativen Fakten
"Die Wissenschaft versteht wunderbar wie natürliche Klimaeinflüsse und menschliche Klimaeinflüsse funktionieren. Diese darf man nicht durcheinanderbringen", sagt Paeth. Seit Beginn der Industrialisierung gebe es eine Erwärmung innerhalb der Wärmezeit. In den letzten 100 Jahren sind die Temperaturen laut Paeth um etwa ein Grad Celsius gestiegen. Bis 2100 könnten noch ein bis fünf Grad hinzukommen. Diese Erwärmung habe allerdings keine natürlichen Ursachen. Sie ereigne sich viel zu stark über einen zu kurzen Zeitraum, sodass sie vom Menschen verursacht sein müsse.
Sachstandsbericht des Weltklimarates legt Klimawandel durch menschliche Aktivitäten nahe
Darüber hinaus kam Klingen bei seiner Rede im Maximilianeum zu dem Urteil, dass der Anteil der Menschen an der Erderwärmung so gering ist, dass er nicht ins Gewicht falle. Laut Paeth steht diese Behauptung aber "im krassen Widerspruch" zu einer der Kernaussagen des letzten Sachstandsberichts des Weltklimarates. Danach sei menschliche Aktivität mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent für die Erwärmung in den letzten 50 Jahren verantwortlich. Das sei auch auf den ersten 30 Seiten des Berichts nachzulesen, einer Zusammenfassung für Politiker, die als Pflichtprogramm gelte.
"Der sogenannte menschengemachte Klimawandel ist eine Fiktion aus der Welt des Aberglaubens, die jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehrt", fuhr Klingen in seiner Rede fort. Auch hier widerspricht Paeth: "Wetterdienste aus über 200 Staaten sammeln seit vielen Jahrzehnten zuverlässige Daten über das Klimasystem. Diese Daten zeichnen ein klares Bild. Das hat nichts mit Aberglauben zu tun."
Kohlenstoffdioxid – Schädlichkeit und Nutzen
Die Sachstandsberichte (rund 6000 Seiten) des Weltklimarates seien die wissenschaftliche Grundlage für die Existenz des durch menschliche Aktivitäten erzeugten Klimawandels, sagt Paeth. "Tausende Wissenschaftler arbeiten im Bereich der Klimaforschung. In den letzten zehn bis 15 Jahren hat kein Klimaforscher den durch menschliche Aktivitäten verursachten Klimawandel angezweifelt."
Letztlich hat Klingen noch darauf verwiesen, dass CO2 "weniger ein gefährliches Treibhausgas als vielmehr ein für Pflanzen notwendiges Stoffwechselelement" sei. Es stimme zwar, dass die Photosynthese darauf beruht, dass Kohlenstoffdioxid in Biomasse umgewandelt wird, sagt Paeth hierzu. Jedoch stelle sich die Frage des richtigen Maßes. Wenn sich so viel CO2 in der Atmosphäre befinde, dass die Verwertungskapazität der Pflanzen gesättigt ist, bleibe nur noch die schädliche Wirkung des Treibhausgases. Daher sei es eine fragwürdige Bewertung zu sagen, dass der Nutzen des Gases dessen Schädlichkeit übertrifft.
Klingen hält Thesen der Klimaforschung für nicht bewiesen
Angesprochen auf die Einschätzung des Expertens beharrt Klingen weiter auf seiner Meinung. Die Aussagen des Klimaforschers sind aus Sicht des Abgeordneten allesamt nicht bewiesen oder sogar falsch. Konkrete Quellen nennt Klingen dafür allerdings keine. "Die Ergebnisse der Wissenschaft erkenne ich durchaus an. Die Richtigkeit dieser ist – wie in der Naturwissenschaft üblich – anzuzweifeln, solange sie nicht endgültig bewiesen sind", sagt Klingen. Außerdem sei es "gängige Praxis, Antithesen anzuerkennen". Tatsächlich sieht Klingen die Ergebnisse der Wissenschaft sogar auf seiner Seite.
Da der Weltklimarat "politisch unterstützt" sei, erkennt Klingen dessen Sachstandsbericht auch nicht als "neutrale wissenschaftliche Arbeit" an. Nach eigener Aussage liest der AfD-Abgeordnete aber seit Jahren "verschiedene Fachliteratur". Klingen bezeichnet Umwelt- und Tierschutz als einen seiner politischen Schwerpunkte.