Long Covid ist komplex und noch längst nicht hinreichend erforscht. Stefan Dreising, Pressesprecher der Universitätsklinik Würzburg (UKW), hat Informationen der Klinik-Infektiologen dazu zusammengetragen.
Frage: Ab wann gelten Patienten als Long- oder Post-Covid-Patienten? Wie viele sind das aktuell?
Stefan Dreising: Gemäß aktueller Leitlinien bezeichnet Long-Covid längerfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen im Anschluss an eine SARS-CoV-2-Infektion, die über die akute Krankheitsphase von vier Wochen hinausgehen. Vom Post-Covid-Zustand oder Post-Covid-Syndrom spricht man, wenn Beschwerden mindestens zwölf Wochen und länger nach der akuten Infektion entweder noch vorhanden sind oder neu auftreten. Im Rahmen der normalen Sprechstunden in der Inneren Medizin/Neurologie/Neuropsychologie – eine spezifische Post-Covid-Ambulanz gibt es nicht – stellen sich etwa vier Post-Covid-Patienten pro Woche vor.
Wie werden sie behandelt?
Dreising: Zunächst werden weitere mögliche Diagnosen ausgeschlossen und Therapieempfehlungen ausgesprochen. Eine Weiterbetreuung und direkte Therapie – Physiotherapie, medikamentöse Therapie, psychosomatische Therapie, Studien zum Beispiel zur Immunadsorption – erfolgt am UKW nicht.
Welche verschiedenen Ausprägungen des Leidens beobachten Sie?
Dreising: Nicht jeder Patient ist gleich, auch die Ursachen und die Symptomatik sind unterschiedlich. Am häufigsten berichten Menschen über Müdigkeit und schnelle, ausgeprägte Erschöpfung nach körperlicher oder geistiger Anstrengung (Fatigue) sowie Denk- oder Konzentrationsstörungen. Weiter können Atemnot unter Belastung, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Schlafstörungen, Riech- und Geschmacksstörungen, Herzrasen oder -stolpern, Depressionen oder Schwindelgefühle auftreten. Manches deutet darauf hin, dass es unterschiedliche Post-Covid-Formen gibt: Eine Form, bei der die Fatigue überwiegt – in extremer Weise bis zur Bettlägrigkeit bei ME/CFS – und eine Form, bei der weitere körperliche Beschwerden überwiegen.

Wie kann man in besonders schweren Fällen von CFS/ME – wie dem von Milena Riegel aus Buchbrunn – helfen?
Dreising: Generell kann man sagen: Die Ursachen für CFS/ME sind vermutlich unterschiedlich, aber Immunreaktionen nach Virusinfektionen und Autoantikörper spielen nach bisherigen Erkenntnissen eine wichtige Rolle. Am UKW gibt es keine reine Fatigue- oder CFS/ME-Sprechstunde und es existiert auch keine spezifische ursächliche Therapie. Im Vordergrund steht symptomorientierte Therapie: vorausschauendes Energiemanagement, das Pacing, Stresskontrolle und psychosoziale Unterstützung, die Behandlung von Symptomen wie Schlafstörungen oder Schmerzen. Bislang werden zudem in kleineren Studien gezielt arbeitende Medikamente etwa zur Beseitigung von Antikörpern getestet.

Welche Therapien gibt es grundsätzlich?
Dreising: Derzeit gibt es keine auf wissenschaftlich fundierten Studien basierenden spezifischen Therapien. An mehreren Universitäten, etwa der Berliner Charité und der Universität Erlangen, laufen Therapie- und Medikamentenstudien. Die Immunadsorption, also das Entfernen von Antikörpern durch Blutwäsche oder die sogenannte HELP-Apherese könnten eine Therapiemöglichkeit darstellen. Die bisherigen kleineren Studien ergaben jedoch unterschiedliche Ergebnisse: Nicht alle Patienten profitierten. Es sind weitere Studien notwendig, um Biomarker zu finden, die vorab Hinweise für einen Therapienutzen geben könnten. Daher kann aktuell keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden.